Aleph Alpha :
SAP greift nach Künstlicher Intelligenz

Von Sven Astheimer, Bernd Freytag, Frankfurt/Mainz
Lesezeit: 3 Min.
SAP-Zentrale in Walldorf
Aleph Alpha aus Heidelberg kann technisch mit amerikanischen KI-Anbietern mithalten. Um von ChatGPT und Co. nicht abgehängt zu werden, wäre das Kapital von SAP wertvoll.

Der Softwarehersteller SAP will das Geschäft mit Künstlicher Intelligenz (KI) nicht nur den Amerikanern überlassen. Der Konzern verhandelt nach Informationen der F.A.Z. über einen Einstieg beim Heidelberger Start-up Aleph Alpha .

Das junge Unternehmen, im Jahr 2019 gegründet vom ehemaligen Apple-Manager Jonas Andrulis, gilt als einer der größten Hoffnungsträger für eine eigenständige europäische KI. Das Programm „Luminous“ kann nach Unternehmensangaben mit ChatGPT des Marktführers Open AI mithalten. Dies hatten die im Februar veröffentlichten Ergebnisse eines standardisierten Leistungsvergleichs ergeben.

SAP will sich nach Informationen aus dem Umfeld des Konzerns in der jetzt laufenden zweiten Finanzierungsrunde beteiligen, die Rede ist von einem Betrag unter 100 Millionen Euro. Die Entscheidung dürfte in den kommenden zwei bis drei Wochen fallen. SAP selbst wollte sich auf Anfrage dazu am Donnerstag ebenso wenig äußern wie Aleph-Alpha-Gründer Jonas Andrulis.

Eine neue Qualität der Künstlichen Intelligenz

Seit Monaten hält die Software ChatGPT die Welt in Atem. Im Herbst hatte Open AI sein revolutionäres Sprachmodell der Version 3.5 dieser „generativen KI“ veröffentlicht. Das Programm ist deutlich leistungsfähiger als vorherige Software. Der Chatbot kann Gedichte oder Aufsätze schreiben und vieles mehr.

Der Softwarekonzern Microsoft stockte daraufhin seine Beteiligung um zehn Milliarden Dollar auf und inte­grierte die KI in seine Internetsuchmaschine Bing. Kürzlich wurde die Sprachmodellversion GPT4 vorgestellt, die auch mit Bildern arbeitet. Mittlerweile sind auch andere Tech-Riesen wie der Google-Mutterkonzern Alphabet mit entsprechenden Konkurrenzprodukten an die Öffentlichkeit gegangen.

Die Fachwelt ist sich weitgehend einig, dass diese neue Qualität der Künstlichen Intelligenz das Zeug zu weitreichenden Änderungen, wenn nicht Umwälzungen, in Wirtschaft und Gesellschaft hat – im Guten wie im Schlechten. Deshalb forderten am Mittwoch namhafte Forscher und Technologieunternehmer in einem offenen Brief, die Arbeit an solchen KI-Systemen für mindestens sechs Monate zu unterbrechen, um das Thema zu durchdringen und bewerten.

Aleph-Alpha-Gründer Jonas Andrulis
Aleph-Alpha-Gründer Jonas Andrulisdpa

Für Aleph-Alpha-Gründer Andrulis ist das keine sinnvolle Maßnahme. Die meisten der Unterzeichner arbeiteten gar nicht an dieser KI, sagte er der F.A.Z. Auch sei fraglich, ob wirklich jeder bereit wäre, die Arbeit einzustellen.

Andrulis sieht neben den Chancen der Technologie ebenfalls enorme Risiken. Die Antwort darauf liegt für ihn aber in der raschen Entwicklung eigener Anwendungen: „Wir müssen gestalten, nur ablehnen und regulieren wird das Problem nicht lösen.“ Aufgrund der Dominanz von ChatGPT und Microsoft werden in der Tech-Szene zunehmend Forderungen nach mehr Vielfalt laut.

Aleph Alpha hatte 2021 eine Finanzierungsrunde über rund 23 Millionen Euro erfolgreich abgeschlossen. Damit wurden die Zahl der Mitarbeiter auf rund 50 erhöht, ein schnelles KI-Rechenzentrum in Bayreuth aufgebaut und Referenzprojekte gestartet, etwa mit der Stadtverwaltung in Heidelberg. Doch ChatGPT hat die Ausgangslage komplett verändert.

Ein Einstieg von SAP läge nahe

„Auf uns rollt eine 20-Milliarden-Dollar-Dampfwalze von Microsoft zu“, sagt Andrulis mit Blick auf die schier unbegrenzten Finanzmittel der Amerikaner. Um nicht komplett abgehängt zu werden, müssen die Nordbadener in diesem Jahr ihre nächste Finanzierungsrunde (Serie B) stemmen. Im Raum steht eine Summe in dreistelliger Millionenhöhe.

Da läge ein Einstieg von SAP nahe, dessen Hauptsitz in Walldorf nur einen Steinwurf von Heidelberg entfernt ist. Im Januar hatte SAP-Vorstandssprecher Christian Klein der F.A.Z. gesagt, SAP nutze ChatGPT schon, auch zum Programmieren. SAP sei „ein bisschen ein Testlabor für neue Technologien, und wenn es passt, werden wir die Programme auch in die Standardentwicklung implementieren“. Zugleich zeigte er sich skeptisch. Vieles was die Apps böten, gebe es schon. „Was wir jetzt erleben, ist noch mal die nächste Evolution. In hochkomplexen Applikationen wird der Faktor Mensch jedoch nicht verschwinden. Das Wissen um die Indus­trie und ihre Geschäftsprozesse bleibt bei ihm. Da habe ich keine Bedenken.“

Die demonstrative Unaufgeregtheit des SAP-Chefs sollte freilich nicht verbergen, dass KI auch einen Konzern wie SAP fundamental verändern könnte. Neben der direkten Betroffenheit geht es SAP nach Informationen aus dem Umfeld des Konzerns aber auch schlicht darum, seiner Rolle als Europas größtem Softwarekonzern gerecht zu werden.

Sollte Aleph Alpha tatsächlich zum Nukleus eines europäischen KI-Konzerns werden, wäre SAP mit dabei. Finanziell wäre die Beteiligung für SAP ein Klacks. Der Konzern hat in den vergangenen zehn Jahren mehr als 30 Milliarden Euro für eine ganze Reihe von Unternehmen ausgegeben. Zudem investiert SAP nach wie vor Milliardenbeträge in Investmentfonds der selbständigen Risikokapital-Tochtergesellschaft Sapphire Ventures.