Landtag - Magdeburg:Experte: Haseloff muss auch mit eigener Partei verhandeln

Deutschland
Reiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, schaut in die Kamera. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/ZB (Foto: dpa)

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Magdeburg (dpa/sa) - Trotz seines deutlichen Wahlsiegs steht Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) nach Einschätzung von Verhandlungsexperte Thorsten Hofmann eine schwierige Regierungsbildung bevor. "Es ist ein triumphaler Sieg, der auf dem Papier gut aussieht", sagte Hofmann der Deutschen Presse-Agentur. "Trotzdem wird Haseloff, je nachdem in welche Konstellation er hineingeht, auch viele Positionen aufgeben müssen."

Hofmann hat als Ermittler beim Bundeskriminalamt mit Kriminellen verhandelt, heute berät er Unternehmen, Verbände und die Politik. Auch Koalitionsverhandlungen hat er schon begleitet. Er lehrt Verhandlungsmanagement an der Quadriga Hochschule Berlin. Für die CDU und ihre drei Gesprächspartner SPD, FDP und Grüne sieht er verschiedene Ausgangslagen - und damit verschiedene Wahrscheinlichkeiten was die Zusammensetzung der Koalition angeht.

CDU

Trotz der hohen Zustimmung stehe Haseloff vor schwierigen Verhandlungen, sagt Hofmann. "Das Wahlergebnis war ein triumphaler Sieg - so weit so gut. Einfacher macht das die Verhandlungen aber nicht, zumal die CDU auch intern das ein oder andere Problem hat". Abgeordnete wie Lars-Jörn Zimmer und Ulrich Thomas oder der frühere CDU-Chef und Innenminister Holger Stahlknecht seien potenzielle Unruheherde in der Fraktion.

Zimmer und Ulrich waren in der letzten Legislatur durch Forderungen nach einer Öffnung zur AfD aufgefallen. Stahlknecht war von Haseloff nach einer umstrittenen Äußerung über eine mögliche Kooperation mit der AfD entlassen worden, zog aber wieder in den Landtag ein. Hofmann empfiehlt dem Ministerpräsidenten, der je nach Konstellation auf jede Stimme in seiner Fraktion angewiesen sein könnte, "zuerst einmal die eigenen Reihen zu schließen und alte Konflikte zu befrieden". Um eine interne Verhandlung komme er nicht herum.

SPD

Die SPD fuhr das schlechteste Ergebnis ihrer Landesgeschichte ein, die Wahrscheinlichkeit, dass die Sozialdemokraten in Sachsen-Anhalt weiter regieren, ist laut Hofmann dennoch hoch. CDU und SPD hätten in den vergangenen Jahren gut zusammengearbeitet. Im Wahlkampf habe sich Spitzenkandidatin Katja Pähle sehr ruhig und sachlich mit der CDU auseinandergesetzt, das passe gut zur Art von Reiner Haseloff. "Das ist ja Grundlage für jede Verhandlung, denn am Ende entscheiden Menschen und nicht irgendwelche Automaten."

GRÜNE

Besonders schwierig schätzt Hofmann die Ausgangssituation für die Grünen ein. "Die Union ist in Sachsen-Anhalt eine andere als in Berlin, hier könnte es besonders schwierig werden, Einigungen hinzubekommen", vermutet der Verhandlungs-Experte. "Sich hier zerreiben zu lassen und grüne Standpunkte aufzugeben, wäre vor dem Hintergrund der Bundestagswahl besonders riskant." Sollte die Partei in Verhandlungen zu viele grüne Standpunkte aufgeben, würden andere Parteien das für den Vorwurf nutzen, die Grünen seien nur an der Macht interessiert, warnt Hofmann.

FDP

Für die FDP sieht Hofmann eine sehr gute Ausgangsposition. "Die FDP ist das Mittel der Wahl. Sobald es mit der Zweierkoalition nicht klappt, werden sie auf jeden Fall gebraucht." Die Liberalen sollten daher offen in die Gespräche gehen. Hofmann sieht für die Partei, die nach zehn Jahren in den Magdeburger Landtag zurückkehrt, aber auch große Herausforderungen.

Allein das richtige Personal für die Gespräche zu finden, sei aus der außerparlamentarischen Opposition heraus schwierig. Dafür müsse man ihr Zeit geben. Außerdem sollte die FDP, anders als nach der Bundestagswahl 2017, die Chance zur Regierungsbeteiligung laut dem Experten lieber nutzen. "Die FDP sollte nicht den Eindruck entstehen lassen, dass sie ins Parlament gewählt werden wollen, dann aber nicht bereit sind, Verantwortung zu tragen."

KOALITIONEN

Hofmann schätzt die Chancen für eine schwarz-rot-gelbe Koalition insgesamt am höchsten ein. "Sollte der FDP genügend Zeit gegeben werden, um sich zu organisieren und aufzustellen, halte ich eine Deutschland-Allianz für am wahrscheinlichsten." Das sei inhaltlich machbar, Haseloff habe sowohl mit SPD als auch mit FDP schon gut zusammengearbeitet. Das würde dem Regierungschef noch einen Puffer geben hinsichtlich seines eigenen internen Risikofaktors.

Eine Ein-Stimmen-Mehrheit in einem Bündnis nur mit der SPD hält Hofmann für zu riskant für Haseloffs letzte Amtszeit. Dennoch schätzt er die Wahrscheinlichkeit dafür noch höher ein, als für ein Bündnis aus CDU, FDP und Grünen: "Schwarz-Gelb-Grün halte ich von den Konstellationen für die am schwierigsten zu konstruierende." Auch für Haseloff wäre die sogenannte Jamaika-Koalition die anstrengendste, sagt Hofmann. "Bei Jamaika müsste er nicht nur die eigene Truppe auf Linie halten, sondern auch stärker zwischen den beiden anderen Koalitionspartnern vermitteln." Mit SPD und FDP sei das inhaltlich deutlich leichter.

© dpa-infocom, dpa:210612-99-961808/4

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