Mambu-Chef Eugene Danilkis
Mambu-Chef Eugene Danilkis
Mambu

Die großen Pläne der Gründer sind schon im Namen des Startups kodiert. Mambu — das ist der malaiische Begriff für eine Bambusart. „Es wächst schnell, ist flexibel und existiert in vielen Ländern rund um den Globus“, erklärt Mitgründer Eugene Danilkis im Gespräch mit Business Insider. Obwohl das Berliner Fintech bereits mehr als 500 Mitarbeiter und Büros in neun Ländern hat, fliegt es hierzulande dennoch weit unter dem Radar.

Vergangene Woche hat sich das auf einen Schlag geändert. Nach der aktuellen Finanzierungsrunde in Höhe von 110 Millionen Euro beträgt der Unternehmenswert nun schwindelerregende 1,7 Milliarden Euro. Damit ist Mambu das zweitwertvollste Fintech Deutschlands, direkt hinter der Digitalbank N26.

Lest auch

Mambu ist ein Anbieter von Banking-Software. Genauer gesagt: Es liefert ein cloudbasiertes Kernbanksystem und macht so die Produkte von N26 und Co. erst möglich. Zu den Investoren gehören der Münchner Etsy-Investor Acton Capital, der Netflix-Finanzierer TCV aus dem Silicon Valley, Bessemer Venture Partners und Tiger Global. Ihre Kalkulation: Solange die Digitalisierung im Bankensektor voranschreitet, wächst auch das Software-Geschäft.

Gründer lernten sich an der Uni kennen

Die Geschichte von Mambu beginnt allerdings lange bevor die große Fintech-Welle den deutschen Markt erreicht, nämlich im Jahr 2009. Die drei Gründer Eugene Danilkis, Frederik Pfisterer und Sofia Nunes lernen sich damals beim Masterstudium „Human-Computer Interaction“ an der US-amerikanischen Carnegie Mellon University kennen. Bei einem Studienprojekt bekommen sie die Aufgabe, zusammen mit einem Industriepartner das Innovationspotenzial im Bankensektor zu untersuchen.

„Wir haben schnell gemerkt, dass es noch eine große Lücke bei Finanzdienstleistungen gibt. Knapp drei Milliarden Menschen weltweit hatten damals keinen Zugang zu einem Bankkonto oder Krediten. Uns war klar, dass die Erschließung dieser Märkte unausweichlich ist“, sagt Mambu-Mitgründer Danilkis. Statt selbst eine Smartphone-Bank zu gründen, beschließen sie, sich auf die technische Infrastruktur hinter der Fintech-Revolution zu konzentrieren — quasi wie ein SAP oder Salesforce für die Bankenwelt.

Im Jahr 2010 zieht Danilkis, der eigentlich aus Kanada kommt, mit zwei Koffern im Gepäck nach Stuttgart, der Heimat seines Mitgründers Frederik Pfisterer. Im ersten Jahr arbeiten sie im Freizeitraum einer Büro-Etage, den ein Bekannter ihnen zur Verfügung stellt. „Der Raum hatte eine X-Box. Ich erinnere mich noch, wie wir jeden Tag um die Mittagszeit unsere Lärmschutz-Kopfhörer aufgezogen haben, weil zwei Meter neben uns gezockt wurde“, sagt Danilkis.

Erst Schwellenländer, dann Europa

2014 hatte Mambu noch um die 30 Mitarbeiter. Heute sind es 500. Das Archivbild zeigt die Mitgründer Sofia Nunes, Frederik Pfisterer und Hund Monty.
2014 hatte Mambu noch um die 30 Mitarbeiter. Heute sind es 500. Das Archivbild zeigt die Mitgründer Sofia Nunes, Frederik Pfisterer und Hund Monty.

Zu Beginn kommen Mambus Kunden fast ausschließlich aus Schwellenländern wie Nigeria, Kolumbien oder den Philippinen. Es sind vor allem Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen, die ein technisches Rückgrat für die Vergabe von Mikrokrediten brauchen. Erst im Jahr 2014 beginnen auch europäische Startups und Konzerne, sich für die Banking-Software von Mambu zu interessieren. „Plötzlich bekamen wir Anrufe von Banken, die nach neuen Technologielösungen suchten“, sagt Danilkis. Einer der ersten Kunden war das britische Fintech Oaknorth, später kam auch die deutsche Digitalbank N26 dazu. Bis heute spielen Schwellenländer eine große Rolle. Laut Danilkis machen sie neben Europa etwa 50 Prozent des Geschäfts aus.

Stabile Umsätze dank Abo

Mambus Geschäftsmodell basiert auf dem sogenannten Software-as-a-Service-Modell, das heißt es verkauft seine Software als Abonnement. Mittlerweile habe das Fintech nach eigenen Angaben mehr als 170 Geschäftskunden in 50 Ländern, die mit ihren Finanzprodukten 20 Millionen Endkunden erreichen. Umsatzzahlen und Preise wollen die Mambu-Gründer nicht nennen. Nur so viel: Der Anteil der wiederkehrenden Abo-Erlöse am Gesamtumsatz liege „nördlich von 90 Prozent“. Die restlichen Einnahmen würden aus Gebühren für Beratung und Projektabwicklungen stammen.

Lest auch

Das Branchenportal Financefwd geht davon aus, dass sich die Erlöse insgesamt auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag belaufen. Zudem scheint das Fintech kostenarm zu wirtschaften. Nimmt man alle seit 2011 aufgelaufenen Verluste zusammen, verschlang der Aufbau der Milliardenfirma gerade einmal rund 23 Millionen Euro. Zum Vergleich: Die Verluste der ebenfalls als Infrastrukturanbieter auftretenden Solarisbank summierten sich bislang auf über 65 Millionen Euro. Dabei wurde das Fintech laut Handelsblatt zuletzt „nur“ mit 320 Millionen Euro bewertet – ein Vielfaches weniger als Mambu. Allerdings verfügt die Solarisbank, anders als Mambu, über eine Banklizenz der Finanzaufsicht BaFin – ein Umstand, der sich auf Bewertung und Kosten auswirkt. Solarisbank fokussiert sich damit auf sogenanntes Banking-as-a-Service.

Fintech-Boom feuert Bewertung an

Die hohe Bewertung von Mambu mit 1,7 Milliarden Euro basiert auf einer einfachen Wette: Solange der Digitalisierungsschub in der Finanzindustrie anhält, verdient Mambu mit seinen Abo-Gebühren direkt mit am Fintech-Boom. Einerseits, weil Kunden wie N26 wachsen und in höhere Abo-Kategorien rutschen. Andererseits, weil immer mehr Fintechs auf den Markt drängen und auf Lösungen wie jenen von Mambu angewiesen sind.

Auch Investoren zeigen sich überzeugt, dass mit Mambu ein wichtiger Plattformanbieter für die Finanzindustrie heranwächst. „Banken gaben in 2020 mehr als 110 Milliarden Dollar für Software aus, davon entfielen etwa 15 Milliarden auf den Bereich Core-Banking, dessen Implementierung aufwändig und teuer ist. Hier setzt Mambu mit einer modernen Cloud-Lösung an“, sagt Stefan Tirtey, Managing Partner von CommerzVentures zu Business Insider.

Am Anfang war Skepsis groß

Der hauseigene VC-Arm der Commerzbank beteiligte sich 2016 an einer 8-Millionen-Runde für das Fintech. Dabei habe es zu dieser Zeit noch viel Skepsis gegenüber Cloud-Technologien im Bankenumfeld gegeben, so Tirtey. Viele Investoren hätten beim Gedanken an die hohen regulatorischen Hürden abgewunken. „Uns erschien es jedoch nur logisch, dass die Cloud nach der IT- und Telekommunikationsbranche auch im Banking ankommt. Daher sind wir die Wette auch eingegangen.“

Bisher scheint diese für die beteiligten Geldgeber aufzugehen. Nicht nur haben staatliche Bankenaufsichten vielerorts inzwischen Routine im Umgang mit Fintechs. Auch Gründer schrecken vor Banklizenzen und Rechtsunsicherheiten nicht mehr so schnell zurück, weil sie mithilfe von Plattformen wie Mambu auf bewährte Technologie zurückgreifen können.

Für CommerzVentures-Manager Tirtey sind vor allem drei Faktoren für das Wachstum von Mambu entscheidend. „Erstens eine moderne Softwarearchitektur, die klassische Kernbankenanbieter aufgrund jahrzehntealter IT-Systeme nicht bieten können, und zweitens eine sehr kurze Time-to-Market zu geringen Kosten“, erklärt Tirtey. Gemeint ist damit die kurze Vorlaufszeit für den Launch neuer Finanzprodukte. Tirtey: „Banken wie branchenfremden Unternehmen ist es so möglich, in wenigen Wochen einen eigenen Fintech-Service an den Start zu bringen.“ Die niederländische Großbank ABN Amro etwa habe mithilfe vom Mambu ein neues Kreditangebot für Kleinfirmen gestartet. „Das schafft auch wichtiges Vertrauen für neue Kunden“, führt Tirtey als drittes Argument an.

„Das Ziel ist, irgendwann an die Börse zu gehen“

Wie geht es nun weiter für Mambu? Zehn Jahre nach der Gründung ist das Startup zumindest in der Investoren-Zeitrechnung überreif für einen Exit, denn sie erwarten in der Regel nach fünf bis sieben Jahren eine Rendite. Mit der Bewertung von 1,7 Milliarden Euro scheint ein Verkauf eher unrealistisch, denn das Preisschild ist auch für Softwareriesen wie SAP oder Salesforce relativ hoch. Mambu-Gründer Eugene Danilkis strebt nach eigener Aussage sowieso eine andere Strategie an. „Das Ziel ist, irgendwann an die Börse zu gehen“, sagt er zu Business Insider. Er rechne aber damit, dass es erst „in ein paar Jahren“ soweit sei.