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"Wie im Gefängnis" Tausende britische Studenten müssen in Wohnheim-Quarantäne

Der Unmut unter den Studierenden in Großbritannien ist groß: Weil die Regierung Corona-Ausbrüche eindämmen will, müssen Tausende in ihren Zimmern auf dem Campus ausharren.
Lockdown-Humor an der Manchester Metropolitan University: "Schickt Bier"

Lockdown-Humor an der Manchester Metropolitan University: "Schickt Bier"

Foto: Peter Byrne / AP

Sie fühlen sich "wie im Gefängnis" oder "völlig vernachlässigt": Tausende Studierende in Großbritannien müssen in ihren Wohnheimen ausharren und dürfen nicht vor die Tür gehen. Die Regierung hat an einigen Unis des Landes regionale Lockdowns verhängt, um Corona-Ausbrüche zu verhindern - und damit reichlich Unmut auf sich gezogen. Bildungsminister Gavin Williamson mühte sich nun, die Studierenden zum Durchhalten zu bewegen. Mit einem Versprechen.

"Wir wollen zusammen mit den Universitäten sicherstellen, dass alle Studierenden zu Weihnachten sicher nach Hause reisen und das Fest im Kreise ihrer Lieben verbringen können, wenn sie dies wollen", sagte der Minister am Dienstag. Allerdings, schränkte er ein, müssten manche unter Umständen zum Semesterende in Quarantäne.

Tausende harren in Wohnheimen aus

Ob diese Ankündigung die Gemüter beruhigt, ist fraglich. In Glasgow, Manchester und Edinburgh harren derzeit Tausende Studierende in ihren Wohnheimen aus. Mancherorts verhindern Sicherheitskräfte, dass die jungen Menschen ihre Unterkünfte verlassen, wie der Sender BBC  berichtet. Einige Studierende nehmen die Sache demnach locker, andere sind reichlich genervt.

An der Universität Glasgow brachten Studierende Schilder an, auf denen sie forderten: "Schickt Bier." In Manchester dagegen klebt die Nachricht "HMP MMU" am Fenster, was bedeuten soll, dass der Schlafsaal zum "Gefängnis Ihrer Majestät Manchester Metropolitan University" (MMU) geworden sei.

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Wie die BBC berichtet, mussten sich an der MMU rund 1700 Studierende in Quarantäne begeben, nachdem 127 Studierende positive Corona-Tests hatten. Einige fühlen sich nun "völlig vernachlässigt", wie etwa die Studentin Anna Billaney. "Ich studiere Textil und Design, das kann ich nicht von meinem Schlafzimmer aus machen", wird die Studentin zitiert. Sie glaube, die Sperre werde die psychische Gesundheit vieler Studierender stark beeinflussen.

Studierende in Wohnheimen auf dem Birley Campus und in den Cambridge Halls wurden dem Bericht zufolge angewiesen, 14 Tage in ihren Zimmern zu bleiben, auch wenn sie keine Symptome haben. Dies sei nötig, um die Verbreitung von Covid-19 auf andere Studenten und Mitarbeiter zu verhindern, hieß es von der Universität. Aber viele Studierende fürchten, dass der Lockdown verlängert wird, wenn es erneut zu Infektionen kommt - und ärgern sich, dass sie selbst bei negativen Testergebnissen ihr Wohnheim nicht verlassen dürfen.

Mehrere berichten von einer merkwürdigen Atmosphäre auf dem Campus. Einige Studierende machen sich unter anderem Sorgen, ob und wie sie an ausreichend Essen kommen. Aslan Warburton, der mit elf anderen Studenten in einer Wohnung in Birley lebt, sagte der BBC: "Wir alle versuchen, Lebensmittel geliefert zu bekommen." Aber das gelte für 1700 weitere Studierende. "Ein Supermarkt kann nicht so vielen Menschen Lebensmittel liefern."

Aufschrift an der Universität in Glasgow: "Studierende sind kein Verbrecher"

Aufschrift an der Universität in Glasgow: "Studierende sind kein Verbrecher"

Foto: Andrew Milligan / AP

Mehrere Studierende kritisierten, dass sie kaum oder keine Zeit gehabt hätten, sich auf die Isolation vorzubereiten. Dominic Waddell, 21, Filmstudent im ersten Jahr an der MMU, sagte, einige Studenten hätten nicht einmal E-Mails erhalten, in denen sie über den Lockdown informiert wurden. "Es gab einen Wachmann, der plötzlich am Tor unserer Unterkunft stand und niemanden gehen ließ, ohne wirklich zu erklären, was los war."

Die Opposition kritisierte, dass die Regierung keinerlei Plan aufgestellt habe, um die Studierenden zu unterstützen, und die Unis zudem geöffnet habe, ohne die nötige Zahl an Corona-Tests zur Verfügung zu stellen. Williamson entgegnete jedoch, die Universitäten seien sehr gut auf Corona-Ausbrüche vorbereitet, zudem sei die Öffnung der Unis quasi alternativlos gewesen.

"Die Kosten wären immens, wenn wir unsere Universitäten nicht geöffnet hätten", sagte der Minister. Diese seien jedoch nicht in Geld umzurechnen, sondern in verpasste Chancen für junge Menschen, die studieren wollten. Williamson sagte, es gebe nun einmal kein Null-Risiko, und er wolle nicht eine Generation junger Menschen dazu verurteilen, "ihr Leben für Monate oder Jahre auf Eis zu legen".

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Die Universität von Manchester will den Studierenden in ihrer misslichen Lage nun helfen. Malcolm Press, MMU-Vizekanzler, sagte, es stünden rund um die Uhr online Ansprechpartner zur Verfügung, die Studierenden sollten zudem ein Carepaket zur Befriedigung ihrer "Grundbedürfnisse" erhalten - und finanzielle Hilfe. "Wir gewähren den Studierenden einen zweiwöchigen Rabatt bei der Miete und einen Essensgutschein", versprach Press.

Ist das ein Trost? "Wenn ich gewusst hätte, dass sich die Dinge in diesem Semester so entwickeln wie jetzt und nur Onlinelehre stattfindet", wird der Student Joe Ward von der BBC zitiert, "hätte ich mir gut überlegt, ob ich dieses Jahr überhaupt auf den Campus zurückgehe."

fok/mit Material von AP/Reuters
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