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Brasilien am stärksten betroffen Umweltschützer beklagen massiven Urwaldverlust

Eine neue Studie macht deutlich, wie schnell weltweit die Regenwälder abgeholzt oder niedergebrannt werden: Alle sechs Sekunden verschwindet die Fläche eines Fußballfelds. In einigen Ländern hat sich die Zerstörung aber verlangsamt.
Brasilianisches Waldgebiet mit Brandschäden im Bundesstaat Pará

Brasilianisches Waldgebiet mit Brandschäden im Bundesstaat Pará

Foto: Nelson Almeida/ AFP/ Getty Images

Wald ist nicht gleich Wald. Ein industriell bewirtschafteter Kiefernforst in Brandenburg hat mit dem Artenreichtum und der Klimawirkung eines Urwaldes in Brasilien nichts zu tun. Umso bedrückender sind aktuelle Statistiken zum Verlust unberührter Waldlandschaften, die das World Ressources Institute, eine Denkfabrik für Umweltfragen in Washington, gerade veröffentlicht hat .

Ausgewertet wurden dafür Daten der University of Maryland auf der Internetplattform Global Forest Watch . Demnach sind im vergangenen Jahr weltweit rund 3,8 Millionen Hektar besonders wichtiger unberührter Primärwald verloren gegangen. Das entspräche etwa der Fläche eines Fußballfeldes - alle sechs Sekunden. Oder anders gerechnet: Das Abholzen dieser Fläche habe 1,8 Gigatonnen Kohlendioxid freigesetzt, so viel wie 400 Millionen Autos pro Jahr ausstießen. Zur Einordnung: Der jährliche CO2-Gesamtausstoß der Menschheit liegt bei etwa 36,7 Gigatonnen.

"Das Ausmaß des Waldverlustes ist inakzeptabel"

Insgesamt seien 2019 rund 11,9 Millionen Hektar tropischer Urwald abgeholzt worden oder abgebrannt, so die Organisation. Allein ein Drittel des verschwundenen Primärwaldes entfalle auf Brasilien (rund 1,4 Millionen Hektar). Dort sei die Lage so schlecht wie seit 13 Jahren nicht mehr, rechne man die Feuerjahre 2016 und 2017 heraus. Im vergangenen Jahr hätten Feuer in Brasilien kaum eine Rolle beim Waldverlust gespielt, die Abholzung finde vielmehr gezielt statt, um landwirtschaftliche Flächen zu schaffen. Die Umweltorganisation WWF hatte zuvor bereits gewarnt, in der Coronakrise steige die Abholzung der Regenwälder noch einmal dramatisch an, weil Kontrollbehörden nur noch eingeschränkt arbeiten könnten.

In Indonesien (324.000 Hektar im Jahr 2019) und der Demokratischen Republik Kongo (475.000 Hektar) sei der Waldverlust im vergangenen Jahr dagegen etwas gebremst worden. In Bolivien und Australien ging der Auswertung zufolge im vergangenen Jahr besonders viel Wald durch Brände verloren. In Australien sei der Flächenverlust etwa sechsmal so groß wie in den Vorjahren, hieß es. "Das Ausmaß des Waldverlustes, das wir 2019 gesehen haben, ist inakzeptabel", so Frances Seymour vom World Resources Institute. "Und einer der Gründe, warum es nicht akzeptabel ist, ist, dass wir eigentlich wissen, wie wir es umkehren können."

Regierungen müssten Gesetze zum Waldschutz verabschieden und diese dann auch durchsetzen. Wenn es dagegen Signale gäbe, dass etwa Regeln zur Brandrodung laxer gehandhabt würden oder dass das Land indigener Gemeinschaften für die wirtschaftliche Nutzung freigegeben würde, steige der Waldverlust an, so Seymour.

Lob gab es von der Organisation für die Fortschritte in Indonesien, die offenbar auf gute Regierungsarbeit zurückgingen. Kritik äußerten die Experten dagegen an der Entwicklung in Brasilien. Auch Bolivien bereite ihnen Sorgen, wo Brandrodungen für die Landwirtschaft außer Kontrolle geraten seien. Die Waldverluste dort seien 2019 daher um 80 Prozent größer gewesen als in jedem anderen Jahr der seit Anfang des Jahrtausends geführten Statistik. Die freigeräumten Flächen würden oft für den Soja-Anbau und die Rinderzucht genutzt.

chs