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Zum Tod von Uli Stein Der große Zeichner der kleinen deutschen Welt

Uli Stein war einer der erfolgreichsten Zeichner des Landes - und Chronist einer spezifisch deutschen Reihenhausgemütlichkeit: Seine Menschen und Tiere konnte nur verstehen, wer hierzulande aufgewachsen ist.
Knollennasenmenschen in einem seltsamen Land: So funktionierte der typische Uli-Stein-Witz

Knollennasenmenschen in einem seltsamen Land: So funktionierte der typische Uli-Stein-Witz

Foto: Sebastian Gollnow / picture alliance / dpa

Sprach man zuletzt von Uli Stein, der jetzt mit 73 Jahren gestorben ist, war eher die Rede von den Dimensionen seines Werks als vom Werk an sich, der Mann war eine Ein-Mann-Witzbildindustrie: Über 50 Bücher hat er zu Lebzeiten veröffentlicht, mit einer Gesamtauflage von annähernd zwölf Millionen verkauften Exemplaren. Allein sein Bestseller "Fröhliche Weihnachten" hat sich rund eine Million mal verkauft.

Dazu kamen Kalender, Krawatten, Computerspiele und alles, was sich sonst noch konsumieren ließ mit den aufgedruckten Knollennasenwitzen, die Stein zeichnete. Oh, und Postkarten: 180 Millionen verkaufte Witzbildpostkarten sollen es am Ende gewesen sein, mehr als zwei für jeden Deutschen, und ein Lebenswerk für einen Postboten.

Kommerziell gesehen war Stein damit Deutschlands liebster Witzezeichner. Loriot, von dem er die Knollennasen seiner Figuren übernahm, ließ er in der Gesamtauflage weit hinter sich, ebenso den "Werner"-Erfinder Brösel. Alle anderen sowieso, vor allem in den Achtziger- und Neunzigerjahren und kurz nach der Jahrtausendwende. Da erlebte der 1946 als Ulrich Steinfurth in Hannover geborene Zeichner seine größten Erfolge.

Es war ein Schnellstart: Nach abgebrochenem Lehramtsstudium und ein paar Jahren Tätigkeit als Journalist veröffentlichte Stein ab Mitte der Siebzigerjahre seine ersten Cartoons. Zuerst unter anderem in den "St. Pauli Nachrichten", später in angeseheneren Blättern wie dem "Stern".

Stein war Herr über 50 Bücher und 180 Millionen verkaufte Bildpostkarten

Stein war Herr über 50 Bücher und 180 Millionen verkaufte Bildpostkarten

Foto: Holger Hollemann / picture alliance / dpa

Obwohl seine Bücher auch im Ausland erschienen, konnte er dort nirgends den Erfolg wiederholen, den er in Deutschland hatte. Chinesen (in China wurde Anlauf genommen, ihn zu publizieren, ebenso wie in Finnland und den USA) konnten über seine Knollenmännchen offenbar nur manchmal lachen, der Absatz blieb mäßig.

Die Ursachen mögen in der tiefen Verwurzelung von Steins Cartoons im deutschen Mittelstand gelegen haben. Steins Figuren waren Durchschnittsmenschen von der Art, wie man sie in ZDF-Vorabendserien bewundern kann. Beamte, Angestellte, Lehrer, deren Frauen und Kinder, die alle durch eine deutsche Biederkeit auffallen.

Typische Stein-Szenen spielen in Restaurants ("Möchten Sie den Wein gleich aussuchen oder sich erst später blamieren?"), im Garten ("Du hast nicht wirklich Glühwein in die Vogeltränke getan?"), beim Arzt ("Was mir fehlt? Bin ich der Arzt oder Sie?").

Daneben Tiere, immer wieder Tiere. Katzen, Pinguine, Mäuse. Doch selbst die häufig im Gestus des Mittelstandes, Berufstätige in Sachen Tiersein: Da war eine Reihenhausgemütlichkeit, ein Ärmelschonerfeeling, das man den Amerikanern schwer nahebringen kann, oder den Finnen. Das musste man kennen, aus erster, besser noch aus zweiter Hand.

Er erhob sich nicht über den deutschen Mittelstand

Uli Steins Welt war klein, und das ist nicht negativ gemeint. Als Zeichner bildete er die Erfahrungswelt der deutschen Generation mit Häuschen oder Garten ab, die wie er nach dem Krieg zu Wohlstand gekommen war. Deutsche Höf-, Gründ- und Gemütlichkeit, sie steckt in vielen von Uli Steins Bildern. Er karikierte sie nicht, er erhob sich nicht über sie. Aber als eben dieser Mittelstand in Deutschland nach der Jahrtausendwende erodierte, fiel auch Steins Humor zusehends aus der Zeit.

In den letzten Jahren machte Stein vor allem durch Anwälte von sich reden. Der Zeichner war einer der härtesten Abmahner der unlizensierten Verwendung seiner Cartoons im Internet, den Wert jedes einzelnen seiner Cartoons berechneten seine Anwälte mit Tausenden Euros.

Einen Trickfilm aus seinen Cartoons hätte er gern noch gemacht, dazu kam es nicht mehr. Vor einer Woche ist Uli Stein überraschend im Alter von 73 Jahren gestorben.

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