Am dritten Abend in Folge haben Tausende Polinnen und Polen gegen die Verschärfung der Gesetze zu Schwangerschaftsabbrüchen protestiert. Viele der Demonstrantinnen in der Hauptstadt Warschau trugen erneut Mundschutzmasken mit einem roten Blitz, dem Symbol der Bewegung für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Auch in anderen polnischen Städten fanden Proteste statt.

Die Demonstrantinnen setzten sich über das geltende Versammlungsverbot hinweg. Als die Menge in Warschau versuchte, in Richtung Verfassungsgericht zu marschieren, blockierte die Polizei den Weg. Die Beamten setzten Tränengas ein.

Am Mittwoch war das faktische Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen in Polen in Kraft getreten. Das oberste Gericht hatte im Oktober 2020 Abbrüche von Schwangerschaften mit fehlgebildeten Föten für verfassungswidrig erklärt und die ohnehin sehr restriktive Gesetzeslage weiter verschärft. Schon damals hatte es Massenproteste gegen die Gerichtsentscheidung gegeben. Am Mittwoch erklärte Polens konservative Regierung die Regelung mit der Veröffentlichung im Gesetzesblatt für wirksam.

Bislang war ein Abbruch in Polen legal, wenn die Schwangerschaft das Leben oder die Gesundheit der Mutter gefährdet, Ergebnis einer Vergewaltigung ist oder wenn das ungeborene Kind schwere Fehlbildungen aufweist. Letzteres war bislang der häufigste Grund für einen Schwangerschaftsabbruch, wie die Statistik des Gesundheitsministeriums zeigt. So wurden von den 1.110 Abtreibungen, die 2019 in polnischen Kliniken vorgenommen wurden, 1.074 mit Fehlbildungen des Fötus begründet. Bei 40 Prozent dieser Fälle spielte das Down-Syndrom bei der Indikation für den Abbruch eine Rolle. 

Bis zu 200.000 illegale Schwangerschaftsabbrüche pro Jahr

Selbst im katholisch geprägten Polen steht die Entscheidung des Gerichtshofs in einem Widerspruch zu dem, was Umfragen zufolge eine Mehrheit der Bevölkerung für richtig hält. So fanden Meinungsforscher des Instituts Ibris 2019 heraus, dass 50 Prozent der Befragten die bisherige Gesetzeslage befürworteten, während sich 30 Prozent für eine liberalere Regelung aussprachen. Nur 15 Prozent wollen demnach eine restriktivere Gesetzgebung.

Polens Menschenrechtsbeauftragter Adam Bodnar kritisierte die Verschärfung des Gesetzes. Sie zeige, dass der Staat und die Regierung die Frauen ihrer Selbstbestimmungsrechte beraubten und sie "wiederholt der Folter aussetzten".

Frauenrechtsorganisationen schätzen, dass pro Jahr etwa 200.000 Polinnen einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Die meisten von ihnen tun das illegal oder gehen für den Eingriff ins Ausland. Frauenrechtlerinnen befürchten, dass diese Zahl jetzt weiter steigen wird. Illegale Abbrüche sind häufig mit hohen Gesundheitsrisiken für Frauen verbunden.