Corona-App: Bundesregierung setzt nun doch auf dezentrale Lösung

Meinungsumschwung in der Bundesregierung: Kanzleramtschef Helge Braun gibt nun doch einer dezentralen Lösung bei der Corona-App den Vorzug.

Artikel veröffentlicht am ,
Kanzleramtschef Helge Braun verabschiedet sich von PEPP-PT.
Kanzleramtschef Helge Braun verabschiedet sich von PEPP-PT. (Bild: Fabrizio Bensch/Reuters)

Die Bundesregierung hat in der Debatte um die Entwicklung einer Corona-Tracing-App auf die starke Kritik am zentralen Ansatz reagiert. Man werde nunmehr "eine dezentrale Architektur vorantreiben, die die Kontakte nur auf den Geräten speichert und damit Vertrauen schafft", sagte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) in einem Interview mit dem ARD-Haupststadtstudio. Zuletzt hatte die Regierung einen zentralen Ansatz befürwortet, der am 1. April unter der Bezeichnung PEPP-PT vorgestellt worden war.

Allerdings hatten sich Anfang der Woche 300 internationale Wissenschaftler gegen dieses Konzept ausgesprochen. Einige der auf Bluetooth basierenden Vorschläge für Corona-Apps könnten eine Überwachung durch staatliche Akteure oder Privatunternehmen ermöglichen, die auf katastrophale Weise das Vertrauen in und die Akzeptanz für solche Anwendungen in der Gesellschaft beschädigten, hieß es in einem gemeinsamen Statement vom 20. April 2020. Am Freitag kritisierten mehrere deutsche Digitalverbände in einem Schreiben an die Regierung den zentralen Ansatz und warnten vor einer "Bruchlandung".

Apple und Google für dezentrales Konzept

Zudem stellte sich im Laufe dieser Woche heraus, dass dieser Ansatz am Widerstand der beiden Betriebssystem-Hersteller Apple und Google scheitern könnte. Beide US-Firmen bevorzugen aus Gründen des Datenschutzes eine dezentrale Auswertung der Kontaktdaten auf den Smartphones der Nutzer. Dieser Ansatz wird vom Konzept D3-PT verfolgt. Um die Bluetooth-Schnittstelle in iOS und Android zu integrieren, haben Google und Apple am 10. April eine Kooperation angekündigt. Am kommenden Dienstag soll eine erste Version veröffentlicht werden.

  • Die Entwickler von DP-3T haben bereits eine erste Version ihrer App veröffentlicht. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Die Nutzung ist nur möglich, wenn die Standortdaten freigegeben werden. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Auch die Akku-Optimierung muss deaktiviert werden. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Um seine Erkrankung melden zu können, ist ein Freischalt-Code erforderlich. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)
  • Der zeitliche Ablauf von Datenübertragungen beim Konzept DP-3T (Grafik: DP-3T)
  • Die Auswertung des Infektionsrisikos erfolgt auf den Endgeräten der Nutzer. (Grafik: DP-3T)
  • Bei PEPP-PT wird der Nutzer vom Server über ein Infektionsrisiko informiert. (Grafik: PEPP-PT)
  • Das Backend übernimmt bei PEPP-PT deutlich mehr Aufgaben als bei DP-3T. (Grafik: PEPP-PT)
  • Mehrere Backends können die Daten über kontaktierte Nutzer untereinander austauschen. (Grafik: PEPP-PT)
Die Entwickler von DP-3T haben bereits eine erste Version ihrer App veröffentlicht. (Foto: Friedhelm Greis/Golem.de)

Vor allem an der Blockade Apples drohte der zentrale Ansatz zu scheitern. Denn bislang lässt sich die Bluetooth-Technik bei iOS nicht nutzen, wenn das iPhone nicht entsperrt ist. Jedoch sollen die Smartphones auch dann untereinander IDs austauschen, wenn die Geräte nicht aktiv genutzt werden. Frankreich und Deutschland sollen daher Druck auf Apple und Google ausgeübt haben, damit die Schnittstelle mit dem zentralen Ansatz kompatibel sein sollte.

Datenspende an RKI möglich

Dabei ging es nicht nur um den Zugriff und die Weiterleitung der gespeicherten Kontaktdaten, sondern auch um die Generierung der flüchtigen IDs. Während bei PEPP-PT diese von einem zentralen Server generiert und von den Smartphones heruntergeladen werden sollen, sieht der dezentrale Ansatz eine Erzeugung der IDs in den Geräten vor. Daher gibt es keine zentrale Instanz, die die verschiedenen IDs bei gemeldeten Infektionen miteinander verknüpfen kann.

Mit Hilfe des zentralen Servers hätten Gesundheitsbehörden wie das Robert-Koch-Institut (RKI) jedoch den Verlauf von Infektionsketten besser beobachten können. In die App soll nun jedoch die Möglichkeit integriert werden, dass Bürger "freiwillig in pseudonymisierter Form Daten zur epidemiologischen Forschung und Qualitätssicherung an das RKI übermitteln können". Das sagten Braun und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) der Welt am Sonntag.

HHI zieht sich zurück

Linus Neumann vom Chaos Computer Club (CCC) begrüßte den Richtungswechsel: "Ich halte das für eine sehr gute Entscheidung", sagte er dem ARD-Hauptstadtstudio. Das Signal, das die Bundesregierung an mögliche Nutzer der App aussende, sei nun: "Du kannst uns vertrauen, weil du uns nicht vertrauen musst."

Das Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut (HHI), das als Teil der Initiative PEPP-PT die Entwicklung des zentralen Systems in Deutschland vorangetrieben hatte, wird die App-Technologie offenbar nicht weiter betreuen. Der Tagesschau zufolge hieß es in einer E-Mail an Mitarbeiter, man werde das Projekt übergeben: "Andere werden unsere bisherigen Ergebnisse nutzen können, um die dezentrale Lösung zu bauen." Man sei aber weiter davon überzeugt, das richtige Modell verfolgt zu haben. Allerdings seien "bei PEPP-PT eine Reihe von gravierenden Fehlern hinsichtlich der Kommunikation begangen" worden, "was am Ende sehr geschadet und zu dieser Entscheidung geführt hat."

Nachtrag vom 26. April 2020, 10:10 Uhr

Wir haben den Hinweis auf die Welt am Sonntag im sechsten Absatz ergänzt.

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berritorre 28. Apr 2020

Das hoffe ich. Aber ich hab' ja da meine Zweifel. Das Ding muss ja jetzt gaaanz schnell...

bombinho 27. Apr 2020

Der Abgleich erfolgt selbstverstaendlich mit einem dezentralen Register ;)

flasherle 27. Apr 2020

Okay, das hab ich bei ner schnellen Recherche gerade nicht gefunden. danke dir

Hantilles 27. Apr 2020

Die Formulierung "so genau bestimmen" hab ich als exakt eine solche Implikation...



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