Züricher Studie: Bäumepflanzen ist der beste Klimaschutz

Die Aufforstung einer Fläche von der Größe der USA würde den CO2-Gehalt in der Atmosphäre um 25 % reduzieren.

Von Stephen Leahy
Veröffentlicht am 5. Juli 2019, 18:13 MESZ
Eine Luftaufnahme des Flusses Wologda in der gleichnamigen Region in Russland. Das Land zählt zu den ...
Eine Luftaufnahme des Flusses Wologda in der gleichnamigen Region in Russland. Das Land zählt zu den besten Kandidaten für eine Aufforstung, die dabei helfen könnte, Emissionen auszugleichen.
Foto von Vladimir Smirnov, Tass, Getty

Ein Bereich von der Größe der Vereinigten Staaten könnte aufgeforstet werden und hätte dann das Potenzial, CO2-Emissionen aus fast 100 Jahren zu absorbieren. Zu diesem Schluss kam eine einzigartige Studie der ETH Zürich, die das globale Aufforstungspotenzial untersucht hat.

Der Bericht “The global tree restoration potential”, der im Fachmagazin „Science“ erschienen ist, kam zu dem Ergebnis, dass weltweit ausreichend geeignetes Land vorhanden ist, um die Waldfläche um ein Drittel zu vergrößern, ohne dabei mit bestehenden Städten oder der Landwirtschaft in Konflikt zu kommen. Allerdings schrumpft die geeignete Landfläche, je mehr die weltweiten Temperaturen steigen. Selbst, wenn die globale Erwärmung auf 1,5 °C beschränkt werden sollte, würde sich die verfügbare Landfläche für die Aufforstung bis 2050 womöglich um ein Fünftel verkleinern, da es für einige tropische Wälder dann bereits zu warm sein könnte.

„Unsere Studie zeigt deutlich, dass die Aufforstung die beste Lösung für den Klimawandel ist, die uns derzeit zur Verfügung steht“, sagte Tom Crowther, ein Forscher der ETH Zürich und Hauptautor der Studie.

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Das ändere aber nichts daran, dass bestehende Wälder geschützt und die Nutzung fossiler Brennstoffe dringend verringert werden müsse, da neue Wälder Jahrzehnte bräuchten, um zu wachsen, sagte Crowther in einer Mitteilung.

„Wenn wir jetzt handeln, könnten wir den CO2-Gehalt in der Atmosphäre um 25 Prozent verringern. Solche Mengen gab es zuletzt vor fast einem Jahrhundert“, sagte er.

Eine Maßnahme mit vielen Vorteilen

Es könnte mehr als 100 Jahre dauern, ausreichend ausgewachsenen Wald heranzuziehen, um genügend CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen. Derweil werden durch die Nutzung fossiler Brennstoffe jedes Jahr 40 Milliarden Tonnen Kohlendioxid ausgestoßen, erzählt Glen Peters, der Forschungsdirektor des norwegischen Zentrums für Internationale Klimaforschung.

„Die einzige Möglichkeit, um unter 1,5 oder 2 °C zu bleiben, besteht darin, die fossilen Brennstoffe aufzugeben“, schrieb Peters in einer E-Mail.

Das bedeutet, dass keine neue Infrastruktur für die Nutzung fossiler Brennstoffe gebaut werden darf und einige Kraftwerke frühzeitig abgeschaltet werden müssten, wie es in einer großen Studie heißt, die am 1. Juli 2019 im Fachmagazin „Nature“ erschienen ist.

Eine CO2-Absorption im großen Maßstab, wie sie durch Aufforstung stattfinden könnte, würde dabei helfen, die Emissionen aus Sektoren wie der Luftfahrt auszugleichen, wo es bisher noch keine Alternativen gibt. Vielleicht würde sie auch dabei helfen, die Temperaturen zu senken, sagte er.

Bäume absorbieren massenhaft CO2

Bäume – und im Grunde alle Pflanzen – nutzen das Licht der Sonne, um bei der Fotosynthese das CO2 aus der Luft und dem Wasser zu ziehen. Dabei entsteht Sauerstoff, den die Pflanzen in die Luft abgeben. Neben dem Kohlendioxid, das die Bäume aus der Umwelt aufnehmen, helfen sie auch dabei, große Mengen CO2 im Boden zu speichern.

Forscher untersuchten fast 80.000 hochauflösende Satellitenbilder von geschützten Wäldern in einer Reihe verschiedener Ökosysteme, um herauszufinden, wie dicht der natürliche Baumbestand jeweils ist. Diese Daten kombinierten sie mit einer Kartierungssoftware der Google Earth Engine, um ein Vorhersagemodell zu erstellen, mit dem sie den potenziell möglichen Baumbestand auf der ganzen Welt kartierten.

Dabei zeigte sich, dass mehr als die Hälfte der Fläche für die potenzielle Aufforstung auf nur sechs Länder entfällt: Russland (151 Millionen Hektar); USA (103 Millionen); Kanada (78 Millionen); Australien (58 Millionen); Brasilien (50 Millionen); und China (40 Millionen). Diese Länder bergen vor allem deshalb so ein großes Potenzial, weil sie einen Großteil ihrer ursprünglichen Wälder bereits abgeholzt haben, erklärte der Hauptautor Jean-Francois Bastin von der ETH Zürich.

„Jeder kann einen Baum pflanzen und wir können schon morgen damit beginnen. Die Aufforstung kann uns mehr Zeit verschaffen, um unserem CO2-Ausstoß zu reduzieren“, sagte Bastin.

Zwar können auch Monokulturen in Form von Wäldern CO2 speichern, allerdings sind dort nicht so viele wichtige Wildtiere wie beispielsweise Bestäuber heimisch, deren Rückgang sehr besorgniserregend ist, wie er sagte.

„Meiner Meinung nach bedeutet unsere Studie, dass wir den Wald als den besten Verbündeten der Menschheit beim Schutz unseres Klimas und unseres Lebenserhaltungssystems respektieren müssen“, sagt er.

Afrikas Potenzial für Aufforstungen

Geeignete Landflächen für die Aufforstung sind allerdings nur ein Faktor. Auch über ihre Fähigkeit zur CO2-Absorption hinaus haben Wälder eine große Bedeutung. In tropischen Regenwäldern leben beispielsweise 90 Prozent aller terrestrischen Arten, sagte Robin Chazdon, eine Ökologin der University of Connecticut.

Der Klimawandel ist nicht die einzige große Herausforderung beim Thema Umwelt. 2019 warnte eine globale Bewertung der UN bereits davor, dass eine Millionen Arten auszustehen drohen und damit die Grundlage unserer Wirtschaft, Ernährungssicherheit, Gesundheit und Lebensqualität gefährdet ist.

Bis ein neuer Wald entsteht, vergeht viel Zeit. Deshalb müssen sich für die lokale Bevölkerung ebenso wie für die gesamte Gesellschaft noch mehr Vorteile aus solchen Projekten ergeben, sagte Chazdon. Zusammen mit elf anderen Experten nutzte sie hochauflösende Satellitenbilder und die aktuellsten Studien, um die Regionen nach den Vorteilen zu sortieren, die sich aus einer Aufforstung ergeben. Dabei berücksichtigte sie Faktoren wie den CO2-Gehalt, den Wasserhaushalt, die heimische Flora und Fauna sowie die Kosten und Risiken solcher Projekte.

“Wenn wir keine grundlegenden Änderungen herbeiführen, wird sich die Situation für die Menschheit nur noch verschlimmern. ”

von ROBIN CHAZDON
Ökologin der University of Connecticut

Insgesamt identifizierten sie mehr als 100 Millionen Hektar verschwundener tropischer Regenwälder in Mittel- und Südamerika, Afrika und Südostasien. Ihre Ergebnisse erschienen am 3. Juli in „Science Advances“.

Die besten Orte für die Aufforstung von Wäldern befinden sich allesamt in Afrika: Ruanda, Uganda, Burundi, Togo, Südsudan und Madagaskar. Die Aufforstung einiger Ackerflächen und Weideländer an Waldrändern würde bei wenig Kosten und geringem Risiko große Möglichkeiten für den Schutz der Artenvielfalt bieten. Gleichzeitig würde sie bei genügend finanzieller Unterstützung auch diverse Vorteile für die lokale Bevölkerung mit sich bringen, erklärte Chazdon.

Vielfältige Möglichkeiten für Pflanzungen

Die Wiederaufforstung könne viele Gestalten annehmen, von der Baumpflanzung auf Weideflächen über den Anbau von Kaffee und Kakao unter dem Blätterdach des Waldes bis hin zu Pufferzonen für Nationalparks und Schutzgebiete, die auch dem Tourismus zugutekämen.

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 „Viele Einheimische wollen, dass so etwas gemacht wird. Aber sie müssen sich involvieren und das unterstützen, ansonsten wird das nicht funktionieren“, so Chazdon.

Mindestens die Hälfte aller Landflächen befindet sich im Besitz von Ureinwohnern und Gemeinden, darunter auch die meisten Tropenwälder. Die Abholzungsraten sind in jenen Wäldern deutlich geringer, in denen der Besitzanspruch indigener Gemeinden anerkannt wird.

„Wir sind seit Generationen die Wächter dieser Ländereien […] Wir verstehen, wie man sie wiederherstellt und sie gesund hält“, sagte Joan Carling, ein Mitglied des Stammes der Kankanaey auf den Philippinen und Vertreterin der Indigenous Peoples Major Group for Sustainable Development.

„Wenn unser Land und unsere Ressourcen gesichert sind, können wir verhindern, dass zerstörerische Praktiken wie Abholzung, Bergbau, Agribusiness und andere Projekte auf unserem Territorium betrieben werden“, schrieb Carling in einer E-Mail.

Gerade diese Sicherheit ist in vielen Regionen bedroht – Brasilien ist da nur das jüngste Beispiel. Laut aktuellen Berichten schreitet die Entwaldung im Amazonas unter der neuen brasilianischen Regierung schneller voran als zuvor. Satellitenbilder offenbaren, dass pro Minute eine Fläche von der Größe eines Fußballfeldes abgeholzt wird. Im Juni 2019 war der Waldverlust 88 Prozent größer als noch ein Jahr zuvor.

Eine Reihe internationaler Projekte widmet sich bereits der Sicherung bestehender Wälder sowie der Wiederaufforstung, darunter auch die Bonn Challenge. Dabei haben 59 Länder zugestimmt, bis 2020 insgesamt 150 Millionen Hektar Wald wiederherzustellen und 350 Millionen Hektar bis 2030.

Im Rahmen der New York Declaration on Forests haben die beteiligten Länder zudem zugestimmt, die Abholzungsrate bis zum Jahr 2020 zu halbieren und bis zum Jahr 2030 auf null zurückzufahren. Zusätzlich sollen hunderte Millionen Hektar degradierten Landes wiederhergestellt werden.

Die Trillion Tree Campaign, über die National Geographic bereits berichtet hat, mobilisiert derweil Schüler und Gemeinden auf der ganzen Welt, die seit 2007 bereits 13,6 Milliarden Bäume gepflanzt haben. Das Projekt wurde in Deutschland vom damals neun Jahre alten Schüler Felix Finkbeiner ins Leben gerufen.

„Wenn wir keine grundlegenden Änderungen herbeiführen, wird sich die Situation für die Menschheit nur noch verschlimmern“, sagte Chazdon. „Die Aufforstung kann eine Menge Probleme lösen.“

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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