Kolumne

Weiterbildung : Wie ein Barcamp die Schule verändern kann

Viele Schulen wollen mehr Demokratie in ihren Alltag bringen und die ganze Schulgemeinschaft zu mehr Beteiligung und Engagement aufrufen. Der Weg dahin kann über ein Barcamp führen – eine Art „Unkonferenz“, die vor 15 Jahren erstmals stattfand. Hier gibt es keine festgelegte Tagesordnung, jeder soll sich und sein Anliegen einbringen. Ein Barcamp könnte in Schulen eine neue Kultur des Miteinanders entstehen lassen, findet Dejan Mihajlović in seiner neuen Kolumne für das Schulportal.

Dejan Mihajlović
Drei Zahnräder greifen ineinander
Bei einem Barcamp bringen alle Beteiligten Vorschläge und Ideen ein, die im besten Fall wie Zahnräder ineinander greifen.
©getty images

Vor 15 Jahren wurde das Barcamp als eine Art „Unkonferenz“ in Kalifornien ins Leben gerufen. Heute gibt es dieses Format weltweit in allen möglichen Bereichen und erfährt zunehmend Beliebtheit – eben weil es mehr ist als ein Format. Es schafft Freiräume, eröffnet neue Wege, weckt Neugier, macht nicht nur Bedarfe und Bedürfnisse sichtbar, sondern steht auch für ein Zutrauen und die Übertragung der Verantwortung an alle Beteiligten. Eine Kultur des Miteinanders, die Schulen gut stehen würde.

Vorgegeben ist beim Barcamp meist nur ein übergreifendes Thema. Alle Anwesenden handeln das Tagesprogramm erst am Tag selbst und vor Ort miteinander aus, indem sie Ideen und Fragen einbringen, über die sie im Plenum abstimmen lassen. Den Rahmen dafür setzen mehrere 45-minütige Sessions, die zeitgleich in verschiedenen Räumen stattfinden. Jede Person kann frei entscheiden, an welcher Stelle, in welcher Art und wie lange sie sich beteiligen möchte. Die Sessions werden dokumentiert. Dies ist nur die grobe Skizze eines Barcamps. Wer ein Barcamp wirklich verstehen möchte, muss es erleben.

Um die Ideen aus dem Barcamp weiterzuentwickeln, braucht es Freiraum

Vor sieben Jahren fand mit dem Wuppertaler Lehrer Felix Schaumburg bereits eines der ersten Barcamps – wenn nicht das erste – im Rahmen von Schulentwicklung in Deutschland statt. Nach seinem Vorbild habe ich es 2017 an meiner Schule durchgeführt und biete seither Barcamps als schulinterne Fortbildung im Rahmen eines pädagogischen Tages an. Einmal im Netz dokumentiert, wurde diese Idee mittlerweile bundesweit aufgegriffen und in zahlreichen Kontexten und mit verschiedenen Personenkreisen umgesetzt. Sogar einen regulären Schultag und Studientag gab es schon als Barcamp. Was aber alle eint, ist die immer gleiche Rückmeldung von Lehrenden und Lernenden am Ende einer solchen Veranstaltung: sich mehr davon im Alltagsbetrieb zu wünschen.

Wenn ein Barcamp nur eine Abwechslung zu den üblichen Tagungen und Fortbildungen sein soll, kann es bestenfalls ein Strohfeuer sein.

Was ein Barcamp leisten kann, hängt nicht nur von dem Format selbst ab, sondern auch von der Absicht, in der es gewählt wird. Wenn es nur eine Abwechslung zu den üblichen Tagungen und Fortbildungen sein soll, kann es bestenfalls ein Strohfeuer sein, das aber schlimmstenfalls falsche Hoffnungen und Erwartungen weckt und sogar zusätzlichen Frust erzeugen kann. Als Auftakt für einen Schulentwicklungsprozess, um einen anderen Weg einzuschlagen, kann es dagegen Energien freisetzen, Kreativität entfalten, unbekannte Qualitäten sichtbar machen und eine neue Form der Schulkultur einleiten.

Ein Barcamp bietet die Möglichkeit zum Rollentausch zwischen Lernenden und Lehrenden

Dafür braucht es weitere Freiräume im Schulalltag, innerhalb derer an Ideen und Ansätzen aus den Barcamp-Sessions weitergearbeitet werden kann. Das können zum Beispiel im Schuljahr festgelegte Zeitfenster an Nachmittagen sein. An manchen Schulen werden Fortbildungsbedarfe, die sich aus einem Barcamp ergeben, über Mikro-Fortbildungen gedeckt. Dabei hängen Zettel mit den gewünschten Angeboten in Lehrerzimmern aus, auf denen sich Interessentinnen und Interessenten eintragen können.

Wenn die zuvor bestimmte Mindestzahl an Interessierten erreicht ist, wird mit allen ein Termin vereinbart. Besonders Lehrerkonferenzen bergen einiges an Potenzial, wenn es darum geht, Zeit für weitere Prozesse zu schaffen, die einem Barcamp entspringen. Hier sollte man auch genauer prüfen, welche Informationen sich auch via E-Mail kommunizieren lassen.

Was wäre zum Beispiel, wenn ein Schultag in der Woche ein Barcamp wäre? Ein Tag, an dem Lehrende und Lernende die Rollen wechseln und der Austausch von Wissen, Können oder Erfahrungen im Mittelpunkt stünde. Ein Tag, an dem jede Person mitgestalten und sich einbringen könnte, weil im regulären Rahmen von Schule und Unterricht bisher dafür kein Raum vorhanden war – Raum für die verborgenen Talente, Ideen und persönlichen Interessen von Schülerinnen und Schülern. Es wäre ein Tag, der nicht die Schulstruktur, aber die Schulkultur grundsätzlich ändern würde.

Zur Person

  • Dejan Mihajlović unterrichtet Mathematik, Geschichte, Chemie und Ethik an der Freiburger Pestalozzi-Realschule.
  • Darüber hinaus arbeitet Dejan Mihajlović unter anderem als Fachberater für Schul- und Unterrichtsentwicklung beim Staatlichen Schulamt und als Beauftragter für SchülerMitVerantwortung (SMV) beim Regierungspräsidium in Baden-Württemberg.
  • Dejan Mihajlovićs Schwerpunktthema ist „Zeitgemäße Bildung im digitalen Wandel“. Zu diesem Thema hält er regelmäßig Vorträge, veranstaltet Workshops, moderiert und organisiert Veranstaltungen. Außerdem berichtet er darüber in seinem Blog „Dejan Mihajlović – Bildung von morgen heute schon denken“.
  • Für das Schulportal schreibt Dejan Mihajlović regelmäßig Gastbeiträge.