Wer gegen das Coronavirus geimpft ist, soll nach Plänen von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in den nächsten Wochen bestimmte Freiheiten zurückbekommen. "Wer geimpft ist, kann ohne weiteren Test ins Geschäft oder zum Friseur. Zudem müssen nach Einschätzung des RKI vollständig Geimpfte auch nicht mehr in Quarantäne", sagte der CDU-Politiker der Bild am Sonntag. Grundlage ist dem Bericht zufolge eine Auswertung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse durch das Robert Koch-Institut (RKI).

In einem RKI-Bericht an Spahns Ministerium, der dem Blatt vorliegt, heißt es demnach: "Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist das Risiko einer Virusübertragung durch Personen, die vollständig geimpft wurden, spätestens zum Zeitpunkt ab dem 15. Tag nach Gabe der zweiten Impfdosis geringer als bei Vorliegen eines negativen Antigen-Schnelltests bei symptomlosen infizierten Personen."

Der Bericht wurde laut BamS am Samstag an die Länder verschickt. Die Ministerpräsidentenkonferenz hatte das RKI um die Analyse gebeten.

Mit Schnelltest oder Impfung zum Friseur

Spahn sagte dazu: "Wer vollständig geimpft wurde, kann in Zukunft wie jemand behandelt werden, der negativ getestet wurde." Wenn die dritte Welle der Corona-Pandemie gebrochen sei und weitere auf Schnelltests beruhende Öffnungsschritte wie beim Einzelhandel gegangen würden, käme diese Grundsatzentscheidung zum Tragen. "Wir werden diese Erkenntnisse nun zeitnah in Gesprächen mit den Ländern in die Praxis bringen", sagte der Minister.

Über Sonderrechte für Geimpfte wird in Deutschland bislang viel und kontrovers diskutiert: Der Ethikrat hatte vor der RKI-Analyse im Februar davor gewarnt, Geimpften mehr Rechte einzuräumen – selbst wenn sich, wie jetzt geschehen, herausstellen sollte, dass sie kaum ansteckend seien. Dies könne als ungerecht empfunden werden und die Solidarität und "die Bereitschaft zur Regelbefolgung mindern und damit die Maßnahmen zur Pandemieeindämmung unterlaufen, die dem Gesundheitsschutz aller dienen".

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministers sind bisher mehr als zwölf Prozent der Menschen in Deutschland mindestens einmal gegen das Coronavirus geimpft worden. Das seien mehr als zehn Millionen Bürgerinnen und Bürger, schrieb Spahn am Samstag auf Twitter. 4,3 Millionen Menschen haben demnach bereits die zweite Impfung erhalten. Allein am Freitag wurden nach Angaben des Robert Koch-Instituts und des Gesundheitsministeriums rund 217.000 Dosen geimpft. Bisher wurden Spahn zufolge knapp 10,7 Millionen Dosen des BioNTech/Pfizer-Impfstoffs verabreicht, 0,7 Millionen Dosen von Moderna und 2,9 Millionen Dosen AstraZeneca.

Hausärzte starten Impfen nach Ostern

Der Hausärzteverband rät dazu, nach dem breiten Start der Corona-Impfungen in den Praxen die Priorisierung beim Impfen mit steigenden Liefermengen an Impfstoff in den Hintergrund treten zu lassen. In der Woche nach Ostern starten etwa 35.000 Hausärzte auf breiter Front mit den Impfungen gegen das Coronavirus. "Die Priorisierung war und ist eine gute Leitlinie für die Ärztinnen und Ärzte, solange der Impfstoff noch in geringen Mengen verfügbar ist", sagte Verbandschef Ulrich Weigeldt der Rheinischen Post.

"Allerdings werden wir bald nicht mehr so sehr auf Zahlen, sondern zunehmend auf die Gesundheit der Menschen schauen müssen", sagte Weigeldt. "Ein Mann von 69 Jahren mit Hypertonus und Diabetes sollte vielleicht eher die Impfung erhalten als eine 72-jährige Triathletin." Wenn die Impfstoffmenge ein bestimmtes Maß überschritten habe, müsse die Priorität sein, "den zugelassenen Impfstoff schnellstmöglich allen, die können und wollen, zu impfen."