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Drogen-"Polizeiruf" Magdeburg ist auf Heroin gebaut

Dealer, Drogenbosse und Töchter, die ohne Mütter aufwachsen: Der neue MDR-"Polizeiruf" mit Claudia Michelsen erzählt vom Heroin-Elend in Magdeburg.
Verschlossene Räume, verdrängte Traumata: Kommissarin Brasch (Claudia Michelsen) mit der Tochter des drogensüchtigen Mordopfers

Verschlossene Räume, verdrängte Traumata: Kommissarin Brasch (Claudia Michelsen) mit der Tochter des drogensüchtigen Mordopfers

Foto: Stefan Erhard / MDR

Ein Raum wie ein Museum. Es ist das Jugendzimmer einer toten jungen Frau, die Eltern haben es seit Jahren verschlossen gehalten. Auf dem Bett ein Teddy, an der Wand Fotos aus glücklichen Tagen. Die Kommissarin schnüffelt zwischen den Mädchensachen herum, der Vater schaut durch den Türspalt ins Reich der Toten.

Dann spricht der Alte diese grausamen Worte, die klingen, als suche er bei der Polizistin Absolution: "Als ich von ihrem Tod erfuhr, war ich erleichtert: Jetzt ist es vorbei! Darf man so was von seinem eigenen Kind denken?"

Dieser "Polizeiruf" ist ein psychologischer Krimi, der in seinen guten Momenten ohne großes Bohei in verschlossene Räume eindringt und in verdrängte Familientraumata eintaucht. Tut weh.

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"Polizeiruf" aus Magdeburg: "Tod einer Toten"

Foto: Stefan Erhard / MDR

Eine junge Frau wurde an einer Landstraße nahe Magdeburg mit einem Nahschuss in den Hinterkopf getötet. Eine Hinrichtung nach Mafiaart. Das Absurde: Die junge Frau - eben jene, deren Zimmer die Kommissarin durchwühlt - wurde schon vor Jahren einmal für tot erklärt. Wie sich schnell herausstellt, war ihr Ableben nur fingiert, damit sie mit neuer Identität in einem Zeugenschutzprogramm untertauchen konnte.

Damals hatte sie gegen einen Drogenboss ausgesagt, bei ihrer Erschießung nun könnten dessen Schergen ihre Finger im Spiel gehabt haben. Kommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) recherchiert in Magdeburgs Drogenszene. Sie trifft Dealer, die inzwischen im Darknet ihr Heroin verticken. Sie trifft Fixer auf der Suche nach dem nächsten Schuss. Sie trifft einen Gangsterboss, der im Gefängnis sitzt. Und sie trifft eine Gangsterfrau, die hinter der Fassade einer Immobilienfirma offenbar die Geschäfte des eingebuchteten Gatten weiterführt.

Magdeburg ist nicht Tijuana

Gespielt wird die Mafiabraut von Deborah Kaufmann, der Hotelchefin Tiedemann aus der Netflix-Serie "Dark". Die Figur erinnert ein bisschen an Steven Soderberghs Drogenpanorama "Traffic - die Macht des Kartells", wo Catherine Zeta-Jones als Gangstergattin auf einmal knallhart die Geschäfte des verhafteten Mannes in die Hand nimmt und zwischen dem nördlichen Mexiko und den südlichen USA am Laufen hält.

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Kommissar-Karussell: Alle »Tatort«-Teams im Überblick

Foto: Claudia Konerding / dpa

Nun ist Magdeburg nicht Tijuana, doch Regisseur und Autor David Nawrath und seinen Mitautoren Michael Ganthenberg und Paul Salisbury gelingt es über Strecken recht gut, den Drogenplot vor dem eher nicht so schauwertstarken Hintergrund der sachsen-anhaltischen Provinz auszubreiten. Magdeburg, so wie wir es in diesem "Polizeiruf" sehen, scheint zu Teilen auf Heroin gebaut.

Dabei wird hier gar nicht er versucht, über Verfolgungsjagden oder Schusswechsel US-Thriller-Flair zu kopieren. Einmal läuft ein Flüchtiger über einen Acker, das muss an Action reichen. Die Filmemacher rücken das emotionale Zentrum der Geschichte auf den Bauernhof, wo Ermittlerin Brasch die dreijährige Tochter der Ermordeten abliefert, damit diese beim Großvater aufwachsen kann.

Viele Ideen in "Tod einer Toten" gehen nicht ganz auf; man merkt, dass der Magdeburger "Polizeiruf" nach seinen etlichen Ermittler- und Sidekick-Abgängen immer noch um eine Formel ringt, um die Soloaktionen von Brasch plausibel erscheinen zu lassen. Aber wie sich in dieser Episode sukzessive unter dem Drogenplot das Drama von Eltern auftut, die sich von ihren Kindern entfremdet haben, das wühlt auf.

Bewertung: 6 von 10 Punkten

"Polizeiruf: Tod einer Toten", Sonntag, 20.15 Uhr, ARD

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