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Geschichten

Marcel (21) erzählt von seinem Coming-out

Marcel (21) erzählt von seinem Coming-out

Marcel

Hi, ich bin Marcel, 21 Jahre jung und möchte dir meine komplette Story von der Kindheit bis zum kompletten Outing erzählen. Viel Spaß beim Lesen und vielleicht erkennst du dich in ein paar Textstellen wieder.

Im Inneren wusste ich eigentlich schon recht früh, zu Beginn der Pubertät, dass ich mich mehr zu Jungs hingezogen fühle als zu Mädchen. Mit etwa 11/12 habe ich bereits schon mit einem Klassenkameraden sowie mit einem Nachbarsjungen sexuell rumexperimentiert. Wir wussten schon, dass es irgendwie „komisch“ war unter Jungs. Aber den Gedanken, dass wir schwul sein könnten haben wir eigentlich nie an uns heran gelassen. Dazu waren wir aber auch noch zu jung. 

Wir haben experimentiert und uns befriedigt weil es einfach Spaß gemacht hatte. Diese Experimente gingen Jahre lang. Irgendwann hatten die sexuellen Spiele aufgehört, da ich umzog. 

Als ich die 10. Klasse besucht habe – damals war ich 16 – fand ich einen Jungen in der Klasse mega heiß. Eine super Freundschaft entwickelte sich und mir wurde bewusst, dass er mein Traumprinz ist! Es hat einfach alles gepasst. Ab da hab ich mir dann sehr viele Gedanken übers „schwul sein“ gemacht. Mit meinem damals besten Freund ging es dann soweit, dass wir sexuell aktiv wurden. Es war aber auch mehr das „experimentelle“ – für ihn jedenfalls. Danach war ich mir sicher, diesen Weg mit ihm gehen zu wollen, da alles gepasst hat. 

Ich habe mich bei ihm geoutet und er hat es positiv aufgenommen. Ich habe ihm auch signalisiert, dass ich mich in ihn verliebt habe. Leider kam dann die riesige Katastrophe: Er sagte mir, dass er hetero sei! Was für ein Schlag in die Fresse! Ich malte mir in Gedanken schon eine geniale Beziehung aus, wie es wohl ist, wenn wir zusammen ziehen und so. Leider verstehe ich das alles bis heute nicht. 

Aber es ist wohl der Frust. Ich muss gestehen, dass ich bis heute nicht darüber weg gekommen bin. Für mich war er einfach der Traumprinz. Von seinem Charakter, seine Hobbys und seinem Aussehen! 

Bloß wie komm ich mit dieser Katastrophe klar?

Es blieb für mich nur eine Möglichkeit: Eine schmerzliche Trennung. Ich habe den Kontakt zu ihm abgebrochen, mit der Hoffnung er findet doch noch zu mir. Aber vergeblich. Bis heute. Von seiner Seite aus wollte er die Freundschaft noch aufrechterhalten. Aber dadurch malte ich mir immer Hoffnungen aus, deshalb machte eine normale Freundschaft, von mir aus gesehen, keinen Sinn mehr. Hoffentlich kann ich bald einen kompletten Schnitt machen und ihn aus Facebook usw. entfernen. 

Seit diesem Erlebnis mit meinem damaligen besten Kumpel, habe ich mir sehr, sehr viele Gedanken gemacht. Für mich war klar: Ich muss diesen Weg (also das „Schwul sein“) gehen und möchte irgendwann offen leben. Ich habe viel im Internet gelesen, recherchiert und Videos angeguckt. 

Auf dbna bin ich gestoßen, wo ich mich gleich angemeldet habe. Damals noch ohne Profilbild und mein ganzes Profil ähnelte wie einer Geisterstadt! Ich hatte einfach zu viel Angst etwas von mir preiszugeben, da ich praktisch ungeoutet war. 

Im Sommer 2015 bin ich per Zufall auf den YouTuber und Sänger Troye Sivan gestoßen. Ich habe seine Videos angeschaut, wobei mir auch sein Coming Out Video ins Blickfeld geriet. Als er seine EP „Wild“ und die damit verbundenen Musikvideos veröffentlichte, brach bei mir endgültig das Eis. Ich habe mich in so vielen Text- und Videostellen wiedergesehen und mir war klar, dass das Coming Out bald geschehen muss! 

Es war September 2015, als meine Mutter mit mir Urlaub am Bodensee machen wollte. (Meine Eltern sind geschieden und ich wohne derzeit bei meinem Vater). Da mein Cousin mein engster Vertrauter ist, habe ich mich paar Tage vor dem Urlaub bei ihm über WhatsApp geoutet. Er hat mich dann direkt angerufen und mich ausgequetscht. Aber er hat es super positiv aufgenommen. 

An einem Montag startete der Urlaub dann und ich fragte mich, wie ich es meinen Eltern beibringen könnte, dass ich schwul bin. Mein Vater fuhr mich zum Bahnhof und als wir am Bahnhof waren sagte ich zu ihm: „Du Papa, du wirst wohl nie ein Enkelkind von mir bekommen, wie du dir das immer gewünscht hast“. Mein Vater: „Bist du schwul?“. Ich: „ja ich bin Schwul“. Er: „Bist du dir sicher?“ Ich: „JAAA, sonst hätte ich es dir doch nicht gesagt“. Mein Vater: „Naja wir reden darüber, wenn du wieder zurück bist.“

Ich stieg dann in den Zug, wo meine Mutter schon auf mich wartete. Ich habe mir aber nichts anmerken lassen, dass ich mich vor 5 Minuten bei meinem Vater outete. Über der ganzen Zugfahrt habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich es meiner Mutter erzählen könnte und welcher der "richtige" Moment sei. 

Bei den vermeintlichen richtigen Momenten patzte ich trotzdem. Aus Angst. Warum nur? Das kann doch nicht so schwer sein? Sie wird es doch sicherlich verstehen?! 

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Letztendlich habe ich es auf den letzten Urlaubstag geschoben. Wir wollten vor der Rückfahrt noch am Hafen spazieren gehen. Das war der letzte Moment, dachte ich. Plötzlich sahen wir aber, dass ein früherer Zug fährt. Also war mein letzter Moment auch dahin. Ich war voller Panik, da ich nicht wusste, wie ich das jetzt in Ruhe anstellen sollte. Direkt im Zug, zeigte ich auf einen Regenbogenanhänger an ihrer Jacke und sagte, dass ich auch der Regenbogenfamilie angehöre (Sie ist nämlich lesbisch…). 

Es herrschte erstmal Stille bei ihr. Sie kapierte es gar nicht, worauf ich anspielte. Ich: „Mama ich bin schwul!“. Nach einer gewissen Zeit realisierte sie das erst. Sie war total überrascht und leicht geschockt. Über der gesamten Zugfahrt stellte sie mir Tausende von Fragen, wie z.B. ich gemerkt habe, dass ich schwul bin oder auch seit wann mir diese Gedanken kamen. 

Sie hat mein Outing positiv aufgenommen und seitdem ist unser Verhältnis besser denn je. Wir können nun offener über solche Themen reden. Als ich dann wieder bei meinem Vater zu Hause war, sagte er erst nichts. Am nächsten Tag kam er in mein Zimmer und wollte mich sprechen. Er kam mit dem „Argument“, dass schwul nicht christlich sei (Mein Vater war Pfarrer bei einer Freikirche). Daraufhin sagte ich, ob er ach so christlich sei, da er schon eine Scheidung hinter sich hat und die zweite Ehe auch nicht prickelnd läuft. Somit war das Gespräch schnell beendet. Ich denke und hoffe, dass er meine sexuelle Orientierung respektiert und akzeptiert. 

Das komplette Outing bei meinen ganzen Freunden geschah dann ein paar Tage später. Ich radelte an einen nahe gelegenen See und setzte mich an den Steg. Dort drehte ich ein kurzes Video, wo ich mich outete. Danach habe ich dieses Video auf Facebook gestellt. Ich bekam erstaunlicherweise nur positives Feedback. Lag vielleicht daran, dass ich im Video deutlich gesagt habe, dass Leute die mich nicht so akzeptieren bitte kommentarlos mich aus der Freundschaftsliste entfernen sollen. 

Mein Outing bereue ich keinesfalls! Ich fühle mich echt befreit! Dieses Gefühl ist einfach unbeschreiblich und ich kann endlich offen über meine Homosexualität sprechen.

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