Auch im Europaparlament soll es zu Fällen schwerwiegender sexueller Belästigung gekommen sein. EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani sprach in Straßburg von schockierenden Anschuldigungen und kündigte an, dass das Präsidium sich unverzüglich mit der Frage befassen werde. Zugleich erinnerte der italienische Christdemokrat daran, dass das Parlament im vergangenen Jahr eine Anlaufstelle geschaffen habe, die Beschwerden dieser Art prüfen und mögliche Opfer beraten solle. 

Eine externe Untersuchung, wie von einem sozialdemokratischen Abgeordneten angeregt, soll es nach Tajanis Willen aber vorest nicht geben. Zum Auftakt seiner Sitzung beschloss das EU-Parlament am Montag in Straßburg für den Mittwoch eine Dringlichkeitsdebatte zu dem Thema.

Die britische Zeitung The Sunday Times und andere Medien hatten zuvor schwere Vorwürfe von Parlamentsmitarbeiterinnen öffentlich gemacht. So sollen männliche Abgeordnete Frauen auf verschiedenste Arten sexuell bedrängt oder begrapscht haben. In einem Fall habe ein Parlamentarier vor einer jungen Assistentin masturbiert, schreibt die Times. Der Zeitung zufolge sind unter den Beschuldigten mindestens zwei deutsche Abgeordnete. Einer von ihnen wird als "führend" bezeichnet.

Keine Vorwürfe beim Beschwerdeausschuss

Namentlich genannt wird in dem Bericht allerdings lediglich ein 71 Jahre alter französischer Grünen-Politiker, der der Mitarbeiterin eines anderen Abgeordneten eine unsittliche Textnachricht geschrieben haben soll. Die Identitäten der anderen Beschuldigten enthüllte das Blatt nicht – nach eigenen Angaben auf Wunsch der Parlamentsmitarbeiterinnen. Die Frauen hätten Angst um ihre Karrieren und fürchteten eine mögliche juristische Auseinandersetzung.

Ein Sprecher des EU-Parlaments sagte, dass dem zuständigen Beschwerdeausschuss bislang noch keine Belästigungsvorwürfe angezeigt worden seien.

Dass die Betroffenen von den Vorwürfen berichteten, erklärt das Blatt mit dem Skandal um den US-Filmproduzenten Harvey Weinstein. Seit den Missbrauchsvorwürfen gegen den Mann berichten Frauen in aller Welt unter dem Stichwort #metoo von schlechten Erfahrungen.

Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz sei eine schreckliche Art von Machtmissbrauch, kommentierte die deutsche Grünen-Politikerin Terry Reintke. Sie ermutige alle betroffenen Parlamentsmitarbeiterinnen, Übergriffe beim zuständigen Ausschuss anzuzeigen. "Jeder Fall von sexueller Belästigung muss untersucht werden", ergänzte die österreichische Grünen-Abgeordnete Monika Vana.