Kritik am öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist gerade wieder aktuell; vielleicht auch deshalb, weil es an Sternstunden fehlt? Die Anstalten argumentieren dagegen mit "Publikumsinteresse" und dem uns "Vermittelbaren". Als wären wir Zuschauer alle krank, als müsste uns täglich das Fieber gemessen werden. Etwas Anspruchsvolles traut man uns gar nicht mehr zu.

Dass es anders geht, zeigt ein Film, von dem man es zunächst gar nicht vermuten würde, denn er handelt vordergründig nicht von bedenklichen Rückkopplungsphänomenen in der Mediengesellschaft, sondern vom Jazz. Aber indem es um den Echo Jazz geht, ist die Rückkopplung schon da. Ein Echo ist ja das, was zu einem zurückkommt, bis man es nicht mehr hören kann.

Der Echo Jazz ist ein Preis, den die deutsche Musikindustrie einmal im Jahr verleiht; großartige Künstler sollen prämiert werden. Im Juni 2017 inszenierte man die Gala auf einem Hamburger Werftgelände. Zwischen den Hafenkränen gibt es einen roten Teppich und viel Chichi, das an die Verleihung der Grammy Awards erinnern soll, an Möchtegerneritis und Künstlichkeit aber kaum zu überbieten ist und mit Jazz wenig zu tun hat.

Jan Bäumers Film Der Preis der Anna-Lena Schnabel begleitet die junge Saxofonistin, die für ihr erstes Album Books, Bottles & Bamboo die Auszeichung als "Newcomerin" erhalten soll. Die Kamera zeigt sie vor der Vergabe, während ihrer Dankesrede und bei ihrem Auftritt. Aber schon zu Anfang der grandios geschnittenen Dokumentation erfährt der Zuschauer, was man zunächst kaum glauben mag: Dass die Preisträgerin bei der Preisverleihung keines ihrer eigenen Stücke spielen darf. Das hat der NDR so bestimmt, dessen tutige Fernsehsparte die Show überträgt: Die Musik sei nicht gefällig genug, da würden die Leute wegschalten.

So erzählt es die 28-Jährige in die Kamera und sieht dabei so aus, als ob sie es selbst noch nicht glauben kann. Fürderhin ringt sie mit der Frage, ob sie vielleicht auf der falschen Veranstaltung ist und den Preis lieber gar nicht annehmen sollte.

Dieses Ringen dauert 45 Minuten, in denen viele Beteiligte das Wort ergreifen, und man möchte keine Minute missen, denn selten hat man im Fernsehen die Verlogenheit des Fernsehens so schön vorgeführt bekommen. Ein surrealer Höhepunkt ist das Interview, das eine NDR-Journalistin mit der Preisträgerin macht. Sie fragt vor laufender Kamera für den Bericht am nächsten Tag: "Was hören wir denn von dir heute Abend?" – "Leider kein Stück von mir", antwortet Anna-Lena Schnabel, "das hat mir der NDR verboten." – "Das können wir leider nicht reinnehmen morgen", sagt die NDR-Journalistin entschuldigend. – "Das wundert mich nicht", sagt die Preisträgerin.