Auf den Spuren von Boris Pasternak

Ein Spaziergang durch die Datschensiedlung Peredelkino

Wenn man dem Großstadttrubel in Moskau für kurze Zeit entfliehen will, bietet sich eine Fahrt in den Datschenvorort „Peredelkino“ an. Die Siedlung wurde Mitte der 1930er Jahre gebaut, um sowjetischen Schriftstellern (den Mitgliedern des Schriftstellerverbands) bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen zu bieten.

Gerade einmal 24 Minuten dauert die Fahrt mit der Elektritschka vom Kiewer Bahnhof in Moskau bis nach Peredelkino. Ein Ticket für eine Einzelfahrt kostet 34 Rubel und ist so mehr als erschwinglich. Die Fahrt in der Elektritschka ist unterhaltsam: Verkäufer laufen durch den Zug und bieten Snacks und Getränke an, und Akkordeonspieler untermalen die Fahrt musikalisch.

In Waggon einer Elektritschka
Die Fahrt mit der Elektritschka dauert nur 24 Minuten.

Ankunft in Peredelkino

Am Bahnhof von Peredelkino angekommen trifft man zunächst auf die Sommerresidenz des Patriarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche. Daneben steht die Kirche des Heiligen Igor von Tschernihiw, die mit ihren bunt verzierten Zwiebeltürmen der Basilius-Kathedrale am Roten Platz ähnelt.

Kirche des Heiligen Igor von Tschernihiw
Die Kirche des Heiligen Igor von Tschernihiw erinnert an die Basilius-Kathedrale am Roten Platz.

Direkt hinter der Kirche befindet sich der Friedhof von Peredelkino, auf dem unter anderem Boris Pasternak seine letzte Ruhe fand. Der Friedhof wirkt idyllisch und etwas verlassen, sieht man nur vereinzelt Besucher über die schmalen Wege huschen.

Friedhof in Peredelkino
Auf dem Friedhof von Peredelkino liegt auch der Schriftsteller Boris Pasternak begraben.

Das Pasternak-Museum

Geht man vom Friedhof aus auf die Schreibersiedlung zu, gelangt man in die Uliza Pawlenko, in der man das Pasternak-Museum besuchen kann. Boris Pasternak war auch auf der Liste der privilegierten Schriftsteller, die in die Datschensiedlung ziehen durften. Obwohl er 1936 die Datscha Nr. 3 erhielt, zog er erst 1939 in das braun-weiße Holzhaus ein. Das Museum ist nicht einfach zu finden, da das Hinweisschild zum Museum etwas unter herabhängenden Ästen versteckt ist.

Hinweisschild zum Pasternak-Museum
Das Hinweisschild zum Museum ist etwas versteckt.

In den verschiedenen Räumen der Datscha kann man das Leben Pasternaks nachempfinden, der hier zum Beispiel seinen Roman „Doktor Schiwago“ schrieb. Im Esszimmer können die Besucher ein Exemplar des ersten sowjetischen Fernsehapparats bewundern. Pasternak selbst aber sah kaum fern, er bevorzugte lange Spaziergänge und Gartenarbeit.

Pasternaks Arbeitszimmer
An diesem Schreibtisch schrieb Pasternak zum Beispiel seinen Roman “Doktor Schiwago”
Sowjetischer Fernseher
Ein Exemplar des ersten sowjetischen Fernsehers.

 

 

 

 

 

 

 

In Peredelkino gehen die Uhren langsamer

Beim Spaziergang durch die Datschensiedlung liegt der Duft von Kiefern in der Luft. Hier in Peredelkino scheint die Zeit noch etwas langsamer zu gehen – und das weniger als eine halbe Stunde vom pulsierenden Zentrum Moskaus entfernt. Datschen, Holzhäuser und auch moderne Villen säumen die Straßenränder. Die meisten Gebäude sind gut überwacht und von hohen Mauern umgeben. Nicht selten steht ein Schild mit der Aufschrift „Slaja Sobaka“ (wütender Hund) am Zaun – diesem möchte man lieber nicht persönlich begegnen.

Straße in Peredelkino
Zwei Frauen tragen ihre Einkäufe durch die Datschensiedlung nach Hause.
Abgezäunte Villa in Peredelkino
In Peredelkino sind die meisten Gebäude gut überwacht.
Zaun mit Warnung vor dem Hund
“Slaja Sobaka” – dem wütenden Hund möchte man lieber nicht zu Nahe kommen.

Zu Besuch beim Kinderbuchautor Tschukowski

In Peredelkino liegt auch die Datscha, in der von Februar 1938 bis Oktober 1969 Kornei Tschukowski lebte und arbeitete. Tschukowski begann seine Arbeit als Literaturkritiker und schrieb dann Kinderliteratur. Sein erstes Kinderbuch heißt „Das Krokodil“ und ist über die Grenzen Russlands hinaus bekannt.

Hinweisschild: Tschukowski-Museum
Das Wohnhaus Tschukowkis ist heute ein Museum.
Tschukowskis Haus in Peredelkino
Im Baum vor dem Tschukowski-Museum hängen Kinderschuhe. Eltern bringen die Schuhe mit dem Wunsch hierher, dass die Kinder berühmte Schriftsteller werden.

Im Museum werden Führungen auf Russisch und Englisch angeboten und die freundlichen Museumsführer geben gerne Auskunft. Zunächst werden die Besucher gebeten, ihre Jacken an der Garderobe aufzuhängen. Die Kleiderhaken an der Garderobe stehen symbolisch für Tschukowskis Freundschaften und so gibt es auch einen Kleiderhaken für Tschukowskis langjährige Freundin Anna Achmatowa. Die Museumsführer begleiten die Besucher auf dem Rundgang durch die verschiedenen Räume des Hauses, wie etwa Tschukowskis Arbeitszimmer. Die Zimmer sind warm und freundlich eingerichtet, man fühlt sich zum Verweilen eingeladen.

Tschukowskis Arbeitszimmer
In Tschukowkis Arbeitszimmer möchte man gerne etwas länger stöbern.
Tschukowskis Schreibtisch
Tschukowkis Arbeitsplatz.

Anekdoten gehören zum Rundgang durchs Museum

Beim Rundgang erfährt man vieles Interessantes über Tschukowskis Leben, sein Werk und seine Arbeit als Linguist. Besonders der englischen Literatur fühlte sich Tschukowski verbunden und so zählen Übersetzungen von Kipling und Mark Twain zu seinen Arbeiten. Die Museumsführer haben einige Anekdoten zu den an den Wänden hängenden Familienfotos parat. Auch geben sie dem Museumsbesucher eine erste Einführung in die russische Linguistik und erklären zum Beispiel, wie sich die Bedeutung russischer Wörter über die Zeit gewandelt hat. Bei einem Preis von 250 Rubel lohnt sich eine Führung durch Tschukowskis Datscha allemal.

Neben dem Wohnhaus befindet sich eine Kinderbibliothek, die von Tschukowski gestiftet wurde. Sie ist mit bunten Buchstaben bemalt und erinnert an Pippi Langstrumpfs Villa Kunterbunt.

Kinderbibliothek in Peredelkino
Die Kinderbibliothek neben dem Tschukowski-Museum erinnert an Pippi Langstrumpfs Villa Kunterbunt.

Ein Ausflug nach Peredelkino empfiehlt sich als kurze Auszeit vom Moskauer Großstadtleben. Beim Spaziergang durch den Vorort kann man zur Ruhe kommen, frische Luft atmen und zugleich in die russische Kultur eintauchen.