Wenn es im Handel um das Thema Logistik geht, wird meist über die Bedeutung der letzten Meile gesprochen. Doch bevor ein Händler sich darum kümmern kann, wie er seine Produkte am besten an den Kunden bringt, muss er die Logistik innerhalb seines Unternehmens im Griff haben.

Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) definiert Intralogistik als die "Organisation, Steuerung, Durchführung und Optimierung des innerbetrieblichen Waren- und Materialflusses und Logistik, der Informationsströme sowie des Warenumschlags". Die Maschinen- und Anlagenbauer profitieren vom wachsenden E-Commerce. Die Nachfrage nach Intralogistik- und Fördertechniklösungen ist in den Schlüsselbranchen, zu denen neben der Automobilindustrie seit Jahren auch der Onlinehandel gehört, ungebrochen hoch: Immer neue Logistiklager bedeuten einen steigenden Bedarf an entsprechender Technik.

Mehr noch als in anderen Branchen entscheidet im E-Commerce die schnelle Abwicklung von Bestellungen immer stärker über den Erfolg. Onlinehändler, die sich Zeit für die Optimierung ihrer Lagerprozesse nehmen, sparen nicht nur Kosten und Zeit, sie verbessern auch die Kundenbindung.
Hohe Versandleistung bei optimalem Personaleinsatz: Die Messlatte liegt bei der Intralogistik im E-Commerce hoch.
© Dematic
Hohe Versandleistung bei optimalem Personaleinsatz: Die Messlatte liegt bei der Intralogistik im E-Commerce hoch.

Verschärfter Kostendruck

Die Anforderungen an die IT-Systeme im Lagerhaus sind deshalb groß - gerade im Online- und Versandhandel mit immer kürzeren Durchlaufzeiten zwischen Auftragseingang und Auslieferung, Stichwort "Same-Day-Delivery", einem großen Artikelspektrum, kleinteiligen Bestellungen und dem Zwang zu maximaler Verfügbarkeit. Schließlich ist die Konkurrenz immer nur einen Mausklick entfernt.

Amazon hat die Messlatte für einen effizienten Versandprozess sehr hoch gelegt - und damit den Druck auf kleinere Onlinehändler erhöht, effiziente Logistiksysteme mit einer fehlerfreien Kommissionierung schon im Lager bereitzustellen. Ocado, britischer Rivale im Lebensmittelhandel, arbeitet im Customer Fulfillment Center in Andover inzwischen hochautomatisiert. Roboterkisten navigieren durch eine dreistöckige Aluminiumkonstruktion, nehmen Produkte aus Kisten auf und lassen sie zu Packstationen fallen, wo sie in Säcken verpackt werden. Die Roboter brauchen fünf Minuten, um eine Bestellung mit 50 Artikeln zu erledigen.

Inside Ocado's automated warehouse

Die deutschen Onlinekunden sind nicht nur besonders preissensibel, sondern setzen den schnellen und kostenlosen Versand mittlerweile ebenso selbstverständlich voraus wie Gratisretouren. Dass die Retourenquote zu den höchsten in Europa zählt, verschärft die Kostensituation für die auf dem hiesigen Markt agierenden Onlinehändler noch beträchtlich. Dazu kommt der in Deutschland beliebte Rechnungskauf, der sich ebenfalls ungünstig auf die Liquidität auswirkt.

Viel Potenzial zur Optimierung

Soweit zu den Herausforderungen. Die gute Nachricht: Im Gegensatz zur Beschaffungs- und Distributionslogistik können die intralogistischen Prozesse durch den Händler aktiv gesteuert werden. Die Prozesse im eigenen Lager unterliegen weniger stark externen Einflüssen und lassen sich dadurch besser an sich ändernde Bedürfnisse anpassen.

Und es gibt inzwischen eine Vielfalt von Lösungen für die Lagerung, Beförderung und Kommissionierung der Waren, die auf die Anforderungen des Verkaufskanals Internet zugeschnitten sind, also auf große Lagerkapazitäten bei einem großen Anteil an Bestellungen mit nur einem Artikel, Versand am selben oder spätestens am nächsten Tag, die Bearbeitung von Rücksendungen - und, ganz wichtig, auf variable Umschlagshäufigkeiten und saisonale oder Angebotsspitzen. Schließlich bestellen viele Onlinekunden am Wochenende, sodass die Orderlines bei vielen Unternehmen dann zwei- oder dreimal höher liegen als am Freitag.
Automatisierte Picking-Systeme bewegen die Ware zum Kommissionierer.
© Dematic
Automatisierte Picking-Systeme bewegen die Ware zum Kommissionierer.
Typische Lösungen für die Intralogistik von Handelsunternehmen optimieren die Prozesse bei Wareneingang, Lagerung, Einlagerung, Nachschub, Behälter- und Stückkommissionierung, Konsolidierung, Auftragsverpackung und Lkw-Beladung und bieten die Möglichkeit, eine Vielzahl von Lastarten zu bearbeiten: Kartons, Einschweißbehälter, Polybeutel und Umschläge. Förderbänder, Hebezeuge, Telematik sowie automatisierte und Robotiklösungen werden ständig weiterentwickelt. Intralogistikspezialisten bieten heute modulare und skalierbare Lösungen für einzelne Arbeitsschritte oder den gesamten Lagerprozess.

Lösungen werden immer individueller

Kern ist dabei immer die Lagerverwaltungssoftware, die Echtzeitsteuerung und Transparenz bei allen Lagerprozessen bietet. Im Idealfall werden durch spezielle Branchenlösungen nicht nur die Dauer der Auftragserfüllung und der dafür erforderliche Arbeitseinsatz verringert, sondern gleichzeitig die erforderlichen Lagerflächen verringert. So ermöglichen zum Beispiel moderne Picking-Lösungen nach dem Ware-zur-Person-Prinzip eine kompakte Lagerhaltung. Im wachsenden Onlinehandel mit frischen und TK-Lebensmitteln können Lösungen für automatische Mischgebindepalettierung Kosten und Aufwand im Lager reduzieren.

Die Frage, ob automatisierte Intralogistiklösungen dem Flexibilitätsanspruch im Hinblick auf Menge und Ware im E-Commerce gerecht werden können, kann heute eindeutig mit "ja" beantwortet werden. Denn Robotikanwendungen mit künstlicher Intelligenz bewältigen auch komplexe, sich verändernde Abläufe. Automatisierte Anlagen wie Roboter, Regalbediengeräte oder Shuttles arbeiten vernetzt zusammen und organisieren sich als autarke Systeme zunehmend selbst.

Bis zum voll automatisierten Warenlager mit anschließender Drohnenlieferung an die Haustür ist es zwar noch ein langer Weg. In Ansätzen ist die Zukunft aber bereits sichtbar. MEHR ZUM THEMA:

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