Geschickte Jäger: Orcas greifen auch Artgenossen an

Orcas, auch Schwertwale genannt, kommen in markantem Schwarzweiß daher und zeigen sich ausgesprochen gesellig. Wie Wölfe jagen sie stets im Rudel, wobei sie gelegentlich auch anderen Walen nachstellen. Vor Australiens Südwest-Küste ist nun erstmals beobachtet worden, wie Schwertwale Jagd auf Zweizahnwale machen. Eine Gruppe Meeresbiologen und Naturfotografen waren dort zwei Jahre lang bei Ausflügen für Ökotouristen mit an Bord. Die Fahrten führten an den Rand des Kontinentalschelfs, wo sich unter dem Meeresspiegel tiefe Canyons auftun. Wie ergiebig die Jagdgründe dort sind, zeigt das reichhaltige Sortiment verschiedenartiger Fische und Wale, das sich in dieser Region tummelt. Während der 141 Exkursionen hatten Rebecca Wellard von der Curtin University in Perth und ihre Kollegen fast immer Schwertwale beobachtet und vier spektakuläre Angriffe auf einen Zweizahnwal. Benannt sind diese Schnabelwale der Gattung Mesoplodon nach ihrem spärlichen Gebiss. Als ein Beutetier in der Nähe der Schwertwale auftauchte, rückten einige ihm dicht auf den Leib. Bereit, ihm den Fluchtweg abzuschneiden, hielten die übrigen Gruppenmitglieder etwas Abstand. So konnten die Angreifer verhindern, dass ihnen der bedrängte Zweizahnwal entwischte, indem er abtauchte. Seinesgleichen versteht sich ebenso meisterhaft aufs Tauchen wie die riesigen Pottwale. Längst nicht so massig, können auch Zweizahnwale mehr als tausend Meter in die Tiefe vordringen. Mitunter bleiben sie länger als eine Stunde unter Wasser, um den Tintenfischen der Tiefsee nachzustellen. Flucht bei Orca-Tönen Ähnlich groß, aber schlanker, hat ein Zweizahnwal gegen Schwertwale keine Chance. Diese haben es mitunter aber nicht eilig, ihr imposantes Gebiss einzusetzen. Wie die australischen Forscher in der Online-Zeitschrift „Plos One“ berichten, ließ sich eine Gruppe von Schwertwalen eine ganze Stunde Zeit, bis das erste Tier zuschnappte. Einem anderen Zweizahnwal rissen die Orcas schon bald große Hautstücke herunter. Sonst spielte sich stets das gesamte Drama unter dem Meeresspiegel ab. Sichtbar war das Blut, das das Wasser rot färbte. Atem zu holen, müssen sie also auf der Hut sein. Offenbar sind sie ganz Ohr für akustische Warnsignale: In einem Test unweit der Bahamas konnten Wellard und ihre Kollegen zeigen, dass Blainvilles Zweizahnwale prompt Reißaus nehmen, wenn sie Tonaufnahmen typischer Schwertwal-Laute hören. Dass ihre Verwandten im Südwesten Australiens trotzdem gelegentlich geschnappt werden, liegt vermutlich daran, dass sie dort außergewöhnlich zahlreich unterwegs sind. An der Meeresoberfläche sind sie zwar nur selten zu sehen. Doch gestrandete Zweizahnwale finden sich nicht nur häufiger als anderenorts, sie lassen sich auch zehn unterschiedlichen Arten zuordnen. Opportunisten in Sache Speisekarte Die Schwertwale in dieser Region schauen sich aber auch nach anderer Beute um. Bisher hat man nur Attacken auf neugeborene Buckelwale beobachtet. Zwei Beutetiere, mit denen sich die Schwertwale nur kurz an der Wasseroberfläche blicken ließen, waren nicht so leicht zu identifizieren. Wahrscheinlich handelte es sich um einen großen Tintenfisch und einen Mondfisch. Vor Australiens Südwestküste jagen Schwertwale anscheinend jede fette Beute, die zufällig vorbeikommt. Solche Opportunisten sind auch von der Nordhalbkugel bekannt. Manche Populationen haben dort aber besondere Vorlieben entwickelt: Sie stellen ausschließlich Meeressäugern nach, oder sie fangen Fische, jeweils mit speziellen Jagdtechniken. Doch selbst Schwertwale, die sich vor allem an Heringsschwärmen gütlich tun, zeigen sich flexibel. Notfalls können sie auch Beutetiere überwältigen, die größer sind als sie selbst.