Wo anderswo noch nicht einmal eine Warenwirtschaft eingesetzt wird, zeigen zwei mittelständische Händler, wie hervorragend ein Unternehmen im digitalen Zeitalter existieren kann. Wenn man offen ist zum Ausprobieren und die Mitarbeiter einbindet.
Mit diesem Leitsatz sind die beiden Geschäftsführer von Intersport Schrey in Pforzheim seit Jahren bestens unterwegs, die Geschwister verkörpern den Typ mittelständischer Händler, den man nicht oft findet: Mut zum Risiko. Und den lassen sie sich auch etwas kosten.
Mit Spielgeld einfach mal etwas ausprobieren
In Kaelbers Budget gibt es den Posten "Spielgeld", und das ist einzig zum Ausprobieren vorgesehen. Da wird nicht groß mit den Köpfen gewackelt, ob und wie und wann sich so etwas rechnen könnte - zugreifen, testen, und dann wird man schon sehen, ob es sich lohnt. "Lieber geben wir dafür Geld aus, anstatt uns neue Autos zu kaufen", sagt Dirk Kaelber.Also sitzt er mit seiner Schwester in der sehr gut gefüllten Neuen Mensa beim "Retail Innovation Forum" der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn und saugt auf, was die Referenten aus der Handelswelt ihm dort bieten. Vielleicht ist ja eine Anregung dabei, die man bei Intersport Schrey umsetzen kann. So wie damals die Aktivitäten in Social Media.
Schrey ist auf allen Kanälen präsent
Die Kollegen von Intersport Hübner greifen ja seit einiger Zeit zu WhatsApp in der Kundenkommunikation - doch die Kaelbers sind hier längst alte Hasen. Der Messenger-Dienst wird bespielt, Facebook sowieso, aber auch Twitter, Instagram, Pinterest, Tumblr und Youtube. Überall ist Schrey präsent. Es wird gebloggt, gepostet, gechattet, gestreamt.Lustige Filmchen von den eigenen Mitarbeitern
Der Erfolg? Alle haben es verstanden, finden es gut - und beleben die Kanäle mit eigenen Beiträgen, etwa mit lustigen Filmchen für die Facebookseite, bei dem sich die Männer mal als Fußball-Nationalmannschaft verkleiden oder in Schnorchelausrüstung schön albern auf der Straße herumhopsen.Phizzard bei Sport Schrey
"Tradition ist kein Geschäftsmodell"
Ganz sicher haben die Kaelbers in Heilbronn auch Marc Ramelow zugehört, der mit seinem Vortrag demonstrierte, dass es im schwer kämpfenden mittelständischen Textilhandel immer noch Unternehmen gibt, die sich behaupten. Acht Modehäuser und ein Café gehören zu Ramelow, alles in Norddeutschland, von Elmshorn bis Uelzen.Das Ur-Geschäft wurde von Gustav Ramelow 1872 im mecklenburgischen Klütz eröffnet, sein Nachfahre Marc sagt heute einen Satz, den sich viele alteingesessene Handelsunternehmen merken sollten: "Tradition ist kein Geschäftsmodell." Also nutzt er auch die technischen Möglichkeiten der Gegenwart, damit Ramelow eine Zukunft hat.
Das beste Werkzeug ist das Smartphone des Mitarbeiters
Vielleicht fängt man aber erst einmal an zu erzählen, was er dabei weglässt, weil zu viel Technikgedöns im Laden für die Kunden nichts bringt. Stelen, etwa, auf denen Videos laufen oder mit Touchscreens. "Kein Mensch steht davor und spielt herum", sagt Modehändler Ramelow. Tablets für die Verkaufsberater haben sich auch nicht bewährt - die besten Werkzeuge sind die privaten Smartphones der Mitarbeiter.Auf denen hat das Personal zwei Apps geladen - Pia zur internen Kommunikation im Ramelow-Kosmos sowie Clara vom Anbieter Fashion Cloud als digitale Regalverlängerung. Kunden, die im Geschäft nicht die gewünschte Hose finden, können hierüber fix versorgt werden. Acht Hersteller sind angeschlossen und können in maximal 48 Stunden die neue Ware ins Geschäft liefern, nicht nach Hause. "Unsere Kunden wollen das so", versichert Händler Ramelow.
Per WhatsApp zur Shopping-Party einladen
Was die Kunden auch wollen: per WhatsApp in Kontakt mit Ramelow bleiben. Dafür gibt es 30 Enthusiasten unter den Mitarbeitern, die sozusagen als digitale Botschafter mit ihren Kunden in Kontakt stehen oder zu Shopping-Partys einladen. Einfach so mit ihren Smartphones, weil es Spaß macht, "und weil sich das Berufsbild des Verkaufsberaters verändert hat", wie es der Chef Ramelow sagt.Kundenkontakt auf dem Wochenmarkt - und per WhatsApp
Ramelow erzählt hier von einem Verkäufer in der Herrenabteilung der Uelzener Ramelow-Filiale, der samstags stets über den Wochenmarkt der Stadt spaziert und seine Stammkunden grüßt. Das ist gut. Sehr gut und zeitgemäß ist es, wenn diese Kunden halt ab und zu noch eine WhatsApp-Nachricht von ihm bekommen.Innovation als Geschäftsprinzip
Ramelow hat keinen Onlineshop, aber das Unternehmen ist in der digitalen Welt angekommen. Dazu gehört auch, dass man die Nähe zu Start-ups sucht und Innovation als eines der vier wichtigen Punkte im Firmenleitbild verankert hat.So programmatisch geht Sporthändler Dirk Kaelber nicht vor, gedanklich ist er aber mit dem Kollegen Ramelow eng verwandt. "Ware bekommt der Kunde heute überall", sagt er. Daher muss eben der Laden heute mehr bieten als Hosen und Schuhe. "Wir müssen den Kunden das Gefühl geben, dass sie das Richtige gekauft haben."Und dafür probiert er mit seiner Schwester eben furchtlos viel aus. Ganz, wie es der Vater gewünscht hat.