Ist Vero das nächste Facebook? Oder doch das nächste nächste Facebook?

Alle paar Monate gewinnt ein neues soziales Netzwerk in kurzer Zeit enorm viele Nutzer. Es wird von der Presse als das neue Facebook gehandelt und verschwindet trotzdem alsbald wieder in der Versenkung. Kommt es diesmal mit Vero anders?

Oliver Fuchs, Boas Ruh
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Ein soziales Netzwerk, das besser sein will als alle anderen: Vero denkt gross. (Bild: pd)

Ein soziales Netzwerk, das besser sein will als alle anderen: Vero denkt gross. (Bild: pd)

Von Facebook, Whatsapp oder Youtube erwarten wir, dass sie immer online sind. Sind sie plötzlich nicht mehr erreichbar, ergiessen sich Wut und Spott über den Anbieter. Ganz anders bei neuen Apps oder Websites: Da gilt es als Auszeichnung, wenn die Server «wegen des Ansturms» zusammenbrechen. So geschehen beim sozialen Netzwerk Vero, das sich fast drei Jahre nach seinem Start plötzlich enormer Beliebtheit erfreut. Die App war am vergangenen Wochenende kaum mehr zu erreichen, geschweige denn zu gebrauchen.

Die nackte Wahrheit?

Auf den ersten Blick erstaunt das plötzliche Interesse nicht. Während sich besonders bei Facebook und Twitter Ermüdungserscheinungen bemerkbar machen, gibt sich Vero als Antithese zu den dominanten Netzwerken. Es will «echt sozial» und «authentischer» sein und nicht das herrschende Ungleichgewicht zwischen Plattform und Nutzer befördern. Dies schreibt Vero (lateinisch für «in Wahrheit») in einem Manifest.

So verzichtet Vero auf Werbeeinblendungen. Das Netzwerk finanziert sich über eine Vermittlungsprovision, wenn Nutzer ein von ihren Vero-Freunden empfohlenes Produkt kaufen. Eine Einladung für das Influencer-Marketing, für Meinungsmacher also, die im Auftrag von Unternehmen Produkte bewerben. In einer späteren Phase soll zudem ein Abo-Modell eingeführt werden. Wofür genau bezahlt werden muss und wie hoch die Gebühr ausfallen wird, kommuniziert Vero nicht. Vero verspricht, dass die erste Million Nutzer das Netzwerk für immer gratis nutzen könne, was wiederum neue Nutzer anzieht, die zu diesem mehr oder minder exklusiven Kreis der «early adopters» gehören wollen.

Vero behauptet, keine Algorithmen einzusetzen. Man setze auf eine rein chronologische Darstellung der Beiträge. Algorithmen waren bei anderen Netzwerken – insbesondere bei Instagram – ein oft zitierter Kritikpunkt, da viele Nutzer den Eindruck haben, von der künstlichen Intelligenz bevormundet zu werden. Technisch gesehen ist Veros grosse Ankündigung, für alle Ewigkeit auf Algorithmen zu verzichten, unsinnig. Auch eine chronologische Darstellung der Beiträge basiert stets auf einem Algorithmus.

Auf Kritik stösst auch, dass bei der Anmeldung zwingend eine Telefonnummer angegeben werden muss. Ein Schritt, der bei Facebook oder Instagram optional ist. Vero begründet den Nummern-Zwang mit der Sicherheit: Eine Telefonnummer könne nicht so leicht gefälscht werden.

Der reiche Hariri-Erbe

Hinter Vero steht ein dreiköpfiges Gründerteam um den libanesischen Milliardär Ayman Hariri. Der Mann mit einer mächtigen Familie im Rücken besitzt laut «Forbes» ein Vermögen von 1,3 Milliarden Dollar. Er ist der zweitjüngste Sohn von Libanons früherem Ministerpräsidenten Rafik Hariri, der 2005 bei einem Attentat getötet wurde. Der amtierende Ministerpräsident von Libanon, Saad Hariri, ist sein Halbbruder.

Bekannt wurde Ayman Hariri als CEO des saudischen Bauimperiums Saudi Oger. Das Unternehmen wurde von Rafik Hariri gegründet, und es hat der Familie zu Reichtum verholfen. Im vergangenen Sommer musste Saudi Oger nach Vorwürfen von Missmanagement und Korruption die Geschäftstätigkeiten einstellen.

Vero ist nicht das erste soziale Netzwerk, das sich als «das nächste Facebook» inszenierte. Eine ebenfalls kostenlose, werbefreie Alternative – die auch mit einem eigenen Manifest aufwarten konnte – war Ello. Vor einigen Jahren gab es einen Hype um das neue Netzwerk, das die Privatsphäre besonders stark schützen wollte. Heute ist Ello weiterhin online, weiterhin werbefrei und weiterhin eine Alternative für die wenigen Nutzer, die Exklusivität abseits von Facebook schätzen. Doch Facebook abgelöst, das hat es nicht. Genauso wenig wie die anderen kurzzeitig hochgejubelten «Facebook-Alternativen». Noch vor Ello schafften es auch Diaspora und App.net nicht, Facebook vom Thron zu stossen. Noch spricht einiges dafür, dass Vero das gleiche Schicksal droht.