WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. ICONIST
  3. Deutsche Sprache: 13 rhetorische Kniffe, die das ganze Leben verbessern

ICONIST Rhetorik

13 sprachliche Kniffe, die das ganze Leben verbessern

Eine gute Ausdrucksweise erleichtert nicht nur das eigene Leben, sondern auch das der Mitmenschen Eine gute Ausdrucksweise erleichtert nicht nur das eigene Leben, sondern auch das der Mitmenschen
Eine gute Ausdrucksweise erleichtert nicht nur das eigene Leben, sondern auch das der Mitmenschen
Quelle: Getty Images
Wer Anrufer „abwürgt“ oder ständig „eben schnell“ etwas erledigt, verbreitet schon durch seine Wortwahl Stress. Höchste Zeit, richtig sprechen zu lernen – und so vielleicht sogar sein Leben zu ändern.

Ob mit hCG-Diät, Stammzellenlifting oder Hybridauto – auf die eine oder andere Art versucht jeder, seine Außenwirkung zu optimieren. Aber über das wichtigste Ausdrucksmittel von allen machen sich die wenigsten Gedanken: die Sprache. Dabei haben Wortschatz, Grammatik, Satzbau und Satzmelodie eine immense Wirkung auf andere.

Wer mehr Wert auf seine Wortwahl legt, tut dies auch im Dienste des eigenen Wohlgefühls. Psychologen der Universität Jena haben mittels bildgebender Verfahren die Wirkung gehörter Worte im Gehirn erforscht und gezeigt, dass Vokabeln wie „quälend“ oder „zermürbend“ das Schmerzzentrum im Hirn genauso aktivieren wie Nadelstiche.

Richtige Formulierungen sollen dagegen Wunder wirken. Sprachexperten sind davon überzeugt, dass wir mit einer passenden Ausdrucksweise sogar unser Leben entschleunigen, Ehestreitigkeiten vermeiden und Probleme mit Kollegen beilegen können. Wie genau das geht? Wir haben bei verschiedenen Fachleuten Tipps eingesammelt und einschlägige Literatur ausgewertet. Hier das Ergebnis: Ein Minisprachkurs für Erwachsene in 13 Lektionen.

1. Gemach, gemach!

Wer wünscht sich nicht weniger Stress? Fast alle reden ständig davon – und laden ihn damit erst recht ins Leben ein. Floskeln wie „Ich muss noch schnell“, „ganz kurz“ oder „Kannst du mal eben ...?“ sind in der Alltagssprache omnipräsent, hat die Sprachwissenschaftlerin Mechthild von Scheurl-Defersdorf beobachtet.

Gemeinsam mit dem Arzt und Neurowissenschaftler Theodor von Stockert begründete sie das Sprach- und Kommunikationskonzept Lingva Eterna, das Achtsamkeit für jedes Wort und jeden Ausdruck predigt. Also: Warum sprechen wir nicht häufiger von „Mußestunden“, „Gelassenheit“ oder „Ruhe“? Im Kartensatz „Die Kraft der Sprache“, mit der man die Lingva-Eterna-Prinzipien trainieren kann, empfiehlt von Scheurl-Defersdorf die beruhigende Formulierung „Gemach, gemach.“ Sie sagt: „Eine bejahende Sprache wirkt sich positiv auf die innere Haltung aus und macht es leicht, Ziele zu erreichen.“

2. Ruhe dank Futur

Der moderne Mensch macht auch in der Sprache meist alles gleichzeitig: „Morgen gehen wir ins Kino“, „Ich muss nachher ins Meeting“ und „Nächste Woche fahre ich in den Urlaub.“ „Die meisten Menschen gebrauchen für alles Gegenwärtige und für alles Zukünftige das Präsens“, sagt von Scheurl-Defersdorf. „Sie packen damit alles Zukünftige in die Gegenwart.“

Kein Wunder, dass der Mensch dann vor lauter gefühlt dringenden, aktuellen Dingen unter Strom steht. Ein Ausweg: Die Grammatikform Futur. „Es ist enorm entlastend, nur noch das Aktuelle in der Gegenwart zu formulieren“, sagt von Scheurl-Defersdorf. Also nicht mehr: „Ich muss morgen die Steuererklärung machen.“ Sondern: „Ich werde mich morgen der Steuererklärung widmen.“ Klingt doch gleich danach, als werde man es auch wirklich tun.

3. Weniger müssen müssen

Ein leidiger Glücks-Verhinderer in der Sprache ist das „ich muss“. Kolumnistin Meike Winnemuth hat beobachtet: „Ich muss, ich muss, ich muss: Das ist inzwischen die Standard-Sprachregelung, wenn man von seinen Plänen spricht.“ Im „Stern“ schrieb sie: „Oft ist es nur eine Frage der Formulierung, die dafür sorgt, dass man sich die Entscheidungsfreiheit wieder zurückerobert und aus der eingebildeten Knechtschaft befreit.“

Da liegt sie ganz auf Linie der Sprachwissenschaftler. „Ich muss morgen nach Berlin?“ Nein: „Ich werde morgen nach Berlin fahren“, so lautet die Lingva-Eterna-Formulierung. Auch die übrigen Modalverben können (oft in der Variante „ich kann nicht“), wollen, dürfen, sollen, mögen sind häufig überflüssig. „Erfolgreiche Menschen operieren viel weniger mit Hilfsverben – sie machen einfach“, versichert von Scheurl-Defersdorf.

4. Mit Grammatik gegen Liebeskummer

Anzeige

Nicht nur in Bezug auf zukünftige Ereignisse, auch in Richtung Vergangenheit kann eine klare Sprache mehr Gelassenheit schenken. In ihrem Buch „In der Sprache liegt die Kraft“ (Herder) schildert von Scheurl-Defersdorf das Beispiel einer Lehrerin, die ihrer Schulklasse den Unterschied zwischen den beiden Vergangenheitsformen Perfekt und Imperfekt erklärt. Der Unterschied zwischen „Eva hat letzte Woche mit mir Schluss gemacht.“ (Perfekt) und „Eva machte letzte Woche mit mir Schluss.“ (Imperfekt)?

Weniger Liebeskummer haben die Schüler, darin waren sich alle einig, mit dem Satz im Imperfekt! Denn, so von Scheurl-Defersdorf: „Das Perfekt wirbelt Gefühle auf und ist nah. Das Imperfekt beschreibt etwas, was in der Vergangenheit geschah. Es ist sachlich und bringt innere Ruhe und Gelassenheit.“ So kann man die Dinge, die erledigt sind, auch wirklich gedanklich beiseitelegen. Machen Sie mal die Probe: „Letztes Jahr habe ich im Krankenhaus gelegen.“ Oder: „Letztes Jahr lag ich im Krankenhaus.“

5. Streiten wie ein Politprofi

Die Kognitions- und Sprachforscherin Elisabeth Wehling, die Politikern beim Kommunizieren hilft, hält auch für Privatmenschen Tipps parat, wie sie ihre Botschaften in die richtigen „Frames“ einbetten. Unter Frame versteht man den Deutungsrahmen, oder wie sie das formuliert „den Zusammenhang mit dem Weltwissen“ einer Idee oder eines Worts. „Belastung ergibt etwa als Konzept nur Sinn, weil man weiß, was es heißt, physisch belastet zu sein“, erklärt sie.

Wehlings Spezialgebiet sind moralische Frames, um die es in der Politik oft geht, aber auch in der Familie, etwa wenn man um Geld streitet. „Stellen Sie sich eine Mutter vor, die Sparsamkeit als hohen Wert betrachtet, während ihr Sohn Großzügigkeit besonders wichtig findet. Dann kommt es schnell zum Konflikt“, erklärt sie. Angenommen, der Sohn schenkte dem Neffen ein teures Modell-Motorboot, die Mutter würfe dem Sohn deshalb mal wieder vor, er sei verschwenderisch.

„Dann wäre es aus Sicht des Sohnes unklug, zu kontern, er sei ja gar nicht verschwenderisch“, sagt Wehling. „Denn eine Idee zu verneinen bedeutet, sie zu aktivieren – und ließe er sich darauf ein – die Frage innerhalb der Weltsicht seiner Mutter zu diskutieren.“ Besser wäre es laut Expertin, wenn der Sohn einen Frame für sein eigenes Wertesystem fände, also darüber spräche, wie wichtig er Großzügigkeit findet und dass ihn der Geiz seiner Mutter stört.

6. Ausgeheckt

Sprachforscherin Wehling empfiehlt, in der Regel auf sogenanntes „Hedging“ zu verzichten, also zum Beispiel auf verklausulierende Formulierungen wie „Ich würde doch annehmen, dass“ oder „Ich möchte vielleicht noch anmerken, dass“. Gerade Frauen neigten zu derartigen Füllseln. In manchen Situationen, in denen man sehr viel Wert auf Höflichkeit lege, seien sie angebracht. Aber gerade im Bewerbungsgespräch solle man sie sich verkneifen. „Hedge kommt von Hecke“, erläutert Wehling. „Und beim Hedging verstecken Sie Ihre Botschaft hinter Hecken und distanzieren sich somit gedanklich vom Inhalt Ihrer Worte. Dabei wollen Sie dem potenziellen Arbeitgeber doch zeigen, dass Sie Dinge knallhart sagen können.“

7. Der Körper als Pflanze

Sogar in der Therapie für Menschen mit Essstörungen setzen Therapeuten auf die Kraft der richtigen Frames. So betrachten sich viele Betroffene als ein Gefäß, das am besten leer sein sollte. Fülle erzeugt dagegen Schuldgefühle. „Das Denkmuster wird immer wieder verfestigt, indem Begriffe wie ‚vollgestopft‘ oder ‚in sich reinfressen‘ genutzt werden“, sagt Wehling. „Es hilft Patienten, wenn sie lernen, einen alternativen Frame zu entwickeln, zum Beispiel von ihrem Körper als Pflanze oder Organismus.“ Dann werde die Nahrung zu einer Frage der Nährstoffe. Es gehe dann nicht mehr um viel oder wenig, sondern um das richtige Essen, das gut für den Körper ist und ihn als Organismus stärkt.

8. Darum kein Warum

Anzeige

„Stop Cheap Speak“ ist der Titel eines Manifests von Sprachcoach Gabriele Zienterra, das Anfang April bei Knaur erscheint. Darin empfiehlt die Rhetoriktrainerin, die seit 15 Jahren Führungskräfte zum perfekten Auftritt coacht, vom „Warum-Frage-Land“ in das „Was-Frage-Land“ umzuziehen. Warum-Fragen, so ihre Argumentation, bringen im besten Fall nicht weiter („Warum finden Sie das Bild schön?“), im schlechtesten Fall lösen Sie Widerstand im Gegenüber aus („Warum willst du nie mit mir reden?“) und treiben den Gesprächspartner in die Rechtfertigung. Zienterra rät zu anderen W-Fragen wie „Wann wollen wir mal reden?“ oder „Was findest du an dem Bild schön?“.

9. Nicht immer nicht

Wichtig zu wissen ist, wie schwer sich das Gehirn mit Verneinungen tut. Den Satz „Stellen Sie sich keinen grünen Osterhasen vor“ kann niemand lesen, ohne an einen ebensolchen zu denken. Diesen Umstand nutzt Gabriele Zienterra, die sich auch „Expertin für wertvolle Kommunikation“ nennt, beim Coaching. „Wenn jemand sagt, etwas sei schwer, sage ich gerne: ‚Stimmt, das ist nicht leicht‘. Schon ist es leichter. Das ‚nicht‘ wird nicht verstanden.“

Umgekehrt gilt: Wer pünktlich sein will, sollte lieber auf den Satz: „Ich will nicht zu spät kommen“ verzichten. Besser: „Ich will rechtzeitig da sein.“ Auch den Spruch „Hab keine Angst“ gilt es aus dem Wortschatz zu streichen, wenn man jemanden beruhigen will. Zienterra rät stattdessen zu Formulierungen wie: „Du bist gut vorbereitet“ oder „Du hast oft gezeigt, dass du es kannst.“

10. In vollständigen Sätzen reden

Wer beginnt, seiner Sprache mehr Aufmerksamkeit zu schenken, merkt, wie oft er Sätze anfängt, die er nicht zu Ende führt, und wie oft er gedanklich kreuz und quer springt: „Bei dem Gespräch letzte Woche – du weißt ja, wir haben da diesen neuen Kunden – jedenfalls, da habe ich mir gedacht, und mein Chef fand das auch eine gute Idee ...“ Da hilft es zum einen, sich klar zu machen, dass Zuhörer nur ein Bild pro Satz verarbeiten können. Und es hilft, in kompletten Sätzen zu sprechen.

„Es ist für die anderen anstrengend, wenn sie unsere Sätze vervollständigen müssen“, lehrt Mechthild von Scheurl-Defersdorf ihre Lingva-Eterna-Schüler. Oft war denen das vorher nicht bewusst. Etwa bei der Formulierung „Darf ich mal durch?“, der bei genauerem Hinsehen eindeutig ein Verb fehlt. Deutlicher wäre es zu sagen: „Lassen Sie mich bitte durchgehen.“ Ein klares „Zieht bitte eure Schuhe an!“ bringt Kinder erfahrungsgemäß eher dazu, es auch zu tun, als ein kurzes „Schuhe anziehen!“ Scheurl-Defersdorf ist überzeugt: „Wenn man seine Sätze vervollständigt, findet auch alles im Leben seinen Platz. Ganze Sätze, ganzes Glück. Halbe Sätze, halbes Glück.“

Übrigens verschwindet bei Frauen häufiger als bei Männern das „Ich“ aus den Sätzen: „Hab noch schnell die Wäsche aufgehängt.“ „Gehe jetzt einkaufen“. Der Effekt: „Durch das Weglassen des Subjekts bleiben sie selbst in ihrem eigenen Denken und Sprechen auf der Strecke“, sagt von Scheurl-Defersdorf. Ein weiterer sprachlicher Stolperstein: Der häufige Gebrauch von Passivsätzen. „Menschen, die überwiegend Aktivsätze gebrauchen, sind aktiv und gestalten ihr Leben Schritt für Schritt“, so von Scheurl-Defersdorf.

11. Auf den Punkt kommen!

Von Scheurl-Defersdorf rät dazu, in kurzen, klaren Sätzen zu sprechen, um sich zu sortieren. Und sie empfiehlt, darauf zu achten, die Stimme am Ende des Satzes abzusenken. So weiß der Zuhörer, dass ein Gedanke zu Ende ist. Wer die Stimme gewohnheitsmäßig oben lässt, kommt im wahrsten Sinne des Wortes nicht „auf den Punkt“. Das lohnt sich nicht, sagt die Expertin: „Menschen mit einer solchen beständig von Neuem ansteigenden Satzmelodie arbeiten in ihrem Leben zu viel, gemessen an dem, was dabei herauskommt.“

12. Ein bisschen Frieden

Auch wenn wir uns nach Frieden sehnen, ist unsere Sprache oft erstaunlich brutal: Da werden Anrufer am Telefon „abgewürgt“, Projekte „in Angriff“ und Ideen ins „Visier“ genommen, „schwere Geschütze aufgefahren“, Pläne sind „kriegsentscheidend“ – und wenn wir richtig Spaß haben, ist es eine „Mordsgaudi“. Welche unbewussten Speicherungen wir mit diesen Worten aktivieren, machen wir uns oft nicht klar: „Bombenwetter war das Wetter, bei dem die Bomber im Krieg flogen. Bei gutem Wetter hatten sie gute Sicht“, erklärt von Scheurl-Defersdorf.

„Das Grauen der beiden Weltkriege schwingt in diesen Redewendungen noch mit.“ Dabei ist verbales Abrüsten simpel. Statt einen „Vorschlag“ zu machen, kann man auch eine „Empfehlung“ geben. Pazifismus zahlt sich aus, versichert die Sprachwissenschaftlerin: „Hebammen berichten, dass Geburten leichter gehen, wenn die Frauen ihre Kinder ‚bekommen‘ und nicht mehr ‚kriegen‘.“

Auch wenn sich einzelne Worte schnell austauschen lassen: Jahrelang antrainierte Sprachgewohnheiten ändern wir nicht von heute auf morgen. Mechthild von Scheurl-Defersdorf rät daher zu Geduld: „Alles, was Hand und Fuß hat, braucht neun Monate.“

13. Und jetzt noch: ein Zauberwort

Wenn es mit dem bewusster Reden nicht gleich klappt, hilft sicher ein bei Yogalehrern beliebtes Zauberwort. Von wegen „Ich kann das nicht.“ Ungleich optimistischer hört sich doch die Formulierung an: „Ich kann das noch nicht.“

Dieser Artikel wurde erstmals 2015 veröffentlicht.

Folgen Sie uns unter dem Namen ICONISTbyicon auch bei Facebook, Instagram und Twitter.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema