Zum Tod von Maj Sjöwall – Der Realität ins Gesicht sehen

Maj Sjöwall ist gestorben. Mit ihrem Partner Per Wahlöö begründete sie einst den sozialkritischen Kriminalroman.
- Maj Sjöwall ist tot
- Autorin gilt als Erfinderin des sozialkritischen Polizeiromans
- Maj Sjöwall ist im Alter von 84 Jahren gestorben
So sehr haben sich Krimileser und -gucker an den unspektakulär mittelalten melancholischen Kommissar mit kaputter Ehe und dem ein oder anderen gesundheitlichen Problem gewöhnt, dass er längst als – mittlerweile sogar ein bisschen abgenutzter – Standard angesehen wird. Seine Geburtsstunde aber liegt im Jahr 1965, sein Name war Martin Beck und der erste Krimi eines schwedischen Autorenpaares, Originaltitel „Roseanna“, eine kleine Sensation.
Nicht dass Maj Sjöwall und Per Wahlöö wohlhabend geworden wären durch die Erfindung des nüchtern realistischen, ausdrücklich sozialkritischen Polizeiromans. Aber die DNA ihrer zehn Martin-Beck-Romane findet sich bis heute nicht nur im Werk skandinavischer Autoren, auch John Rebus, bekannte Figur des Schotten Ian Rankin, steht zum Beispiel deutlich in dieser Tradition.
Maj Sjöwall - Alleinerziehende Mutter wird Schriftstellerin
Maj Sjöwall, geboren 1935, war doppelt geschieden und alleinerziehend mit Tochter, hatte Graphik und Journalismus studiert, als sie den neun Jahre älteren Journalisten und Buchautor Per Wahlöö kennenlernte. Eigentlich durchs Schreiben besser kennenlernte, denn Wahlöö war verheiratet und man tauschte Texte aus, ehe man 1963 zusammenzog.
Von Anfang an hatten die beiden einen Plan, dieser lautete: zehn Bände, 30 Kapitel pro Band. Der Überlieferung nach schrieben sie nachts, wenn die Kinder im Bett waren, tauschten am nächsten Tag das Geschriebene, redigierten dabei den anderen und bemühten sich um einen Erzählton, der weder ihrer noch seiner war, sondern „ein Stil, der den Büchern gut bekam“ (Sjöwall). Wahlöö war bereits schwer krank, als die beiden planmäßig Band zehn, „Die Terroristen“, beendeten, er starb 1975 kurz vor dessen Erscheinen. Maj Sjöwall ließ sich zu keinem Beck-Roman mehr drängen, lebte vor allem vom Übersetzen und den Tantiemen aus dem schlechten alten Vertrag.
Maj Sjöwall - Wie ihr Mann überzeugte Marxistin
Ob die beiden überzeugte Marxisten waren, wie man lesen kann? Es spielt für die Romane nur insofern eine Rolle, als es ihnen wichtig war, soziale Ungerechtigkeit zu thematisieren und die Frage, ob die Täter nicht auch Opfer waren. In „Und die Großen lässt man laufen“ (1972) wird ein Konzernchef erschossen, Kommissar Beck findet heraus, dass er Waffengeschäfte mit afrikanischen Staaten machte. (Das lässt an Henning Mankell denken, der sich zu ihrem Einfluss auf ihn auch bekannte.) Sie schrieben über Alkoholismus, Arbeitslosigkeit, Sexualverbrechen, Kindesmissbrauch, in „Der Mann auf dem Balkon“ auch über eine dubiose rechte Bürgerwehr. Sie setzten nicht auf Action, ließen die polizeiliche Recherche sich lange hinziehen und die Auflösung des Falles einem Zufall geschuldet sein.
Meine News
„Roseanna“, ihr Erstling, erschien auf Deutsch als „Die Tote im Götakanal“. Nun, die Tote war nackt, kühl wurde sie von Sjöwall/Wahlöö beschrieben, 1965 fand das noch manche Leserin, mancher Leser degoutant. Und langweilig die akribische Polizeiarbeit; übrigens recherchierte das Autorenpaar gründlich, größtmöglicher Realismus war sein Ziel. Was heute selbstverständlich erscheint, sie haben es erfunden.
Viel länger als mit Per Wahlöö lebte Maj Sjöwall allein. Am Mittwoch ist sie im Alter von 84 Jahren in Landskrona gestorben.