Eigentlich könnten die Deutsche-Bahn-Vorstände, mit ihnen alle Eisenbahnerinnen und Eisenbahner und auch die Politik gerade ein Jubiläum feiern: Zum Jahresbeginn 1994 wurde aus der alten Bundesbahn – damals frisch verbunden mit der Reichsbahn der ehemaligen DDR – die Deutsche Bahn AG. Die große Bahnreform stellte den Staatsbetrieb auf neue Füße: Zum Start übernahm der Bund die Altschulden von umgerechnet 34 Milliarden Euro, und die neue Aktiengesellschaft erhielt einen Aufsichtsrat, der den Vorstand bestellte. Das Ziel: statt behäbiger Bundesbahn ein modernes Unternehmen, das die zuverlässige Mobilität seiner Kunden und Kundinnen sicherstellt.

Doch heute, 25 Jahre später, ist bei der Bahn niemandem zu Feiern zumute. Im Gegenteil. Am morgigen Dienstag erwartet Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) den Vorstandschef, Richard Lutz, zum Krisengespräch im Ministerium. Denn die schuldenfrei gestartete AG hat längst wieder einen Schuldenberg von rund 20 Milliarden Euro aufgetürmt, der inzwischen an die vom Bundestag gesetzte Grenze stößt. Die Bahn ist von ihren Pünktlichkeitszielen weit entfernt, beim Umsteigen erreicht man oft Anschlüsse nicht. Die Kundinnen und Kunden sind zunehmend unzufrieden mit der Qualität. Viele Züge sind in desolatem Zustand, Toiletten sind defekt, Wagen verdreckt, zunehmend bleiben Züge sogar unterwegs liegen. Die Bahn beschränkt die Wartung auf das Notwendigste (nicht nur aus Personalmangel) und lässt die Züge über ein marodes Schienennetz rumpeln.

All diese Probleme sind bekannt. Doch wie will man sie lösen? Die Antwort trägt das Eurozeichen: Die Bahn braucht dringend mehr Geld. Das Problem der veralteten Flotte etwa löst sich bald: Die Bahn hat neue Züge bestellt, Doppelstock-ICs und neue ICE 4. Doch die müssen bezahlt werden, und die laufenden Einnahmen reichen dafür nicht. Vom Kunden kann das nötige Kapital kaum kommen – noch teurer dürfen Fahrscheine nicht werden. Eine weitere Verschuldung am Markt ist auch keine dauerhaft gute Lösung, da mit den wachsenden Schulden die Summe steigt, die die Bahn für die Zinsen zahlen muss. Schon heute muss der Konzern einen gewaltigen Teil seines Gewinns für die Zinszahlung aufwenden.

Es lag nicht nur an Mehdorn

Die hohe Verschuldung ist ein Erbe der Ära Hartmut Mehdorn. Er war es, der als Bahnchef der frühen 2000er Jahre die Deutsche Bahn AG mit teuren Zukäufen im Ausland zum Global Player machte. Heute ist die Bahn in mehr als 130 Ländern aktiv. Doch es wäre zu einfach, allein Mehdorn die Schuld zuzuschieben. Schon sein Vorgänger Heinz Dürr – der erste Vorstandsvorsitzende der frisch gegründeten Aktiengesellschaft – verschob die Prioritäten: Er legte den Schwerpunkt vor allem auf neue Hochgeschwindigkeitstrassen, die gewaltige Baukosten verschlangen. Schnelle Punkt-zu-Punkt-Verbindungen wurden wichtiger, als Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu erhalten, per Zug auch noch in den letzten Winkel der Republik zu gelangen. Seit 1994 schrumpfte das Schienennetz um 16 Prozent. Unrentable Strecken wurden stillgelegt, Ausweichstrecken entfernt.

Mehdorns Nachfolger setzten den eingeschlagenen Kurs fort, das Inlandsgeschäft wurde weiter vernachlässigt. Selbst bei wachsenden Passagierzahlen und steigenden gefahrenen Zugkilometern wurden Personal und Wagenmaterial nicht entsprechend dem Bedarf aufgestockt, von einer Modernisierung des Schienenverkehrs (insbesondere der Digitalisierung der Schiene) gar nicht erst zu reden.