Runter vom Gas! Alles spricht für ein Autobahn-Tempolimit

22.1.2019, 06:33 Uhr
Runter vom Gas! Alles spricht für ein Autobahn-Tempolimit

© Patrick Seeger/dpa

"Gegen jeden Menschenverstand" gerichtet sei ein Tempolimit auf Autobahnen, sagte gerade Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Das muss man zweimal lesen: gegen jeden Menschenverstand.

Der Grund für seine Empörung: Es waren Überlegungen einer von seinem Ressort eingesetzten Expertenkommission durchgesickert, die Vorschläge für besseren Klimaschutz machen soll. In dem Gremium sitzen immerhin unter anderem Vertreter von IG Metall, ADAC, Volkswagen, Bahn und Umweltverbänden. Und eine Idee, die dort nur diskutiert wurde, war eben auch: ein Tempolimit auf Autobahnen.

 

Ein Schritt, der - pardon, Herr Bundesverkehrsminister - ganz und gar nicht gegen, sondern sehr wohl und sehr gut mit dem gesunden Menschenverstand zu begründen ist. Und mit einer Fülle von Argumenten. Die liegen allerdings schon seit vielen Jahrzehnten auf dem Tisch. Da bleiben sie meistens auch liegen: Denn bisher verteidigen Deutschlands Regierungen, egal welcher Couleur sie sind, hartnäckig diese erstaunliche, teils gefährliche und längst für ein Industrieland einzigartige Freiheit.

Entspannteres Fahren

Rund um uns herum setzen Staaten fest, wie schnell man auf Autobahnen maximal fahren darf. In der Regel sind das 130 km/h. Und das funktioniert in aller Regel wunderbar. Man fährt dort deutlich entspannter. Das liegt, zugegeben, auch an der Pkw-Maut, die meistens zu zahlen ist und dafür sorgt, dass etliche lieber die Landstraße nehmen. Aber es liegt auch daran, dass die allermeisten in etwa gleich schnell fahren.

Das sorgt für mehr Berechenbarkeit im Verkehr. Und es reduziert das Risiko krasser Unfälle: In Deutschland kommt es, wegen des fehlenden Tempolimits, immer wieder vor, dass Überholende das hohe Tempo von Rasern, die sich ihnen von hinten nähern, unterschätzen - und die Schnellstfahrer dann im schlimmsten Fall nicht mehr rechtzeitig bremsen können.

Das ist der Sicherheitsaspekt. Der Umweltaspekt liegt auf der Hand. Und jeder Autofahrer kennt ihn natürlich, weil die allermeisten experimentieren, was sie bei welchem Tempo an Sprit brauchen: Wer mit 120, 130 Sachen unterwegs ist, der tankt vielleicht halb so oft wie einer, der gern und immer Vollgas gibt. Und oft nicht wirklich viel schneller ist - auch das lässt sich beobachten: Da wird man von einem Raser überholt - und nach zwei, drei Stunden wieder, vom gleichen Wagen, der aber zwischendurch zur Zapfsäule musste.

Rennstrecke und Piste

Im Extremfall ähneln deutsche Autobahnen Rennstrecken, auf denen eine Art Kriegszustand herrscht. Teils nutzen Raser aus anderen Staaten den deutschen Ausnahmezustand sogar aus für echte Rennen, teils fallen "Normalraser" auf. Drängeln, blinken, Lichthupe, rechts überholen: Es sind in aller Regel Männer, die glauben, sie müssten allen zeigen, was sie unter der Haube haben. Dass das viele - nicht nur Frauen - in Angst versetzt; dass das Verständnis für solche Testosteron-Rituale sinkt: Auch das bewegt die Regierung bisher nicht einmal dazu, das Wort "Tempolimit" wenigstens auszusprechen.

Dabei gibt es inzwischen wohl eine größer werdende Mehrheit von Verkehrsteilnehmern, die aus all den genannten Gründen längst für ein Tempolimit sind. Was wiederum leider die nicht allzu gewagte These erhärtet: Sämtliche deutsche Regierungen lehnen diesen Schritt auch deswegen ab, weil die Autohersteller das auf keinen Fall wollen, mit sehr dünnen Argumenten. Sie setzen gar nicht so insgeheim auf die staatlich geduldeten Teststrecken für ihre PS-Protze. Es ist an der Zeit, diesen Irrsinn zu bremsen.

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