Präsident Emmanuel Macron hat sich für den harten Weg entschieden. 80.000 Polizistinnen und Polizisten sollen am kommenden Wochenende Frankreich vor den Gelbwesten beschützen. 80.000 teils schwer bewaffnete Männer und Frauen für voraussichtlich ähnlich viele Demonstrantinnen und Demonstranten, die mit Warnwesten bekleidet durch die Straßen Frankreichs ziehen und soziale Gerechtigkeit fordern. Macron will die Gelbwesten, diesen seit Monaten gärenden Aufstand der Enttäuschten, stärker bekämpfen

Künftig soll für auffällig gewordene Gelbwesten gelten, was bisher nur für gewaltbereite Fußballfans zutraf: Sie werden auf einer Liste geführt, dürfen sich Demonstrationen nicht nähern und wer sein Gesicht bedeckt, dem droht ein Jahr Haft.

Noch in der Neujahrsansprache hatte Macron gesagt, ihre Wut sei "tief verwurzelt" und artikuliere den Wunsch nach einer besseren Zukunft. Einige Tage später nun nennt sein Sprecher die Gelbwesten eine Bewegung von Agitatoren, die nur die Regierung stürzen wollten. Am vergangenen Samstag waren wieder rund 55.000 Menschen marschiert. Weniger zwar als noch im Dezember, aber wieder doppelt so viele wie zwischen den Jahren.

Macron sucht immer verzweifelter einen Ausweg aus diesem monatelangen Konflikt. Seine Regierung ist blockiert, kaum ein anderes Thema schafft es in die Medien, die wöchentlichen Demonstrationen und Ausschreitungen bestimmen die Agenda. Und in jedem Dorf fahren Autos herum, in denen gelbe Westen hinter der Windschutzscheibe liegen, hängen die gelben Stoffwesten über Laternenpfählen und an Pollern und Schildern am Rande von Kreisverkehren.

Französische Polizei ist besonders schwer bewaffnet

Neue Regeln für die Polizei sind allerdings eine allzu simple Antwort. Die französischen Ordnungshüter sind laut der christlichen NGO Acat, die sich gegen Folter einsetzt, ohnehin schon die am schwersten bewaffneten in Europa. Deutsche Beamte beispielsweise dürfen Wasserwerfer und Tränengas einsetzen, französische hingegen zusätzlich sechs verschiedene, teils explosive Handgranaten. Deren Einsatz soll zwar langfristig verboten werden, doch die Restbestände dürfen die Beamten in Ausnahmesituationen als letztes Mittel vor der Schusswaffe nach wie vor abfeuern. Außerdem nutzen sie die besonders umstrittenen Flashballs, Gummigeschosse, die bereits Dutzenden Menschen das Gesicht entstellt haben. "Frankreich begibt sich in eine immer größer werdende Spirale der Gewalt, anstatt auf Deeskalation zu setzen", sagt die NGO. Auch Amnesty International kritisiert eine exzessive Gewalt des französischen Staates.

Tatsächlich schaukeln sich zurzeit sowohl Gelbwesten als auch Ordnungskräfte in ihren Aggressionen hoch. Es kursieren zahlreiche Videos von Menschen, die von Flashballs getroffen wurden und andere, die zeigen, wie Beamte auf am Boden liegende Personen einknüppeln. Andererseits verbreitet die Polizei Bilder von attackierten Beamten. Laut offiziellen Zahlen wurden bis Dezember rund 1.400 Demonstranten und 700 Polizisten verletzt, das sind mehr als bei den Aufständen im Mai 1968. Zuletzt hatte sogar der ehemalige Bildungsminister Luc Ferry gefordert, Polizisten auf Demonstranten schießen zu lassen. Andere wollen die Demos lieber ganz verbieten.

Diese Härte könnte aber, das fürchten selbst einige von Macrons eigenen Abgeordneten, noch mehr Menschen auf die Straße treiben. Schließlich sind Franzosen weltweit für ihre radikalen Demonstrationen bekannt. Über deutsche Lokführerstreiks von fünf bis acht Uhr morgens lächeln sie nur. Im Nachbarland wird zur Not wochenlang gestreikt und demonstriert. Jede Französin kann wehmütig davon erzählen, wie der Generalstreik 1995, als über Wochen weder Schulen noch Züge funktionierten, ein späteres Renteneintrittsalter abgewendet hat.