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Ein paar Vorschläge, um das Internet besser zu machen

von Johnny Haeusler
Unser Kolumnist Johnny Haeusler mag es trotz aller Skandale, Datenkraken und Trollattacken immer noch, dieses Internet. Doch ein paar nicht allzu kompliziert umsetzbare Vorschläge, um das Surfen noch besser zu machen, will er heute trotzdem loswerden.

Es ist ja schon toll, dieses Internet. Was man damit alles machen kann! Ich kann einer Person eine Nachricht auf meinem Smartphone schreiben, die dann in binärer Form dreimal um die Welt geht, bevor sie Millisekunden später auf dem Display des adressierten Menschen erscheint. Egal, ob dieser direkt neben mir sitzt oder in Puerto Rico. (Das Beispiel gilt leider nicht für die noch nicht an das Internet angeschlossenen Gebiete in Mecklenburg-Vorpommern, sorry!)

Ich kann mit der Glasscheibe in meiner Hand ein Geschehen als Video live dokumentieren und potentiell die halbe Welt daran teilhaben lassen. Ich kann fast jedes Buch der Welt lesen, jeden Song hören, jeden Film schauen, beinahe jede Person erreichen, meinen eigenen Videosender starten oder mein eigenes Magazin. Ich kann Geld senden und empfangen, neue Bekanntschaften schließen, und wenn ich unbedingt will, dann kann ich sogar behaupten, die Erde sei eine Scheibe aus Schmelzkäse aus der Milch von Kühen aus Angela Merkels geheimer Zucht in Guatemala und ich werde genügend Leute finden, die das glauben. Toll!

Und trotzdem. Trotzdem gibt es so viel zu verbessern. Denn vieles, das mir Unternehmen an Dienstleistungen, Geräten oder Software anbieten, ist nur dann toll, wenn ich mich an die Unzulänglichkeiten anpasse, deren Existenz einfach überhaupt keinen Sinn macht.

E-Books sollten einfach nur das Cover des aktuellen Buchs anzeigen

Nehmen wir mal E-Book-Reader, im Grunde eine tolle Sache. Gut lesbares Display, der Akku hält tage- oder gar wochenlang, ich kann eine halbe Bibliothek in meiner Hosentasche herumtragen. Nur das Buch, das ich gerade lese, wird mir nicht angezeigt. Der Sperrbildschirm zeigt entweder Werbung, ein Notizbuch (ein Notizbuch!) oder ein anderes zufällig ausgewähltes Bild an, aber nicht das Cover des aktuell geöffneten Buches. Falls ein Hersteller von E-Book-Readern mitliest: Ich garantiere messbare Umsatzsteigerungen, sobald ein herumliegender Reader das aktuelle Buch-Cover anzeigt. Gern geschehen.

Ein weiteres Beispiel: Streaming-Apps und -Dienste für Musik. Anscheinend kommt es manchen Anbietern nicht in den Sinn, dass jemand Musik nicht nur hören, sondern auch mehr darüber erfahren möchte. Nicht einmal das ursprüngliche Release-Date eines Songs oder Albums aber erfahre ich. Stattdessen steht da tatsächlich „2003“ neben „Search and Destroy“ von Iggy Pop & The Stooges, was vermutlich das Jahr ist, in dem der Praktikant des Rechteinhabers die Metadaten zum Song in eine Excel-Liste eingetragen hat. Weitere Infos zur Aufnahme? Fehlanzeige. Produzenten? Textanalyse? Aufnahmestudio? Wann ist die jeweilige Band zum nächsten Mal in meiner Stadt? Nicht einmal einen Link zu diesen Informationen bekomme ich. Dafür aber das Cover in Briefmarkengröße und den Hinweis, dass ich mir als Iggy-Fan ja auch mal Matthew Sweet anhören könnte. Ist nämlich auch’n Typ, der singt.

Dieses Trauerspiel stoppt selbstverständlich nicht vor dem Filmbereich. Mal ganz abgesehen davon, dass man nur mit viel Mühe die unter den Blockbustern versteckten Perlen findet, sind auch hier weiterführende Informationen nur durch eigene Recherche aufzutreiben. Aber klar, die alte Internet-Eigenart der Verlinkung von Inhalten untereinander funktioniert halt auch nicht mehr, wenn die „Internet Movie Database“ zu Amazon gehört, Netflix aber nicht.

In Sozialen Netzwerken geht es darum, Werbekunden Geld aus der Tasche zu ziehen

Und dann, an ganz anderen Stellen, die ewige Debatte darum, wie man Communities in großen Sozialen Netzwerken besser organisiert. Längst wissen wir natürlich, dass es darum nur peripher geht, denn in Wahrheit ist die Aufgabe der Social Networks viel komplexer und lautet: Wie schaffen wir es, den Werbekunden möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen, durch möglichst viel Aufregung die Nutzerinnen immer wieder auf unsere Seite zu ziehen und ihnen dabei zu suggerieren, wir würden uns darüber hinaus für sie interessieren?

Gäbe es ein tatsächliches Interesse an Gemeinschaften, deren Teilnehmerinnen sich beispielsweise vor persönlichen Angriffen, Stalking oder Hate Speech schützen können, wären die Blicke auf andere, manchmal kleinere und in vielen Details besser funktionierende Communities hilfreicher, als die Rücksichtnahme auf Werbekunden. Die Apple-News-Site „Macrumors“ lagert zum Beispiel die Kommentare zu politischen Themen, bei denen es oft etwas hitziger zugeht, in einen speziellen Forumsbereich aus, in dem nur diejenigen Community-Mitglieder schreiben dürfen, die genügend Punkte in einem Bewertungssystem gesammelt haben. Das verhindert Schnellschuss-Pöbeleien von vorbeistreunenden Trollen – hoch her geht es trotzdem, aber auch mit dem Blick auf die eigene Reputation.

Um bei Communities zu bleiben: Warum kann ich bei Twitter nicht auch ohne auf „privat“ gestellten Account für jeden einzelnen Tweet auswählen, wer diesen lesen kann (alle oder nur die Personen, denen ich auch folge)? Und wieso kann ich Retweets und Replies durch bestimmte Personen nicht unterbinden? Das schützt nicht vor weiterverbreiteten Screenshots, wäre aber ein Anfang. Und um auch auf kleinere Verbesserungsvorschläge für Facebook einzugehen: Wieso gibt es das überhaupt noch?

Es bleibt trotzdem dabei, das Internet ist eine prima Sache. Und dass es immer noch viel zu korrigieren gibt, bedeutet ja nur: Es kann nur noch besser werden.

Nachtrag: Wie mir einige Nutzerinnen mitgeteilt haben, stellen die E-Book-Reader "Kobo" und einige ältere Modelle von SONY das Cover des aktuell gelesenen Buches auf dem Bildschirm im Ruhezustand dar.

Johnny Haeusler

Johnny Haeusler

von GQ

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