Architekturkritiker
Gelungen und misslungen: Ein brandehrlicher Rundgang durch Architektur-Basel

Der Architekt Lukas Gruntz hat sich einen Namen als scharfer Beobachter und unerschrockener Kritiker der Basler Architektur gemacht. Auf einem Spaziergang mit der Schweiz am Wochenende beschreibt er fünf gute und fünf schlechte Gebäude in der Stadt.

Patrick Marcolli
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Lukas Gruntz von «architekturbasel» und Patrick Marcolli, Chefredakteur bz bei der Architektur-Beurteilung

Lukas Gruntz von «architekturbasel» und Patrick Marcolli, Chefredakteur bz bei der Architektur-Beurteilung

Roland Schmid

Es ist ein trüber Mittwoch, an dem wir Lukas Gruntz zum kleinen Architekturspaziergang treffen. Trübes Wetter macht schlechte Architektur noch schlechter und für gute braucht man ein noch besseres Auge. Lukas Gruntz, Jahrgang 1989, hat dieses Auge. Er ist als Architekt in Basel tätig und betreibt seit 2015 in einem Kollektiv den Blog architekturbasel.ch. «Unser Ziel besteht darin, das facettenreiche Architekturgeschehen in und um Basel zu dokumentieren und zu kommentieren», sagt Gruntz. Der Blog sei Newsportal und Baugedächtnis zugleich.

«Wir wollen insbesondere ein Schlaglicht auf wenig bekannte, junge Architekturbüros werfen.»
Wir möchten mit Lukas Gruntz einen Stadtspaziergang machen und bitten ihn um fünf Beispiele für aus seiner Sicht gelungene und fünf für misslungene Architektur in Basel. Heraus kommt ein bunter Strauss an Gebäuden. Ein paar davon gehören zum gängigen Stadtbild. Einige aber sind Trouvaillen, deren Beurteilung nach einem geübten Auge verlangt. Interessant ist, dass Gruntz mit Ausnahme der Elisabethenkirche und zwei Beispielen aus dem 21. Jahrhundert ausschliesslich Bauten auswählt, die zum Ende der Hochkonjunktur der sechziger Jahre oder bald danach gebaut wurden. Für Basel als Architekturstadt gilt die Zeit der sechziger und siebziger Jahre allgemein als ein Problem: In aller Regel entstanden damals Gebäude, deren Gestaltung reinem Profitdenken entsprang. Unser Rundgang zeigt aber: Es gibt sie auch, die guten Beispiele aus jenen Tagen. Und auf die heutige Situation bezogen, da mehr gebaut wird denn je: Mit einem guten Konzept, das nicht unbedingt teuer sein muss, lässt sich gute und nachhaltige Architektur machen.

Auch das «White Plaza» thematisiert Lukas Gruntz. Es wurde 1998 anstelle der berühmten Schlotterbeck-Garage gebaut. Ein grosser Teil der bz-Redaktion arbeitet in diesem Gebäude, das Gruntz «verkopft und überdesignet» findet. Dies löst in der Redaktion Diskussionen aus. Solche soll auch unser architektonischer Stadtrundgang bei der Leserschaft bewirken.

1. Hebt sich ab – Wohnhaus an der Dornacherstrasse 174

Roland Schmid

«Rolf Müller hat dieses Haus 1970/71 gebaut. Es hebt sich deutlich ab von der banalen Architektur der Hochkonjunktur. Hochwertiger, fein geschalter Sichtbeton und das langlebige Mahagoni-Holz der Fenster bestimmen das Bild von aussen. Die Erker, Balkone und Beton-Pflanztröge verleihen dem Haus eine skulpturale Kraft, der Fassade Tiefe.»

2. Optmistisch und kräftig – ein Plädoyer für den «Rostbalken»

Roland Schmid

«Das Postbetriebsgebäude 2» von Suter + Suter aus dem Jahr 1980 hat einen schlechten Ruf, es wird auch Rostbalken genannt. Ich finde aber, dass es Kraft und Optimismus ausstrahlt, ohne überschwänglich zu sein – und ausserdem gut altert. Hoffentlich bleibt das Gebäude erhalten.»

3. Wie ein UFO beim Bahnhof – das BIZ-Hochhaus

Roland Schmid

«Das BIZ-Hochhaus von Burckhardt & Partner von 1976 ist fremd, fügt sich nur bedingt in seine Umgebung ein, wirkt wie ein beim Bahnhof gelandetes Ufo. Der späte, etwas formalistische International Style, in dem es gebaut wurde, deutet den Übergang zur Postmoderne an. Gut oder schlecht? Ich bin diesem Gebäude gegenüber ambivalent eingestellt.»

4. Reaktionär im Stil und unnötig – die Elisabethenkirche

Roland Schmid

«Sie ist ein eigenartiges Denkmal für Christoph Merian, die Elisabethenkirche. Sie war schon damals, 1865, ein unglaublich konservatives, ja reaktionäres Gebäude im neogotischen Stil, das sich schlecht in den Stadtraum einfügt. Ich würde keine Träne vergiessen, wenn man diese Kirche abreissen würde.»

5. Verkopft und übergestaltet – das «White Plaza»

Roland Schmid

«Richard Meier war einer der ersten Star-Architekten. Sein White Plaza an der Viaduktstrasse von 1998 ist viel zu verkopft und überdesignet, im negativen Sinn introvertiert. Mit dem Ort, an dem es steht, kommt es nicht zusammen. Kein Wunder, trauern viele immer noch dem Schlotterbeck nach.»

6. Rational und doch verspielt – das alte Biozentrum

Roland Schmid

«Es ist ein sehr rationales Gebäude, das alte Biozentrum von Burckhardt & Partner von 1968/71. Doch abseits davon strahlt es eine rhythmische Verspieltheit und gewisse Leichtigkeit aus. Dass der Bau nach nur 50 Jahren Existenz bald weichen muss, ist schade.»

7. Kräftig, anspruchsvoll – Haus an der Klingelbergstrasse 7

Roland Schmid

«Die erste Frage zu diesem Gebäude: Wer kann mir mehr Informationen dazu geben? Mir gefällt dieses Wohnhaus ausserordentlich gut. Mit dem geriffelten Beton, den senfgelben Fensterrahmen und der braunen Keramik als glattem, robustem Kontrast, tritt das Haus in einen schönen Dialog zum Aussenraum, der stark befahrenen Klingelbergtrasse. Wer war die Architektin?»

8. Allzu distanziert und glatt – die Erweiterung des Klinikum 1

Roland Schmid

«Die Erweiterung des Klinikum 1 an der Spitalstrasse von Silvia Gmür und Livio Vacchini (2003) spricht die super abstrakte, minimalistische Sprache der Glas-Architektur jener Zeit. Im städtischen Raum, an dieser Ecksituation aber, wo eine Interaktion zwischen Gebäuden und Menschen entstehen soll, wirkt das auf mich zu selbstbezogen und distanziert.»

9. Heroisch in der Haltung – Wohnhaus am Klingentalgraben 5

Roland Schmid

«Ich freue mich jedes Mal über dieses Gebäude von Max Schnetz von 1971.
Mit seinem Charakter des «Beton brut» strahlt es eine heroisch-zeitlose Haltung aus. Es hat gute Proportionen und wirkt mit wenigen, klaren Formen grosszügig: Schön brutal, brutal schön.»

10. Langweilig, spannungslos – wo ist das neue Spital?

Roland Schmid

«Die verputzte Fassade wirkt hohl und ohne Haptik, wie bei einem durchschnittlichen Wohnungsbau, die Detailgestaltung ist konventionell: Mich enttäuscht der Neubau des Felix Platter-Spitals von Wörner Traxler Richter (Frankfurt) und Holzer Kobler (Zürich). Man steht an der Ecke Luzernerring/Burgfelderstrasse und fragt sich: Wo ist hier das Spital?»