DSGVO :
Selbst Anwälte sind ratlos über die neuen Datenschutzregeln

Von Bastian Benrath
Lesezeit: 3 Min.
Welche Datenschutz-Pflichten haben Konzerne jetzt? Darüber wissen selbst die Anwälte nicht Bescheid.
Die DSGVO lässt selbst Juristen ratlos zurück: Welche Datenschutz-Pflichten haben Konzerne jetzt? Die Unsicherheit dürfte ein Grund dafür sein, dass die befürchtete Abmahnwelle bisher ausgeblieben ist.

Fast einen Monat gilt die neue europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) inzwischen – die befürchtete Welle von Abmahnungen ist aber bislang ausgeblieben. Ein Grund dafür ist anscheinend, dass selbst die zuständigen Juristen noch unsicher sind, wie die neue Verordnung auszulegen ist. Das jedenfalls sagt ein Kenner der Branche: „Die befürchtete Abmahnwelle ist bislang vermutlich ausgeblieben, weil Unternehmen und ihre Anwälte selbst noch nicht sicher genug wissen, was nun genau die neue Rechtslage ist“, sagt Christian Schefold, Rechtsanwalt der internationalen Großkanzlei Dentons, im Gespräch mit FAZ.NET.

Wenn sich Unternehmen ihren Datenschutz-Pflichten entziehen, können Konkurrenzunternehmen sie abmahnen. Denn wer sich nicht die Mühe macht etwa eine Datenschutzerklärung aufzusetzen, spart so Ressourcen und erlangt einen Wettbewerbsvorteil gegenüber einem Mitbewerber, der sich an die Regeln hält – so der juristische Gedanke. Dafür beauftragen die Unternehmen Rechtsanwälte. Wenn die sich aber nicht sicher sind, wie genau die Regeln auszulegen sind, gibt es ein Problem. „Eine unberechtigte Abmahnung ist selbst ein Wettbewerbsverstoß, kann zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen und damit teuer werden“, erklärt Schefold. „Nur wenige wollen das Prozess- und Kostenrisiko tragen und ihre Auffassung vom Datenschutz vor Gericht bis zu letzten Instanz durchfechten.“

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Als Beispiel nennt Schefold die in der DSGVO festgeschriebene Pflicht, Nutzer über eine Datenerhebung zu informieren. Nach Artikel 13 der DSGVO sei jedes Unternehmen, das personenbezogene Daten verarbeitet, verpflichtet, die Betroffenen mit Mindestinformationen zu versorgen. Nur: „Wie weit gehen die Mindestinformationen? Wo sind diese Informationen anzugeben? Muss das auf der Website sein? Reicht ein Hinweis in einer Email bei einem ersten Geschäftskontakt? Oder genügt schon ein Aushang im Firmengebäude?“, listet der Anwalt auf. Über all diese Punkte gebe es Unsicherheiten.

In den Fällen von kostspieligen Anwaltsschreiben, die es bislang gibt, wurden mit Verweis auf DSGVO-Verstöße neben einer Unterlassungsklärung auch eine Zahlung in Höhe von 300 Euro bis 700 Euro verlangt. Doch bislang gibt es davon noch nicht viele Fälle. Das hat SPD und Union aber nicht davon abgehalten, sich Anfang Juni gegenseitig mit Vorschlägen zu überbieten, wie man gewerbsmäßigen Abmahnern das Handwerk legen könnte.

Seitdem ist es etwas stiller geworden um die DSGVO. Doch aufgeschoben sei nicht aufgehoben, mahnt Schefold. „Die Abmahnwelle wird dann kommen, wenn die ersten klaren Entscheidungen insbesondere von Gerichten aber auch von den Landesämtern für Datenschutz vorliegen, die die Anwendung der DSGVO präzisieren.“

Unterschiedliche Rechtsauffassungen in Europa

Doch auch dann wird die Unsicherheit wohl noch eine Weile andauern. Denn die Verordnung gilt in ganz Europa. Damit sind Urteile aus allen EU-Ländern eigentlich europaweit anwendbar, auch in Deutschland. „Was machen Sie, wenn ein irisches Gericht es für ausreichend hält, dass der Datenschutzhinweis bei einem Geschäftskontakt per Email zugeschickt wird, ein deutsches Gericht aber urteilt, er müsse deutlich sichtbar auf der Website veröffentlicht werden?“, fragt Schefold. „Es wird sehr lange brauchen, bis der Europäische Gerichtshof hier endgültig einheitliche Maßstäbe setzt.“

Kommen dann die bösen Anwaltsschreiben, könnte das insbesondere für den Mittelstand schwerwiegende Folgen haben. Denn während Großkonzerne Kapazitäten und Erfahrungen haben, um sich mit dem Thema Datenschutz auseinanderzusetzen, stehen kleinere und mittlere Unternehmen oft ratlos da. Zugleich können ihnen unvorhergesehene Anwaltsgebühren direkt einen deutlich größeren Anteil des Umsatzes vernichten, als Großkonzernen. Allerdings: Unternehmen – kleine wie große – wussten seit zwei Jahren, was auf sie an neuen Datenschutzregeln zukommt.