Die Diskussion um Umfeldqualität im Fernsehen ist in letzter Zeit sowohl in der Fachpresse  als auch in den persönlichen Gesprächen mit Werbetreibenden häufiger als in der Vergangenheit aufgetaucht. Zu viel Altes, zu wenig Neues - und über die Qualität müsse man auch mal sprechen. So ganz konkret wird es dabei nicht, aber so ist die ernst zu nehmende Wahrnehmung.

Und: Ich sehe das ausdrücklich anders! Nicht nur als Vermarkter, sondern auch als TV-Liebhaber, möchte ich gerne diese inhaltliche Diskussion führen.

Die Sache mit den Dauerbrennern

Über viele Primetime-Abende hinweg finden wir Formate wie DSDS, GNTM, "The Voice", "Let’s Dance", "Das Supertalent" oder "Der Bachelor". Diese Formate nehmen tatsächlich viele Programmplätze ein, was sicherlich die Wahrnehmung "Alles beim Alten!" prägt. Der Neuigkeitswert für die Werbewirtschaft ist hier in der Tat eher gering und es stellt sich unweigerlich ein Déjà-vu ein. Schon wieder DSDS! Warum ist das so?

Die Zuschauer fühlen sich offensichtlich gut davon unterhalten, anders lassen sich die hohen Reichweiten bei dem starken Wettbewerb und der hohen Fragmentierung nicht interpretieren. Schließlich üben die GfK-Boxen keinen telepathischen Einschaltzwang in den Testhaushalten aus. Auch wenn die Reichweiten einiger dieser Formate gesunken sind, so nehmen sie in den jährlichen Zuschauercharts immer noch Spitzenplätze ein.

Und jetzt mal Hand aufs Herz: Welcher Werbetreibende oder welcher Händler würde denn seine Topseller aus dem Programm nehmen, nur weil diese ein bisschen älter sind und zu wenig Neuigkeitswert haben? In meinem Supermarkt finde ich immer noch die Maggi-Würze, bei Douglas kann ich mich nach wie vor mit Cool Water einduften lassen und auch Hanuta erfreut heute wie damals die Konsumenten.  Viele dieser Produkte sind im Lauf der Jahre weiterentwickelt worden.

Nichts anderes machen die Sender mit den Formaten. Sie werden von Jahr zu Jahr angepasst, mal mit kleineren und mal mit größeren Veränderungen. Im Werbesprech würde das wahrscheinlich heißen: "Jetzt mit neuer Rezeptur." Die mag nicht allen schmecken, aber einem sehr großen Teil der Zuschauer (und mir häufig auch) halt schon.

Diese Sendungen gleichen unser Produktportfolio aus, geben Werbetreibenden wie uns Sicherheit und machen neue innovative Programmexperimente und –risiken auch erst möglich.

Neues aus der Entwicklungsküche

Was mich wirklich ärgert, ist der immer wiederkehrende Vorwurf, dass das Free-TV kaum neue Programme entwickelt und ausstrahlt. Denn das stimmt nicht. Neue Programme kommen jedes Jahr zuhauf. Auf begehrten Primetime-Plätzen und nicht versteckt im Nachtprogramm.

Ist davon jedes Programm gelungen?

Nein, natürlich nicht. Aber die Sender haben kontinuierlich in den letzten Jahren neue inhaltliche Pflöcke eingeschlagen und waren dabei durchaus mutig. Bei RTL wurde 2016 mit "Ninja Warrior" der Trend der Physical Challenge Show in Gang gesetzt und mit "Big Bounce" 2018 noch eins drauf gesetzt hat, der deutschen Serie mit "Sankt Maik", "Der Lehrer", "Beck is Back" und vielen anderen Produktionen wieder eine Heimat gegeben und das Genre der deutschen Sitcom mit "Magda macht das schon" und "Beste Schwestern" neu belebt.

Bei Vox traute man sich mit "Club der roten Bänder" an eine Primetime-Serie über krebskranke Kinder heran, erfand mit "Kitchen Impossible" und "Knife Fight Club" das Genre der Kochshow neu, hat das Musik-Fernsehen mit Sing meinen Song wieder außerhalb von Casting-Sendungen belebt und mit DHDL ein massentaugliches Business-Format gelauncht. Ganz aktuell interpretiert man mit First Dates das Thema Dating komplett neu.

Das ist aber nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was in den letzten Jahren On Air gebracht wurde. Man kann diese Auflistung bei den Sendern der Mediengruppe RTL Deutschland, aber auch bei der Konkurrenz durch zahlreiche Formate erweitern. Und die Anzahl an Neuentwicklungen wird noch zunehmen.

Die Risikobereitschaft ist zudem in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Das zeigt sich alleine daran, wie viele neue Fiction-Serien die Sender direkt in Staffeln mit mindestens 10 Folgen produzieren lassen. Das gibt den Autoren mehr Möglichkeiten, Figuren und Inhalte über eine längere Strecke zu entwickeln. 

Ist TV dabei innovativ genug? Dafür muss man erst einmal den Begriff Innovation definieren. Ist eine Produktdiversifikation von Schokoriegeln in Pralinen innovativ? Und wie wichtig ist das, wenn die Pralinen dann nachweisbar ihre Abnehmer finden und damit den Nerv der Konsumenten treffen? Am Ende macht es aber natürlich die Mischung, und da muss ohne Frage auch wahrgenommene Innovation dabei sein.

Die Frage nach der Qualität

Über diesen Punkt kann man wahrscheinlich am ehesten diskutieren. Das liegt aber daran, dass sich die Frage stellt, woran man Qualität festmachen möchte. Ist es eine komplexe Handlungsdramaturgie, wie wir sie oft bei fiktionalen Serien bei Netflix sehen?

Nein, hoch komplex sind die meisten TV-Programme wahrlich nicht. Das können wir uns als Vermarkter eines Reichweitenmediums auch gar nicht leisten, da dies zu viele Zuschauer ausschließt, die sich nach entspannter und leichter Unterhaltung sehnen und damit dem Wunsch der Werbetreibenden entgegensteht, hohe Reichweiten für ihre Kampagnen nutzen zu wollen. Ob das tatsächlich bei Netflix funktioniert? Wer weiß, offizielle Zahlen gibt es dazu ja nicht.

Leitet sich die Qualität aus den Investitionen in das Programm ab? Da brauchen wir uns bei der RTL-Familie wirklich nichts vorwerfen. Über eine Milliarde Euro investiert die Mediengruppe RTL jährlich in Programm – in Shows, Serien, Informationsprogramme, Sport und Lizenzware. Wir wissen, dass Qualität Geld kostet, entsprechend wird investiert.

Oder macht sich Qualität an der ethischen Diskussion einiger Formate wie Schwiegertochter gesucht fest? Darüber kann man in der Tat streiten. Solche Formate prägen stark das Image eines Senders und damit die Wahrnehmung der Werbetreibenden, machen aber tatsächlich nur einen kleinen Bruchteil des Programms aus. Bei der diesjährigen Grimme-Preis-Nominierung im Bereich Unterhaltung wurden Privatsender übrigens fünf Mal gelistet. Vielleicht ist das ja auch ein Qualitätsmerkmal.

Wir brauchen also das Alte, für die sicheren hohen Reichweiten und als planbare Umfelder für die Markenkommunikation.

Wir brauchen das Neue, um immer wieder attraktiv und überraschend zu sein.

Und wir brauchen das alles in einer hohen Qualität.

Aus meiner Sicht als TV-Junkie machen die Fernsehsender hier nicht alles, aber vieles richtig. Und das ist kein Bauchgefühl, sondern unterstützt von den harten Fakten der GfK. Das deutsche Fernsehen ist zudem auch qualitativ eines der Besten der Welt, wie uns Experten immer wieder bescheinigen. Besser geht natürlich immer, und da arbeiten die Sender hart daran. Für die Zuschauer und für die Werbekunden.


Autor: W&V Gastautor:in

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