FORSCHUNG LEBEN Nr. 10: Fokus Europa

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Höchstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart (HLRS) und technischer Projektkoordinator des Center of Excellence for Global Systems Science (CoeGSS), an dem das HLRS maßgeblich beteiligt ist. Die Wissenschaftler des CoeGSS arbeiten daran, den Weg zu verlässlichen Simulationen komplexer Szenarien weiter zu ebnen.

schiedlichen Herangehensweisen der Disziplinen wie IT und Sozialwissenschaft zusammenzubringen.“ Allen gemeinsam war jedoch recht schnell klar, dass es nicht zielführend sein würde, einfach große Mengen Daten zu erfassen und diese in einem beliebigen Rechenmodell auf den Superrechner zu leiten. „Probleme lösen sich nicht allein durch Rechenleistung“, betont Koller. Schlimmstenfalls werde der Rechner vielmehr in seiner Leistung konterkariert. Koller gibt ein Beispiel: „Wir können jederzeit ein Auto mit fünf Rädern berechnen, aber das ergibt natürlich keinen Sinn.“ Daher steht im Kern der Überlegungen immer die Frage nach den Auswirkungen: „Unsere Simulationen sollen Abbildungen der Realität sein, daher sind die Datenqualität und die Güte des Modells absolut entscheidend.“ Nur ein Kriterium von vielen Um herauszufinden, welche Daten ein Rechenmodell benötigt und wie es beschaffen sein muss, konzentrierten sich die CoeGSS-Forscher auf drei einfache Szenarien, die bereits relativ gut erforscht sind, um sie in der Simulation nachzubilden. Unter dem Stichwort „Green Growth“ („Grünes Wachstum“) untersuchten sie zum Beispiel, welche Faktoren zum Kauf eines Elektroautos bewegen. Wenn man simulieren könne, in welcher Stadt ein großer Zuwachs an E-Autos zu erwarten sei, ließen sich die entsprechenden Rückschlüsse auf die benötigte Infrastruktur ziehen, erklärt Koller. Auf einer guten Datengrundlage reale Entwicklungen nachzubilden und so festzustellen, welche Daten und Parameter entscheidend sind, ist für Koller der richtige Weg, um die Modelle zu verfeinern. Dass die Europäische Kommission das Projekt mit einer Finanzierung in Höhe von 4,5 Millionen Euro ausstattete, verdeutlicht das große Interesse an solchen Simulationen. So bekundeten Koller zufolge auch bereits Regierungsbehörden Interesse an Simulationen zur Entwicklung von Flüchtlingsströmen, die in

einem Folgeprojekt erarbeitet werden sollen. Bis zur konkreten Anwendung solcher Simulationen werden noch einige Jahre vergehen. Und selbst dann werden sie nicht das alleinige, sondern eines von mehreren Entscheidungskriterien für daraus abgeleitete Maßnahmen sein. „Eine hundertprozentige Wahrscheinlichkeit werden wir nicht erreichen, aber wir arbeiten daran, sie so hoch wie möglich ausfallen zu lassen“, fasst Koller zusammen. So wird der Stellenwert an Simulationen zwar wachsen, doch bleiben errechnete Ergebnisse auch langfristig eine von mehreren Grundlagen menschlicher Entscheidungen. Jens Eber

FORSCHUNG LEBEN  10. 2018

Foto: Universität Stuttgart/Max Kovalenko

Dr. Bastian Koller ist Geschäftsführer des


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