Zum Abgang bei der „Bild“ :
Bleiernes Jahr

Michael Hanfeld
Ein Kommentar von Michael Hanfeld
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Die scheidende Chefredakteurin der „Bild“: Tanit Koch.
„Bild“-Chefredakteurin Tanit Koch wirft das Handtuch und freut sich auf neue Abenteuer – dabei hat sie gerade erst eines hinter sich gebracht.

Lange hat die Konstruktion nicht gehalten: Im Januar 2016 übernahm Tanit Koch die Chefredaktion der „Bild“-Zeitung. Im Februar 2017 wurde Julian Reichelt, der für „Bild online“ zuständig war, zu einer Art Super-Chefredakteur, bei dem die Fäden der „roten Gruppe“ des Springer-Verlags zusammenliefen: „Bild“, „Bild am Sonntag“, „B.Z.“, online und gedruckt. Nun, zum Ende dieses Monats, wirft Tanit Koch das Handtuch.

Sie macht kein Hehl aus dem Grund: „Es hat in der Konstellation schlicht nicht funktioniert“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. In einer E-Mail an die Kollegen wurde sie deutlich: „Wenn zwei Menschen professionell nicht harmonieren, lässt sich das eine Zeitlang durch Kompromisse ausgleichen. 2017 war davon geprägt, bis meine Kompromissbereitschaft an ihre Grenzen gelangte.“ Ihr sei klargeworden, dass sich „Bild“ nicht durch Kompromisse auszeichne, sondern durch Klarheit. Die Klarheit gibt es nun: Julian Reichelt übernimmt die Aufgaben von Tanit Koch künftig mit. Dem Vernehmen nach soll er das allerdings auch zuvor schon so gehalten haben. So durfte sich Tanit Koch, kaum dass sie Chefredakteurin war, zur Assistentin degradiert gesehen haben. Den Job freilich hatte sie als frühere Bürochefin und Vertraute des „Bild“-Chefs Kai Diekmann längst hinter sich. Schon 2013 war sie stellvertretende Chefredakteurin geworden, womit Springer auch für Frauen in Führungspositionen ein Zeichen setzte: Tanit Koch führte „Bild“, für „Bild am Sonntag“ ist Marion Horn verantwortlich, für die „B.Z.“ Miriam Krekel.

Als Rückschlag in dieser Hinsicht will Tanit Koch ihre Kündigung aber nicht interpretiert sehen. Bei Springer seien „Chefredakteurinnen längst Normalität“. Zu dieser Normalität gehöre auch, dass „Frauen – wie Männer – Führungspositionen wieder verlassen“. Tanit Koch, geboren 1977 in Konstanz, aufgewachsen in Bonn, hat Politik und Jura studiert. Bei Springer legte sie eine steile Karriere hin. 2005 begann sie als Volontärin, elf Jahre später war sie Chefredakteurin und bewies, dass man(n) beziehungsweise frau es auch ohne Alphatiergehabe, das ihr vollständig abgeht, nach ganz oben bringen kann, bis sie in die Mühle geriet, die der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner in der Mitteilung des Verlags als „Verantwortungskonstellation“ beschreibt – die gut gemeint gewesen sei, aber nicht funktioniert habe. Döpfner ist für Tanit Koch zum Abschied des Lobes voll, und das dürfte ernst gemeint sein. Der Verlag hatte ihr, wie zu hören ist, verschiedene Positionen angeboten, um sie zu halten. Julian Reichelt hob vor der Redaktion hervor, Tanit Koch und er seien sich in einem stets einig gewesen: in der Loyalität zu und dem Einsatz für „Bild“. In diesem Sinne fasse er ihre Abschiedsworte auf. Sie gehe „mit einem Lächeln“, schreibt Tanit Koch in ihrer Mail. Sie freue sich auf das „nächste Abenteuer“. Die „Verantwortungskonstellation“ des vergangenen Jahres dürfte Abenteuer genug gewesen sein.