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Neue Datenschutzregeln "Es wird kein Pardon geben"

Ab Ende Mai gelten in Europa neue Regeln für den Datenschutz. Der EU-Parlamentarier Jan Philipp Albrecht warnt Unternehmen, die noch immer schlecht vorbereitet sind, vor harten Sanktionen.

Es ist ein sperriger Begriff, doch es geht um viel. Wenn am 25. Mai die neue Datenschutzgrundverordnung der EU vollständig in Kraft tritt, haben die Nutzer weitreichende Klagemöglichkeiten gegenüber Unternehmen. Zudem müssen die Firmen ihren Umgang mit persönlichen Daten transparenter machen.

In Deutschland ist Studien zufolge erst rund die Hälfte der Firmen vorbereitet, vorige Woche schlug die EU-Kommission Alarm. Der EU-Parlamentarier Jan Philipp Albrecht (Grüne) war einer der führenden Köpfe hinter dem Regelwerk. Hier berichtet er, wie er die Situation einschätzt.

Zur Person
Foto: European Union 2016 EP

Jan Philipp Albrecht, Jahrgang 1982, sitzt seit 2009 für die Grünen im Europaparlament und ist dort Vizechef des Innen- und Justizausschusses. Zu den Schwerpunkten des deutsch-französischen Juristen gehören Fragen des Europarechts und der Schutz der Bürgerrechte.

SPIEGEL: Am 25. Mai beginnt geradezu eine neue Zeitrechnung beim Datenschutz. Aber viele Unternehmen scheint das kaum zu interessieren.

Albrecht: Vom ersten Tag an können die Bürger auf stärkere Datenschutzrechte pochen und sie einklagen. Ich schaue dem Termin gelassen entgegen. Aber es gibt viele, die das nicht tun sollten. Alle Unternehmen, die es noch nicht geschafft haben, sich auf die neue Rechtslage einzustellen, sollten das jetzt dringend tun.

SPIEGEL: Gerade viele kleine und mittlere Firmen hinken hinterher. Droht den Unternehmen eine Klagewelle?

Albrecht: Es sollte ihnen jedenfalls klar sein, dass ihnen sowohl gerichtliche Verfahren als auch Verfahren der Datenschutzbehörden drohen. Da wird es kein Pardon geben. Behörden und Gerichte sind verpflichtet, das neue Recht anzuwenden und auch Sanktionen zu verhängen, die schmerzhaft sein können - immerhin bis zu vier Prozent vom weltweiten Umsatz.

SPIEGEL: Einige scheint das nicht abzuschrecken. Es gibt einen harten Kern bewusster Verweigerer. Was sagen Sie denen?

Albrecht: Sie gehen ein enormes Risiko ein, und das halte ich schon rein betriebswirtschaftlich für eine schlechte Entscheidung - sie kann zu einer Gefahr für das gesamte Unternehmen werden. Sehen Sie sich die Strafen der US-Umweltbehörde gegen VW oder die der EU-Wettbewerbsbehörde gegen Google an. Das kostet die Firmen nicht nur Milliarden, sondern verursacht einen schweren und bleibenden Imageschaden.

SPIEGEL: Die Verordnung sollte nach den Snowden-Enthüllungen die Privatsphäre europäischer Bürger gegenüber den großen US-Plattformen besser schützen. Verhalten die sich ähnlich renitent?

Albrecht: Interessanterweise scheinen sie deutlich weiter zu sein als manche europäischen Unternehmen. Viele machen unser neues europäisches Recht zu ihrem globalen Standard für ihren Umgang mit personenbezogenen Daten und ihren internen Prozessen - sicher auch wegen der Marktmacht des europäischen Binnenmarkts. Facebook hat voriges Wochenende beispielsweise eine neue Seite für die Privatsphäre-Einstellungen gestartet - das ist ein Fortschritt und eine direkte Folge unseres neuen Rechtsrahmens.

SPIEGEL: Was ist mit den Briten? Sie müssten ja noch mit von der Partie sein.

Albrecht: Zumindest die britische Regierung handelt hier leider ähnlich kurzsichtig wie in anderen Rechtsbereichen und hält sich bei der Umsetzung auffallend zurück. Sie hofft offenbar, davon zu profitieren und neue Allianzen schmieden zu können. Das wird aber nicht funktionieren, denn de facto hat sich unser Standard gerade bei den großen US-Unternehmen schon durchgesetzt.

SPIEGEL: Der Oberste US-Gerichtshof verhandelt gerade die Forderung amerikanischer Behörden wie dem FBI, auf europäischen Servern auf Daten von Verdächtigen zugreifen zu können. Sollte das Gericht dem stattgeben, konterkariert das wichtige Teile der Verordnung…

Albrecht: Das würde Unternehmen wie Microsoft, das in dem Verfahren betroffen ist, in eine unmögliche Position bringen. Wenn der Supreme Court so urteilen sollte, muss das Unternehmen entscheiden, ob es in den USA Gefängnisstrafen riskiert oder in Europa Milliardensanktionen, denn die Weitergabe auf Anordnung von Drittstaaten ist in der Verordnung ausdrücklich untersagt. Für US-Unternehmen würde das einen Riesenwettbewerbsnachteil auf dem auch für sie wichtigen europäischen Markt bedeuten. Das kann bis zur Frage gehen, ob sie in Europa dann überhaupt noch tätig sein können. Ich hoffe, das ist den US-Richtern bewusst.