Fahrerlose, vernetzte Transportsysteme Cloud Navigation: Vorfahrt für Roboter in der Industrie 4.0

Autor / Redakteur: Dr. Dietmar Müller / Florian Karlstetter

Noch kurz vor Weihnachten hat eine ausgefuchste Idee den 3. Preis auf dem 25. Innovationstag des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA erhalten: eine Cloud-basierte Navigation für fahrerlose Transportsysteme. Hört sich zunächst einmal unscheinbar an, ist aber raffiniert, denn sie definiert eine selbstständige Steuerung von Robotern über die Cloud.

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Auf dem Weg zur Industrie 4.0: Cloud-basierte Navigation für fahrerlose Transportsysteme.
Auf dem Weg zur Industrie 4.0: Cloud-basierte Navigation für fahrerlose Transportsysteme.
(Bild: © magele-picture - stock.adobe.com)

Und das war auch nötig: Die Idealvorstellung von der Industrie 4.0 ist ja eine Fabrikhalle, in der die verschiedenen roboterartigen Maschinen miteinander kommunizieren, um maximal effektiv die gewünschten Produkte zu erzeugen. Das Problem: Die sogenannten „fahrerlosen Transportsysteme“ (FTS) sind heutzutage in den allermeisten Einsatzumgebungen noch immer starre Installationen, sie folgen in der Regel fix vorgegebenen Routen.

Informationen über die jeweilige Einsatzumgebung erhalten sie durch eine Vielzahl an Sensoren. Stellt sich ihnen ein Hindernis in den Weg, dann gehen die Roboter auf Nummer Sicher und bleiben stehen. Besser wäre es aber, wenn die FTS flexibel reagieren und sich selbstständig eine Umleitung suchen könnten. Dafür müssten sie aber einen Überblick über die Werkhalle mit ihren vielen variablen Elementen haben. Und hier kommt die Cloud ins Spiel.

Das Forscherteam Felipe Garcia Lopez, Stefan Dörr und Jannik Abbenseth mit ihrem Gruppenleiter Dr.-Ing. Kai Pfeiffer haben fahrerlose Transportfahrzeuge sowie die externen Laserscanner einer Werkhalle über eine Cloud miteinander vernetzt. Pfeiffer erläutert: „Diese ‚Cloud Navigation‘ ermöglicht die kooperative Kartierung und Pfadplanung über einen zentralen Navigationsserver. Er berechnet die Bahnen jedes einzelnen Fahrzeugs und bessert umgehend nach, wenn er ein Hindernis registriert.“ Bislang kam es immer wieder vor, dass sich zwei Roboter, die sich im Wege standen, gegenseitig schachmatt setzten – keiner bewegte sich mehr, weil ja ein Hindernis im Weg stand.

Spontane Reaktion auf Hindernisse

Besser wäre es, wenn die Roboter miteinander reden könnten und sich so flexibel aus dem Weg gehen. Das macht nun „Cloud Navigation“ möglich: Wesentlicher Bestandteil ist ein in Eigenregie erstelltes Softwaremodul namens „Cooperative Longterm-SLAM“ (SLAM steht für „Simultaneous Localization and Mapping“). Das Modul sammelt sowohl die von den fest im Raum installierten Laserscannern als auch den Sensoren aller fahrerlosen Transportfahrzeuge erzeugten Daten und verknüpft sie zu einer Umgebungskarte, die ständig aktualisiert wird. Diese Karte dient den verschiedenen Robotern als Basis für ihre flexiblen Umwege.

Sie alleine reicht aber nicht: Das Umleiten der FTS setzt ein eigenes Softwaremodul voraus, genannt „Predictive Driver“. Es handelt sich um eine Weiterentwicklung des Fraunhofer-Softwaremoduls „Elastic-Band“, das bereits vor zehn Jahren mobilen Servicerobotern die „zuverlässige Zielführung durch dynamische Hindernisumfahrung in Echtzeit“ ermöglichte. Neu ist nun die „reaktive Pfadplanung“ - sie reagiert auf spontan auftretende Hindernisse und errechnet umgehend eine Ausweichroute. Vereinfacht ausgedrückt erlaubt die „Cloud Navigation“ es also, dass sich die Roboter untereinander darüber abstimmen, wer Vorfahrt hat. Staus oder gar Kollisionen von Robotern sollen damit der Vergangenheit angehören. Bereits existierende Roboter könnten jederzeit mit der „Cloud Navigation“ nachgerüstet werden.

Einsparpotenzial

Das Forscherteam um Pfeiffer berichtet von ersten erfolgreichen Einsätzen: „Tests haben ergeben, dass die Lokalisierungsgenauigkeit um bis zu 75 Prozent zunimmt“, so der Wissenschaftler. „Außerdem verkürzt die kooperative Pfadplanung die zurückgelegten Fahrwege um bis zu 20 Prozent, während der reibungslose Verkehr an Kreuzungspunkten eine Zeitersparnis von 25 Prozent bringt.“

Die neue Cloud-basierte Software hat noch einen weiteren Vorteil: Durch die stets aktuelle Umgebungskarte benötigen mobile Roboter viel weniger Sensoren als früher, auch müssen sie nicht mehr so viele Daten verarbeiten, wodurch die Prozessoren eine Nummer kleiner ausfallen können – hardwareseitig sei entsprechend mit Einsparungen zu rechnen. „So werden FTS zugleich leistungsfähiger und wirtschaftlicher“, fasst Pfeiffer zusammen. „Der Energiebedarf pro Recheneinheit sinkt um 70 Prozent, und die Kosten für Sensoren in bestimmten Fällen um bis zu 80 Prozent.“ Das sind rosige, da staufreie Aussichten für die Industrie 4.0!

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