Digitalisierung :
Sind wirklich 3,4 Millionen Arbeitsplätze in Gefahr?

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Irgendjemand muss die Roboter ja zusammenbauen: Hier bei Kuka in Augsburg.
Die Digitalisierung kostet Millionen Arbeitsplätze, warnt der Chef des IT-Verbands in der F.A.Z. Er erntet heftigen Widerspruch.

Zerstört die Digitalisierung Millionen Arbeitsplätze? Oder ist alles gar nicht so schlimm wie oft behauptet wird? Nachdem der sonst so optimistische IT-Branchenverband Bitkom auf Basis einer Umfrage unter 500 Unternehmen in der F.A.Z. davor gewarnt hat, dass in den kommenden fünf Jahren 3,4 Millionen Stellen wegfallen könnten, weil Roboter die Arbeit übernehmen, ist eine heftige Diskussion entbrannt. In der deutschen Kommunikationstechnik – gemeint sind Hersteller von Telefonen und Handys – seien seit Mitte der neunziger Jahre 90 Prozent der Arbeitsplätze verloren gegangen, hatte Bitkom-Präsident Achim Berg in der F.A.Z. gewarnt. Ähnliches drohe nun Banken, Versicherungen und der Pharmabranche.

Die Reaktionen kamen prompt. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben, warnte, es sei „gefährlich, falsche Signale auszusenden“. Deutschland gehe die Arbeit nicht aus. „Das Gegenteil ist richtig. Der größte Engpass deutscher Unternehmen ist der Mangel an Fachkräften.“ Der Maschinenbauverband VDMA teilte mit, die Digitalisierung könne zum „Job-Motor für Deutschland“ werden. Zwar veränderten sich Tätigkeiten und Berufsbilder. In Summe würden aber mehr Stellen entstehen als verloren gehen.

„Es gibt keinen Anlass zur Panik“

Tatsächlich deutet so manche Untersuchung der jüngeren Zeit darauf hin, dass die Digitalisierung in Deutschland nicht zu Massenarbeitslosigkeit führen wird. „Es gibt keinen Anlass zur Panik“, sagt der Düsseldorfer Wirtschaftswissenschaftler Jens Südekum. Er hat in seiner eigenen Forschung herausgefunden, dass Industrieroboter in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren unter dem Strich nicht dazu geführt haben, dass Arbeitsplätze weggefallen sind.

Zwar seien in der Industrie durchaus Stellen verloren gegangen. Vor allem der typische Facharbeiter in der Produktion sei betroffen. Dieser habe dann aber oft eine neue Aufgabe im Unternehmen bekommen, etwa im Verkauf – wo er allerdings weniger verdiene. Zudem entstünden im Dienstleistungssektor viele neue Arbeitsplätze, etwa in der Unternehmensberatung. Das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung geht davon aus, dass sich dieser Trend in Zukunft fortsetzen wird. So heißt es in einer IAB-Studie, bis 2025 würden netto kaum Arbeitsplätze wegfallen. Hunderttausende Beschäftigte müssten sich allerdings neu orientieren.

Diese Diskussion dürfte es wohl kaum gewesen sein, die der Bitkom mit seiner Studie auslösen wollte. Vielmehr stört es die Lobbyorganisation, dass sich die Politik anscheinend nur am Rande mit dem Zukunftsthema Digitalisierung beschäftigt. In den Koalitionsverhandlungen werde die Thematik nur lieblos gestreift, ist zu hören. Trotzdem dürften sich der Bitkom und sein Präsident Achim Berg mit der Umfrage keinen Gefallen getan haben. Beobachter glauben, in dem ohnehin von unterschiedlichsten Interessen geleiteten Verband sei nun „Feuer unterm Dach“.