On the Way to New Work - ein Zwischenfazit nach einem Jahr
Foto: Christoph Magnussen

On the Way to New Work - ein Zwischenfazit nach einem Jahr

Von Christoph Magnussen, Gründer und CEO, Blackboat; Dr. Michael Trautmann, Gründer und Chairman thjnk und Upsolut Sports 

Seit Februar 2017 befinden wir uns auf einer Reise, die wir #OnTheWayToNewWork nennen. Am Ende der Reise, so die Idee, soll in diesem Jahr ein Buch stehen, das unsere wichtigsten Etappen und Erkenntnisse zusammenfassen soll. Seit dem 1. Mai 2017 veröffentlichen wir jede Woche eine Folge unseres gleichnamigen Podcasts. Inhalte sind Gespräche mit Unternehmern, Führungskräften und Vordenkern zum Thema “New Work”. Dieser Artikel ist unser erster Reisebericht.

1. New Work heißt für viele Menschen auch weniger arbeiten. Die Suche nach Sinn wird noch wichtiger.

Im Sommer 2017 überraschte Jack Ma, der Gründer und CEO von Alibaba, mit der These, dass wir in 30 Jahren nur noch vier Stunden pro Tag arbeiten werden. Frithjof Bergmann, der als Begründer der New Work Bewegung gilt, hat das schon Ende der 70er Jahre prognostiziert. Der austro-amerikanische Sozialphilosoph nahm an, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft nur noch ein Drittel unserer Zeit für Erwerbsarbeit verwenden werden. Ein weiteres Drittel würden wir demnach für Selbstversorgung (High-Tech-Self-Providing) und nachhaltigen Konsum (Smart Consumption) verwenden. Das verbleibende Drittel, so Bergmann, würden wir Menschen mit Dingen verbringen, die wir wirklich wollten und in denen wir einen tieferen (persönlichen) “Sinn” vermuteten - oder eben der Suche danach.

2. Unternehmen mit einem starken ‘WARUM’ erleichtern den Mitarbeitern und Kunden die Orientierung.

Als Simon Sinek im Jahr 2009 auf einer TEDx Konferenz 18 Minuten dazu sprach, warum Unternehmen mit einem ‘Why’ erfolgreicher sind als solche, die sich nur über ihr Produkt definieren (dem ‘What’), ahnte er nicht, dass sein als Video veröffentlichter Appell Ende 2017 36 Millionen Zuseher erreichen und damit das dritterfolgreichste TED-Video werden sollte. Sein Buch “Start with why” löste eine Welle von vergleichbaren Werken und Artikeln aus. Die unter der Abkürzung GAFA (Google, Apple, Facebook, Amazon) zusammengefassten Giganten aus dem Silicon Valley haben alle ein “Warum” (oder einen Purpose) an dem sie alle Ihre Aktivitäten konsequent ausrichten. Google will das Wissen der Welt zugänglich machen, Apple immer wieder den Status Quo challengen, Facebook die Welt verbinden und auch Amazon´s “Warum” ist klar. Es geht darum, das weltweit am besten am Kunden orientierte Unternehmen zu werden (“earth's most customer-centric company”). Why-Unternehmen gibt es jedoch in allen Größen und sind in jeder Branche anzutreffen. Sie sind die ‘New Workplaces’ 

3. Das Taylor-Prinzip gerät an seine Grenzen. Eine ganze Reihe von neuen Organisationsprinzipien geben dem einzelnen mehr Verantwortung.

Selbstbestimmtheit, Freiheit, Autonomie. New Work steht für größere Entscheidungshoheit aber auch mehr Verantwortung einzelner Mitarbeiter und kleiner Teams. Die zentral organisierte Prozesssteuerung aus Zeiten der Industrialisierung ist allerdings auch tief in unseren Organisationen und unserem Denken verankert. Neue Ansätze wie Holocracy (ein System zur vollständigen Selbstorganisation eines Unternehmens) sind sicherlich noch nicht gänzlich ausgereift, stellen aber den Wunsch nach mehr Selbstorganisation in bisher traditionell geführten Unternehmen ins Zentrum der New-Work-Ideen. 

4. Die Digitalisierung ist Segen und Fluch zugleich. Die Kommunikation im beruflichen Kontext schreit nach Veränderung.

Kaum jemand der heute aktiv im Berufsleben steht, hinterfragt ernsthaft die Daseinsberechtigung der E-Mail. Im Privatleben hinterfragt kaum jemand mehr die Daseinsberechtigung von WhatsApp. Wie John Culkin vor 50 Jahren bereits erkannte: “We shape our tools and, thereafter, our tools shape us.” Unser Kommunikationsverhalten wurde in den letzten zehn Jahren durch das Smartphone geprägt. An vielen Stellen scheint diese Veränderung noch nicht in den Unternehmen angekommen zu sein. Dabei sind es gerade diese Tools, die gesteigerte Transparenz in der Führung von Unternehmen ermöglichen (es muss nicht nur der Junggesellenabschied sein, der über eine Gruppe organisiert wird) und uns damit zu mehr Selbstverantwortung bewegen. Das “Ende der E-Mail” werden wir aber wohl erst sehen, wenn die Generation Y die Arbeitswelt komplett übernommen hat.

5. “Always On” oder warum wir wieder lernen müssen uns zu konzentrieren.

Selbstbestimmung und die Möglichkeit, zu jeder Zeit alles erledigen zu können - zumindest so lange das Smartphone noch einen Strich Akku hat - verursachen bei vielen Menschen Stress. Flow dagegen beschreibt einen mentalen Zustand der völligen Vertiefung in eine Tätigkeit, was zu einem beglückenden Gefühl führt. Diesem Zustand geht aber die Fähigkeit voraus, sich konzentrieren zu können. Eine Fähigkeit, die wichtiger und gleichzeitig schwieriger denn je geworden ist. Ähnlich beschreibt es das ‘Deep Work’-Prinzip, bei welchem berufliche Aktivitäten in einem Zustand ablenkungsfreier Konzentration ausgeübt werden und unsere Kapazitäten an ihre Grenzen gebracht werden. Diese Leistung schafft neuen Wert, verbessert unsere Fähigkeiten und ist schwer zu kopieren. 

6. Das Büro von morgen muss ein Alleskönner sein, Remote zu arbeiten wird davon ein Teil sein.

Als nach dem zweiten Weltkrieg das Building 20 am renommierten in Boston beheimateten MIT (Massachusetts Institute of Technology) leer stand, weil die Raketenwissenschaftler nicht mehr gebraucht wurden, entstand dort durch Zufall eine Blaupause für innovatives Arbeiten. Das Gebäude diente der schnell wachsenden Universität als Auffangbecken für die Mitarbeiter von (zu) schnell wachsenden Fakultäten. Da das Gebäude nicht immer den Ansprüchen der Nutzer genügte, durften Veränderungen vorgenommen werden. Es wurden Wände eingerissen und das Gebäude passte sich so seinen verschiedenen Nutzergruppen an. Im Building 20 wurden in der Folge unter anderem das erste Videospiel programmiert, wichtige Entwicklungen im Bereich Hochgeschwindigkeits-Fotografie und physikalische Grundlagen zum Thema Mikrowellen erforscht. Der Ort gilt als der Ursprung der Hacker-Bewegung und die Bose Corporation wurde hier gegründet. Für die Planung von modernen Büros können wir lernen, dass Büros Interaktion zwischen unterschiedlichen Menschen ermöglichen sollte, Flächen zum kollaborativen Arbeiten, aber auch Möglichkeiten für den Rückzug bieten müssen. Zusätzlich hilft es, eine konzeptionelle Idee für das Büro zu entwickeln. Bei Google lautet die Idee “Campus”, weil das Unternehmen festgestellt hat, dass ein Großteil der gewünschten Mitarbeiter, am liebsten ihr Leben lang an der Uni verbringen würde. Immer mehr Menschen sehnen sich außerdem danach, zumindest in Teilen auch “remote” zu arbeiten. Auch darauf müssen Unternehmen Antworten finden.

7. Künstliche Intelligenz wird die Art zu arbeiten so verändern, wie die Industrielle Revolution die unserer Vorfahren.

Wir können uns die Bedeutung der Elektrifizierung nicht wirklich vor Augen führen. Die Phase in der die ersten Unternehmen und Haushalte mit Strom versorgt wurden, sorgte für einen so starken Anstieg der Wirtschaftsleistung wie nie zuvor in der Geschichte. Wir wurden aber in eine Welt mit Strom hineingeboren. Der derzeitige Wandel und die digitalen Technologien werden mit hoher Wahrscheinlichkeit einen ebenso großen wenn nicht noch größeren Sprung mit sich bringen, der in einigen Generationen kaum mehr nachvollziehbar sein wird, da es “Alltag” geworden ist und damit jeden Menschen in jeder Situation erreicht hat. Künstliche Intelligenz, also die Fähigkeit von Maschinen mittels massiver Rechenkapazität aus der Cloud und Neuronalen Netzen eigene Lösungsansätze zu entwickeln, wird einer dieser alltäglichen Dinge sein. Es ist keine Zauberei sondern anspruchsvollstes Handwerk mit Hilfe von Daten, Rechnern und intelligenter Automatisierung unser Leben einfacher zu machen. Und wir werden uns schneller daran gewöhnen, als wir Science-Fiction-Romane über Maschinen, die die Welt übernehmen, lesen können. Ein erstes Beispiel? Die KI von Google hat sich selber und ohne “Auftrag” eine eigene Sprache entwickelt, die hilft, schneller und präziser zwischen den über 150 Sprachen, die der Google Übersetzungsservice anbietet, zu übersetzen.

Neben diesen sieben Thesen gehen wir davon aus, dass lebenslanges Lernen vom Buzzword zum Überlebensprinzip wird. Dieser Metatrend steht in engem Zusammenhang mit jeder einzelnen These. Wer sich der Zukunft offen und kritisch stellt und sich die Bereitschaft erhält, immer wieder Neuland zu betreten und bei Null anzufangen, wird es leichter haben. Es ist wie bei einer Expedition oder eben einer jeden Reise: Gute Vorbereitung führt zu mehr Freude und besseren Ergebnissen.

Dietmar Hexel

Systemischer Businesscoach; ehem. geschäftsf. Mitglied DGB-Bundesvorstand; ehem. Mitglied Regierungskommission DCGK

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Oh, wie wunderbar! J.M. Keynes hat schon 1928 an einen fiktiven Brief an seine Enkel geschrieben: „Zum ersten Mal seit seiner Erschaffung wird der Mensch damit vor seine wirkliche, seine beständige Aufgabe gestellt sein wie seine Freiheit von drückenden wirtschaftlichen Sorgen zu verwenden, wie seine Freizeit auszufüllen ist, die Wissenschaft und Zinseszins für ihn gewonnen haben, damit er weise, angenehm und gut leben kann.“ Fragt sich nur, warum das noch nichts geowrden ist. (Die Enkel sind wir heute). 40-50 Mio. arme US-Amerikaner mit Food-stamps. In Deutschland steigt die Armut ebenfalls: 21 % der Kinder liegen unter der Armutsgrenze. Wie soll also die neue schone Welt entstehen - und was sind die Gründer bereit, an das Gemeinwohl abzugeben und wie beteiligen sie heute ihre Mitarbeiter (hoffentlich) am Wertzuwachs ihrer Unternehmen. Dietmar Hexel, Emmendingen/Breisgau

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Marc van der Meer

Driving positive impact for more Humanity I General Director and Co-Founder Academy for Social Responsibility I Co-Founder Volunteers' Help I Leadership- & Team Coach

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Toller Artikel. :) "1. New Work heißt für viele Menschen auch weniger arbeiten. Die Suche nach Sinn wird noch wichtiger." Das kann ich persönlich unterschreiben. Als Resultat meine Suche, erfolgte die Gründung meine Non-Profit Organisation. Sie bietet jeder die Suche nach Sinn zu ermöglichen und sponsort Reise- und Verbleibskosten für jeder der ehrenamtlich tätig werden will, um Menschen in Not zu helfen. Egal wo auf dieser Welt. "4. Die Digitalisierung ist Segen und Fluch zugleich. Die Kommunikation im beruflichen Kontext schreit nach Veränderung." Richtig, und zwar zurück auf menschliche Ebene. Die Generation Y, wird u.a. durch die Digitalisierung oberflächig und eiskalt. Nur der Erfolg und die Zahlen zählen noch, egal ob das mit menschliches "leid" verbunden ist. Die persönliche Kommunikation ist das beste Tool was es jemals gab.

Joerg Bollow

Creating digital champions | @diconium (VW Group, CARIAD) | Follow @Bollow via Twitter & Medium

6y

Start with the WHY! :-)

Punkt 6 Büro haben wir bei uns in Frankfurt genau so verstanden und umgesetzt. Übrigens auch unter dem Titel "new ways of working". Und es funktioniert! Gute Zusammenfassung, Michael.

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