Carlo-Schmid-Preis für Gauck :
„Ein Glücksfall für die Bundesrepublik“

Von Rüdiger Soldt, Mannheim
Lesezeit: 2 Min.
Besorgt wegen Populisten: Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck
Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck zeigt sich in seiner Dankesrede besorgt über die politische Entwicklung der Welt. Gegenüber Populisten und Nationalisten müsse man auch einmal intolerant sein.

Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck ist am Wochenende in Mannheim mit dem Carlo-Schmid-Preis ausgezeichnet worden. In seiner Dankesrede nannte Gauck es eine „bedrückende Entwicklung“, dass populistische und nationalistische Parteien in europäische Parlamente gewählt worden seien. „Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaat sind in ihrem Bestand nie ein für allemal gesichert und bauen sich mitnichten automatisch weiter aus“, sagte Gauck.

Als Ursachen hierfür machte er einerseits den Einflussverlust von vermittelnden Organisationen wie Parteien, Gewerkschaften, Berufsverbänden und Vereinen sowie den Einflussgewinn der sozialen Medien aus. Er hob jedoch andererseits mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten hervor, dass die Themen der urbanen, demokratischen Eliten – etwa Ökologie, Klimawandel, der Schutz sexueller Minderheiten – für viele Wähler offenbar „bedrohlich“ gewesen seien. Zwei Drittel der weißen Arbeiter und vier Fünftel der weißen Evangelikalen, so der ehemalige Bundespräsident, hätten für Präsident Trump gestimmt.

Auf solche Entwicklungen müsse man mit mehr und zugleich weniger Toleranz reagieren: Die Demokratie sei ein „großes Zelt“, sie halte es aus, wenn nicht alle für Genderfragen das gleiche Interesse aufbringen würden. Gleichzeitig müsste klar sein, dass die Grundwerte des demokratischen und liberalen Rechtsstaats nicht zur Debatte stünden. „Und zwar für niemanden.“ Gauck zitierte den Mitverfasser des Grundgesetzes und späteren SPD-Bundesminister Carlo Schmid: „Demokratie ist nur dort mehr als ein Produkt einer bloßen Zweckmäßigkeitsentscheidung, wo man den Mut hat, an sie als etwas für die Würde des Menschen Notwendiges zu glauben. Wenn man aber diesen Mut hat, dann muss man auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen.“

Die Laudatio auf Gauck hielt der Münchner Philosophieprofessor und ehemalige Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin. Gauck sei ein Glücksfall für die Bundesrepublik gewesen, so Nida-Rümelin, weil er als Bundespräsident wieder einen „existenziellen Ton in die politischen Debatten“ gebracht und diesen mit einem Schuss Pragmatismus verbunden habe. Der Carlo-Schmid-Preis wird von der gleichnamigen Stiftung in unregelmäßigen Abständen vergeben: 2014 war der frühere französische Premierminister Jean-Marc Ayrault ausgezeichnet worden, 2008 der früher Außenminister Hans-Dietrich Genscher.