Rabauken der Lüfte :
Krawall im Flugzeug!

Von Ulrich Friese
Lesezeit: 2 Min.
Ort des Geschehens: Das Innere eines Flugzeugrumpfes
Lange Reisen hoch über den Wolken verführen manche Fluggäste, ihre Bodenhaftung zu verlieren: Der amerikanische Sitznachbar ist alles andere als nüchtern. Es folgt Krawall – und das ist alles andere als ein Einzelfall.

Rechtzeitig ans Gate geschafft, vom Personal herzlich empfangen: der ideale Auftakt, um die Geschäftsreise nach Amsterdam zum kurzweiligen Vergnügen zu machen. Doch meinen amerikanischen Sitznachbarn hatte ich nicht auf der Rechnung. Der Student aus Baltimore hatte Abschied aus Europa bis zum Morgengrauen gefeiert und sich danach zum Flughafen geschleppt. Dass er um 7.30 Uhr nicht nüchtern war, bekamen anfangs nur wenige Passagiere, danach aber alle Crew-Mitglieder zu spüren. Nur mit sanfter Gewalt konnte er von der Rückkehr zum Gate überzeugt werden.

Glaubt man dem Luftfahrtverband Iata, hat sich die Zahl der Krawallmacher an Bord von Passagierflugzeugen drastisch erhöht. Wurden zwischen 2007 und 2014 insgesamt 49.000 Berichte über Ausraster an Bord registriert, waren es 2015 und 2016 jeweils mehr als 11.000. Tendenz steigend.

Männern und Frauen mit geballtem Frust

Lange Reisen hoch über den Wolken verführen manche Fluggäste, ihre Bodenhaftung zu verlieren. Offenbar weckt die Enge eines Flugzeugrumpfes Erinnerungen an eine Höhle, in der sich dann Gefühle ungehemmt entfalten können. Dabei werden die wenigsten Ausschreitungen an Bord, die zu körperlicher Gewalt oder Schäden im Flugzeug führen, durch Alkohol ausgelöst. Die meisten Ausfälle lassen sich bei Männern und Frauen mit geballtem Frust begründen. „Viele lassen hier die Sau raus, wenn der Stress im Büro oder der Ärger über Schikanen in der Sicherheitskontrolle groß war“, berichtet eine Stewardess, die vor allem bei Gästen der First- und Business-Klasse eine gute Kinderstube vermisst.

Dass sich Rabauken der Lüfte gerade im hochpreisigen Segment des Rumpfes finden lassen, ist für Verhaltensforscher kein Widerspruch. Der Branchenverband verweist auf einen Trend in der Gesellschaft, wonach auch Reisende denken, sie müssten „ihre persönlichen Bedürfnisse an Bord sofort erfüllen“. Dabei gehen zahlungskräftige Stammgäste, die regelmäßig um die Welt düsen, nach dem Motto vor: Wer für sein Flugticket schon viel bezahlt hat, kann sich an Bord auch vieles erlauben.

Das Ärgernis mit nervenden Passagieren nimmt die Fluggesellschaft Eurowings in ihrer aktuellen Werbekampagne ironisch aufs Korn. Darin mimt „Stromberg“-Darsteller Christoph Maria Herbst den Dauer-Nörgler Jochen an Bord eines Passagierjets. Seine Rolle falle ihm deshalb so leicht, bekennt Herbst, weil er gut beobachtet und selbst nur mit großer Dankbarkeit auf Flugreisen unterwegs ist. Der Mann hat das Zeug zum echten Vorbild.