Ans Ende der Welt :
Gibt es ein Leben nach Kap Hoorn?

Lesezeit: 12 Min.
Amerikas Finale ist eine topographische Trümmerlandschaft, zermahlen von der Urgewalt der Gletscher, zermürbt von der Kraft der Erosion.
Der Kapitän ist ein Seeteddybär, der Gletscher ein Krawallbruder und die Berberitze eine verzauberte Indianer-Julia: Logbuch einer Fahrt mit Magellan, Pigafetta, Darwin und der Ventus Australis ans Ende der Welt.

ISLA MAGDALENA, 52º 55’ S

Die Magellan-Straße war den Magellan-Pinguinen schon lange vor Magellan bekannt. Und sie benutzen sie bis heute, um vom Atlantik oder Pazifik zu ihren Brutplätzen auf der Isla Magdalena zu gelangen, einem baumlosen, windzerzausten, heillos überbevölkerten Eiland im tiefsten Süden Chiles. Zehntausende Paare graben sich dort jedes Jahr ihre Bruthöhlen in den kahlen Boden, polstern sie notdürftig mit Gestrüpp und können sich dabei der Sympathie der Menschen sicher sein, weil sie um so vieles sympathischer sind als die meisten anderen Tiere. Die Pinguine turteln, schnäbeln, promenieren wie verliebte Paare, und wenn sie einmal allein sind, rufen sie so herzzerreißend nach ihrer Liebe, als könnten sie ohne sie keine Sekunde länger leben. Sie brüten, hüten und verhätscheln abwechselnd ihren Nachwuchs, wie es sich in einer guten Ehe gehört, scheinen pausenlos schelmisch zu lächeln, als sei das Leben ein einziges Vergnügen, sehen auch sonst aus wie fleischgewordene Plüschtiere und watscheln mit ihren kurzen Beinen so entzückend unbeholfen umher wie Kleinkinder beim Laufenlernen. Eine Stunde gibt man uns in der Welt der Pinguine, die Magellans Chronist Antonio Pigafetta für Wildgänse hielt, mehr Zeit als genug, um sie für immer ins Herz zu schließen. Dann ruft uns der Kapitän zurück aufs Schiff, weil die Tiere ihre Ruhe brauchen und die Winde in der Magellan-Straße auch ein halbes Jahrtausend nach Magellan noch unberechenbar sind, wenn auch nur für Menschen und nicht für Pinguine.

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