EU-Budget: Forderung nach viel mehr Geld und keine Einsparungen

Das EU-Parlament befasst sich kommende Woche mit dem künftigen EU-Haushalt. Oder: Wie eine Bürokratie nach immer mehr Geld verlangt.

Zunächst lief die Debatte um das künftige EU-Budget vor allem unter dem Titel “Brexit”. Denn die Briten sind Nettozahler und wenn sie die EU verlassen, dann entstehe eine Lücke von rund zehn Milliarden Euro, hieß es. Daher müsse man überlegen, wie diese Lücke zu schließen sei. Mittlerweile aber wird immer klarer, dass es längst nicht mehr nur um die “Brexit-Lücke” geht. Es geht darum, die EU-Bürokratie mit substanziell mehr Geld auszustatten als bisher.

Das Vehikel dafür ist der sogenannte Mehrjährige Finanzrahmen (MFR). Der nächste läuft von 2021 bis 2027 und soll – das zumindest wünscht man sich – noch vor den EU-Wahlen im Mai 2019 ausgehandelt sein. Kommende Woche geht die Debatte darüber in die nächste Runde. Da stimmt das Europaparlament über eine Entschließung ab, die es in sich hat. Die wichtigsten Punkte daraus:

Wesentlich mehr Geld verlangt

Gefordert wird nicht nur der Ausgleich der Brexit-Lücke (wo man ja auch über Einsparungen nachdenken könnte), sondern gleich eine massive Anhebung des EU-Haushalts. Bisher beträgt dieser rund ein Prozent des Bruttonationaleinkommens der EU-28. Künftig soll er demnach bei 1,3 % der dann EU-27 liegen. Konkrete absolute Zahlen sind nicht angeführt, aber schätzt man das grob ab, so dürfte es sich um rund 200 Milliarden Euro drehen, die zusätzlich ins EU-Budget fließen sollen.

Eurozonen-Budget

Außerdem soll es noch ein eigenes Budget für die Eurozone geben, das zwar Teil des EU-Budgets werden soll, aber zusätzlich zum MFR aufgebracht werden soll. Eine konkrete Höhe wird nicht genannt.

Einsparungen werden abgelehnt

Von Einsparungen will man sowieso nichts wissen. Die beiden größten Ausgabenblöcke Landwirtschaft und Kohäsion machen zusammen rund 70 Prozent der EU-Ausgaben aus. Beide sollen – geht es nach dem Europaparlament – nicht angetastet werden und mindestens auf dem bisherigen Niveau verbleiben. Bei der Landwirtschaft wird jede Art von Renationalisierung  und jede Art nationaler Kofinanzierung von Direktzahlungen strikt abgelehnt.

Auch in der Verwaltung will man nicht sparen. Man verweist darauf, dass es ohnehin eine fünfprozentige Einsparung beim Personal gegeben habe, eine weitere derartige Maßnahme wird ausgeschlossen.

Zahlreiche neue Ausgaben

Dafür, dass man keine Einsparungen vornehmen will, legt man sich bei neuen Ausgaben wenig Zurückhaltung auf: Man will das Erasmus-Programm verdreifachen (was die EU-Kommission einige Wochen zuvor mit 90 Milliarden Euro beziffert hat), einen Europäischen Demokratiefonds schaffen, die Verteidigungsunion finanzieren, die Mittel für Forschung und Innovation um 120 Milliarden Euro erhöhen oder endlich die Mittel auf Entwicklungszusammenarbeit in Richtung des seit ewigen Zeiten genannten Ziels von 0,7 Prozent des BIP erhöhen.

Finanzielle Konsequenzen für Mitgliedsstaaten

Ein Mitgliedsstaat, der den in Art. 2 EU-Vertrag festgelegten Werten nicht entspricht, soll künftig mit finanziellen Konsequenzen rechnen müssen und weniger oder auch kein Geld mehr aus dem EU-Budget erhalten. Wohin das führt, haben wir ja bei der Debatte um die Flüchtlingsquoten gesehen, die auch Ausgangspunkt für diesen Vorschlag war.

Aufhebung der Einstimmigkeit im Rat

Weil man weiß, das man für ein solches Programm vermutlich kaum die notwendige Zustimmung aller EU-Mitglieder im Rat erreichen kann, fordert man gleich auch die Aufhebung des Einstimmigkeitsprinzips bei der Beschlussfassung für den MFR. Man könne doch auch die Passerelle-Regelung aus Art. 312 oder Art. 48 EU-Vertrag heranziehen und nur noch mit Mehrheit entscheiden – womit  sich am Ende (siehe Flüchtlingsquoten) wohl wieder einige Staaten überfahren vorkommen würden.

Bleibt noch die Frage, wer das alles bezahlen soll. Auch dafür gibt es ein Dokument, wo die Stoßrichtung klar wird: Derzeit finanziert sich der EU-Haushalt zu einem großen Teil aus den Beiträgen der Mitgliedsstaaten. Das soll anders werden, will man sich damit ganz offenbar dauerhaft von diesen so unabhängig wie möglich machen.

Lange Liste neuer Einnahmequellen

Daher wird eine ganze Latte von Vorschlägen präsentiert, wie die sogenannten EU-Eigenmittel erhöht werden können. Zwar wird es nicht allzu konkret was Umsetzungsdetails und finanzielle Größenordnung angeht, aber allein die Liste der mit forscher Tonalität geforderten Dinge ist lang:

  • Reform und Vergrößerung der bestehenden Mehrwertsteuer-Eigenmittel
  • eine neue Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage (die gleich auch die Digtalwirtschaft einbeziehen soll), an der die EU direkt mitnaschen will
  • Gewinne aus der EZB solle nicht mehr an die nationalen Staatsbanken gezahlt werden, sondern gleich ins EU-Budget fließen
  • eine Finanztransaktionssteuer oder weitere Möglichkeiten der Besteuerung von Finanzgeschäften
  • neue Umweltsteuern und -abgaben (auch die “Plastiksteuer” ist wieder da)
  • Zugriff der EU auf Versteigerungseinnahmen aus dem Emissionshandel

Was hoffen lässt: Die wesentliche Entscheidung über das EU-Budget liegt beim Rat und damit bei den Mitgliedsstaaten. Schwer zu glauben, dass die flächendeckend für ein solches Programm zu haben sind. Aber bei möglichem deutsch-französischen Druck auch nicht auszuschließen. Vor allem dann, wenn man die notwendige Einstimmigkeit im Rat tatsächlich aufheben sollte. Was mehr als fatal wäre. Zunächst aber ist die Kommission am Zug. Sie will am 2. Mai ihren Vorschlag für den nächsten MFR präsentieren.

Harald Vilimsky
Harald Vilimsky
Delegationsleiter | Mitglied im Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten (AFET) | Stv. Mitglied im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres (LIBE)