Höher, schneller, weiter: Wie bilden wir uns in Zukunft fort?

Immer häufiger wird Weiterbildung zur Eigenverantwortung. Sich in der Freizeit fortzubilden, trifft jedoch bei Mitarbeitern auf Unverständnis. Bleibt die eigene Weiterbildung auf der Strecke?

Weiterbildung wird zur Privatsache

Christoph Niewerth
  • Investitionen in die Fähigkeiten der Mitarbeiter lohnen sich
  • 62 Prozent der Wissensarbeiter bilden sich in ihrer Freizeit weiter
  • Doch Unternehmen müssen ihre fähigsten Köpfe mehr entlasten

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Unternehmen und Mitarbeiter wissen: Ständiges Weiterlernen sichert Job und Einkommen. Das gilt erst recht, wenn es um das Aneignen der richtigen Kompetenzen für Digitalvorhaben geht. Umso mehr erstaunt es, dass gerade die hoch qualifizierten Mitarbeiter in puncto Entwicklung ihres Wissens nicht den entsprechenden Managementsupport erhalten – das zeigt eine Studie, die wir kürzlich durchgeführt haben.

Bei der Weiterbildung verlassen sich die Mitarbeiter vor allem auf eins: sich selbst

Vor vier Jahren haben die deutschen Arbeitgeber für die betriebliche Weiterbildung noch tief in die Tasche gegriffen und mehr als 33 Milliarden Euro ausgegeben. Doch dieses finanzielle Engagement sinkt anscheinend: Von den in der Studie befragten Wissensarbeitern, also hoch qualifizierten Fachkräften und klassischen Führungskräften, geben 62 Prozent an, dass sie sich in Eigenregie weiterbilden.

59 Prozent von ihnen wollen dafür sogar ihre Freizeit opfern. Erstaunlicherweise begrüßen dies die befragten Führungskräfte. Aber worauf fußt diese Entwicklung? Die Erklärung liegt nahe: Zum einen haben die Fachkräfte, bedingt durch eine hohe Projektlage, viel weniger Zeit als bisher, sich um ihre Weiterbildung während der Arbeitszeit zu kümmern. Zum anderen ist diese Erkenntnis ein klares Indiz dafür, dass Fachkräfte mehr Wertschätzung und Unterstützung durch die Führungskräfte benötigen.

Hoch qualifizierte Fachkräfte haben ihr eigenständiges Handeln in Bezug auf die Weiterentwicklung ihres Könnens schon derart verinnerlicht, dass sie deren Verwirklichung verstärkt selbst in die Hand nehmen. Anstatt zuzusehen, sollten Unternehmen hier jedoch schnellstens aktiv werden, indem sie beispielsweise die Weiterbildungsmaßnahme des Mitarbeiters in seiner Freizeit finanzieren oder Sonderurlaubstage genehmigen. Mit diesem Investment zeigen sie der Belegschaft Wertschätzung für deren Arbeit und binden sie gleichzeitig emotional an das Unternehmen. Das kostet weitaus weniger als die Suche nach einem neuen Mitarbeiter.

Das Thema Digitalisierung hängt in der Führungsebene fest

Allen noch so prominenten internationalen Prognosen zum Trotz sind 71 Prozent der Fachkräfte davon überzeugt, dass weder die Automatisierungswelle noch die durch künstliche Intelligenz gestützten Softwareprogramme ihrer wissensbasierten Arbeit mittel- oder langfristig etwas anhaben können. Aufgrund ihres Know-hows gehen sie davon aus, von den digitalen Rationalisierungswellen eher nicht betroffen zu sein. Dieser unerschütterliche Glaube an die eigenen Fähigkeiten erstaunt vor allem deshalb, weil die Entwicklung von softwarebasierten Programmen schon länger keinen Halt mehr vor routine- und wissensbasierten Tätigkeiten macht. Dies ist auch den Führungskräften bewusst: 58 Prozent von ihnen meinen, dass ihre Fachkräfte ihr erlerntes Wissen und ihr Methodenset im Zuge der Digitalisierung immer häufiger über Bord werfen müssen.

Die Ansichten beider Parteien gehen deutlich auseinander, weil die Diskussion um die Konsequenzen und Handlungsfelder der Digitalisierung primär in Führungsetagen der Unternehmen stattfindet. Mitarbeiter blicken dieser Entwicklung mit weniger Gelassenheit entgegen.

Unternehmen sollten die Kompetenzentwicklung stärker fördern

Es erstaunt mich, dass Unternehmen es offensichtlich noch nicht geschafft haben, mehr Freiräume für ihre fähigsten Köpfe zu schaffen und sie vom Tagesgeschäft zu entlasten, damit sie sich mit wichtigen neuen Problemstellungen beschäftigen können. Denn viele der befragten Wissensarbeiter stecken noch zu sehr in Routinetätigkeiten fest. Diese machen nach eigenen Angaben mehr als ein Drittel ihrer Arbeitszeit aus. Aber genau das sind auch die Aufgaben, die durch Automatisierung obsolet werden könnten.

Unternehmen kommen somit nicht umhin, die Kompetenzentwicklung ihrer Wissensarbeiter aktiv zu fördern, da gerade Fachkräfte mit engen Spezialgebieten der Gefahr unterliegen, dass ihr Wissen schnell veraltet. Folgende Wege helfen, neue Lernfelder herzustellen, Silodenken abzubauen und Lernen wieder zu lernen – eine Schlüsselkompetenz in der digitalen Welt:

  • Fachkräfte zeitweise in andere Abteilungen entsenden,
  • Projekte mit einer großen thematischen Vielfalt aufsetzen,
  • Externe mit entsprechendem Know-how einbeziehen.

Wichtig wäre auch das Aufsetzen neuer Prozesse oder ein Aufbau neuer digitaler Geschäftseinheiten. Denn genau dafür würden die Fachkräfte die richtigen Kompetenzen wie „sich auf Neues einlassen“, „risikobereit sein“ und „mit Unsicherheiten umgehen“ mitbringen.

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Christoph Niewerth
© Christoph Niewerth
Christoph Niewerth

Vorstand, Hays AG

Christoph Niewerth (Jg. 1971) begann nach dem Studium als Diplom-Wirtschaftsingenieur seine Karriere als Account Manager bei Ascena. Nach unterschiedlichen internen Positionen wurde er 2012 als Chief Operating Officer in den Vorstand der Hays AG berufen und verantwortet den Vertrieb in den Bereichen IT, Finance, Legal, Retail und Sales & Marketing in Deutschland, sowie weitere Landesgesellschaften. Er betreut zudem die Bereiche Talent Solutions, Public Affairs sowie die strategische Kundenentwicklung.

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