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Aktienmarkt Warten auf die Jahresendrally

Kurstafel an der Frankfurter Börse
Kurstafel an der Frankfurter Börse
© Getty Images
Eines gilt im Börsenjahr so gut wie ausgemacht: die Jahresendrally. Diesmal lässt sie auf sich warten. Nadine Oberhuber erklärt, woran das liegt – und warum wir sie gar nicht zwingend brauchen.

Alle Jahre wieder im Dezember wartet die ganze Welt und zwar nicht nur aufs Christkind, sondern auch auf die Bescherung an der Börse. Auf die große Jahresendrally nämlich, die noch einmal mächtig die Kurse glänzen lässt. In diesem Jahr sind sogar besonders viele Anleger davon überzeugt, dass es sie geben wird und dass die letzten Tage noch einmal extra-bullish verlaufen. Die Frage ist nur: Wann, wenn nicht jetzt wäre die richtige Zeit dazu? Bis zum Jahresende sind schließlich nur noch ein paar Tage übrig. Müssten sich die Kurse da nicht langsam mal in Bewegung setzen? Oder fällt die Rally dieses Jahr aus? Die Frage ist berechtigt, doch sehr viel sinniger wäre es, würde man sie so formulieren: Wäre es tatsächlich so wünschenswert, wenn sie eintreten würde?

Erst einmal hielten alle Investoren ja andächtig inne, um die neue Zinsentscheidung der amerikanischen Notenbank abzuwarten, die nun endlich fiel. Sie hebt die Zinsen um einen weiteren Viertelprozentpunkt weiter an. Das war genau das, was der Markt eingeplant und auch schon in die Kurse eingerechnet hatte. Die große Bescherung, die für einen größeren Schub hätte sorgen können, fiel damit aus. Trotzdem setzen derzeit so viele Investoren wie selten darauf, dass die Kurse noch einmal richtig Gas geben. Sie haben sich auch dementsprechend positioniert und mit Papieren eingedeckt, mit denen sie vom Jahresendaufschwung profitieren würden. Das ist generell ein gutes Zeichen. Doch es bedeutet nicht, dass so ein Kursaufschwung auf längere Sicht dem Markt zugute käme.

Zu großer Optimismus ist ein Warnsignal

Auf die Börse übertragen heißt das: Selbst wenn eine Rally den Dax noch einmal deutlich über die 13.000-er Marke jagt , so ist die Gefahr groß, dass bei den nächsten kleinsten Negativnachrichten viele der überoptimistischen Anleger wieder aus dem Markt herauspreschen. Nach dem Motto: Die Rally habe ich mitgenommen – jetzt verkaufe ich besser, als einen größeren Absturz zu erleiden. Im Prinzip bedeutet großer Optimismus also immer: Anleger sollten gewarnt sein, weil die Kurse in der nächsten Zeit mächtig hin und herzappeln können. In solchen Momenten heißt es dann: Nerven bewahren!

Denn so absurd es klingt: Gerade wenn die Anleger mehrheitlich guter Laune sind und geradezu überschwänglich mit einem guten Jahresausgang rechnen, kann die Stimmung schnell ins Gegenteil kippen. Es ist eben wie Weihnachten, wo viele Familien hoffnungsfroh zusammenkommen und manchmal schon ein falsches Wort den Eklat auslöst. 

Anleger sollten langfristig denken

Denn die Wahrscheinlichkeit, dass man als Normalanleger in so einem Fall den Punkt für den rechtzeitigen Ausstieg nicht verpasst ist ungefähr so groß wie diejenige, dass Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen. Damit man sich also später nicht sagen muss, dass man außer Spesen nichts von der kurzzeitigen Rally gehabt habe, sollte man auf jeden Fall länger investiert bleiben als nur ein paar Wochen oder Tage. Nämlich solange, bis sich die Kurse nach einem Zwischenabsturz wieder erholt haben.

Die Chancen dafür stehen angeblich im nächsten Jahr extrem gut. Jedenfalls sind sich viele Ökonomen, Wirtschaftsforscher und Analysten einig, dass der Aufschwung nicht nur weltweit, sondern besonders auch hierzulande weiter anhält. Der Internationale Währungsfonds hob die Prognosen für das Wachstum der Weltwirtschaft jüngst auf 3,7 Prozent an. Denn in China läuft es, in Japan ebenfalls, und in den USA könnte mit der ausstehenden Unternehmenssteuerreform von Donald Trump die Konjunktur auch weiter anziehen. Für Deutschland schraubten Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognosen auch gerade erst hinauf. Über zwei Prozent Wachstum werden nun auch hier erwartet. Eine Überhitzung sehen sie dagegen nicht. Denn bisher brummt zwar die Wirtschaft und die Beschäftigung, die Löhne aber steigen noch nicht so stark, dass sich die Wirtschaft sorgen machen müsste. Der Boom soll also weitergehen. Obwohl er – global gesehen – schon jetzt der zweitlängste Aufschwung aller Zeiten ist, seit 1850 nämlich, so haben Statistiker errechnet.

Sie haben übrigens auch die Wahrscheinlichkeit für die Jahresendrally beziffert und die sieht so aus: In den vergangenen zehn Jahren seit 2007 fand sie siebenmal statt, dreimal nicht. Auch zwischen 1991 und 2000 war die Quote ähnlich. In vielen Jahren seit Beginn der Börsenaufzeichnungen lässt sich die Jahresendrally beobachten, und sogar in vielen Ländern. Daraus kann man nun ableiten, dass die Kurse mit hoher Wahrscheinlichkeit noch einmal Gas geben. Oder umgekehrt sagen: Die Wahrscheinlichkeit, dass das nicht passiert liegt immerhin bei eins zu zwei.

Was treibt die Jahresendrally?

Die nächste Frage, die sich ein Anleger stellen muss, ist: Welcher Gewinn lockt, wenn es passiert? Auch das haben die Statistiker errechnet, demnach ist der Börsenmonat Dezember tatsächlich ein guter, allerdings auch nicht der beste. Er rangiert insgesamt nur auf Platz drei mit einer durchschnittlichen Performance von 1,13 Prozent. Nicht üppig, finden Sie? Stimmt, der November hat immerhin 1,35 Prozent zu bieten und der März sogar 1,54 Prozent. So gesehen müsste man also eher von der großen Frühjahrsrally sprechen, was aber keiner tut. Allerdings lässt sich die Performance des Jahresendes auch pimpen, wenn man nämlich nur die letzten fünf Handelstage des Dezember zählt und die ersten zwei Handelstage im Januar. Dann nämlich kommen diese sieben Tage zusammen auf eine Wertentwicklung von 1,7 Prozent plus. Und zwar zurückgerechnet bis ins Jahr 1896, was in Börsenzeiten ungefähr so viel bedeutet wie „seit Menschengedenken“.

Das ist nun tatsächlich weitaus mehr, als die Indizes in allen anderen Einwochenphasen des Jahres zurücklegen, wo die Durchschnittsperformance bloß bei 0,2 Prozent liegt. Die spannende Frage ist nun: Was treibt die Börsen alljährlich in den letzten Tagen zu diesem Anstieg? Es steckt tatsächlich eine Art Automatismus dahinter: Am Jahresende nämlich positionieren sich viele Investoren fürs kommende Jahr neu. Privatanleger und Profis überdenken ihre Portfolios. Und Fondsmanager dekorieren dann noch einmal ihre Schaufenster neu, so nennen Marktbeobachter das: Sie verkaufen in den letzten Tagen des Jahres ihre Verlustbringer und kaufen dafür von den am besten gelaufenen Aktien des abgelaufenen Jahres noch einige hinzu. So können sie in den vielgelesenen Reports im Januar nämlich Depots mit ausnahmslos gut laufenden Aktien präsentieren. Manchmal kaufen sie die abgestoßenen Werte dann wenige Tage später wieder zurück, heißt es. Oder neue Papiere, von denen sie hoffen, dass die sich im kommenden Jahr besser entwickeln.

Das Extrarisiko lohnt kaum

Außerdem werden zum Jahresende die Erträge aus festverzinslichen Anlagen fällig. Auch das würden viele Investoren nutzen, um das Zinsgeld noch schnell in den Aktienmarkt zu schichten. Das treibt die Kurse ebenfalls an. Vor allem, wenn marktenge Titel davon gekauft werden, also jene Papiere, bei denen die Liquidität gering ist. Auch das nutzen Investmentsprofis oft aus, um die Kurse kleinerer Papiere in den nicht so handelsstarken Zeiten nach oben zu jazzen.

Die entscheidende Frage ist also: Lohnt es sich für diese möglichen 1,7 Prozent Kursplus große Extrarisiken in Kauf zu nehmen? Kaum, sagen Finanzwissenschaftler. Denn zur aktiven Performance der Papiere tragen all diese Effekte nicht bei. Sondern die Endrally führt eher dazu, dass die Marktrendite in den Folgewochen tendenziell zu niedrig ausfällt und dass besonders bei Fonds die Transaktionskosten steigen. So gesehen könnte man also auch gut auf die Rally verzichten. Oder könnte ihr Ausbleiben vielmehr sogar als Zeichen dafür sehen, dass viele Fondsmanager im laufenden Jahr gut angelegt haben und aufs übertriebene Schönmachen ihrer Depots auch verzichten können.

Für Privatanleger lohnt es sich höchstens, noch vor dem 21. Dezember in den Markt einzusteigen, wenn sie das ohnehin vorhatten – weil sie zum Beispiel auch eine größere Geldsumme noch in Aktien investieren wollen, statt sie auf dem Zinskonto liegen zu lassen. Dann nämlich nähmen sie mit etwas Glück sowohl den Jahresendspurt mit als auch den Börsenaufschwung zu Jahresbeginn, der ebenfalls recht häufig ist. Von Januar bis März ist laut Börsenstatistik schließlich ebenfalls noch Bescherung, auch wenn die Geschenke dann etwas kleiner ausfallen.

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