Gastkommentar

Palmöl und die Bedrohung des Weltklimas

Das von der Schweiz ausgehandelte Freihandelsabkommen bietet keine ausreichende Basis, um Indonesien zum Übergang zu einer nachhaltigen Palmölwirtschaft zu bewegen.

Heinzpeter Znoj
Drucken
Riesige Palmölplantagen verdrängen in Indonesien den Regenwald.

Riesige Palmölplantagen verdrängen in Indonesien den Regenwald.

Bagus Indahono / EPA

Die Schaffung einer globalen Palmöl-Wertschöpfungskette in den letzten vierzig Jahren ist auf den ersten Blick eine Erfolgsgeschichte. Länder wie Malaysia und Indonesien haben sich eine sprudelnde Einkommensquelle verschafft, und die Nahrungsmittel- und Kosmetikindustrie verwendet das geschmacksneutrale Pflanzenfett inzwischen in der Hälfte ihrer Produkte. Doch die Art und Weise, wie Palmöl heute im industriellen Massstab produziert wird, und die ungebrochen weitergehende Ausdehnung dieser Produktion mittels Brandrodung tropischer Wälder sind zur Bedrohung für das Weltklima, die Artenvielfalt sowie die Ernährungssicherheit und die Menschenrechte lokaler Bevölkerungen geworden. Trotzdem hat die Schweiz für die Efta ein Freihandelsabkommen mit Indonesien ausgehandelt, das für Palmöl Zollreduktionen enthält.

«Greenwashing»

Um die kritische Öffentlichkeit in Europa zu beruhigen, zertifiziert Indonesien seine Exporte als nachhaltig produziertes Palmöl. Es handelt sich dabei um das «Greenwashing» einer Industrie, die nicht gewillt ist, etwas an der bisherigen Praxis – der Produktion in riesigen Monokulturen auf ehemaligen Waldgebieten – zu ändern. Denn der Preisvorteil von Palmöl gegenüber anderen Pflanzenfetten beruht auf Skaleneffekten: Auf riesigen Plantagen in der Grössenordnung von 10 000 Hektaren lassen sich mit handelsüblichen Mühlen bis zu 20 Tonnen Palmöl pro Stunde erzeugen. Um die Transportwege auf den Plantagen kurz zu halten, werden Ölpalmen in Monokultur und auf möglichst zusammenhängenden Flächen angebaut. Neue Palmölplantagen werden deshalb meist in abgelegenen, dünnbesiedelten Gebieten und auf zu diesem Zweck entwaldeten Flächen angelegt. Hier trifft die Palmölindustrie auf Bevölkerungen, die aufgrund ihrer peripheren Lage bis dahin weitgehend eine den Wald erhaltende Subsistenzproduktion betrieben haben.

Die Palmölindustrie kann diese alten Kulturlandschaften auch deshalb übernehmen, weil gewohnheitsrechtlicher Waldbesitz 1975 im indonesischen Forstgesetz aufgehoben worden ist. Traditionelle Gemeinschaften, die keine reale Möglichkeit haben, staatliche Landtitel zu erhalten, bewirtschaften ihr Land seither in einem Zustand der Rechtsunsicherheit. Zudem hat Indonesien die Uno-Deklaration über die Rechte der indigenen Völker, über die informelle kollektive Landrechte eingefordert werden könnten, nicht ratifiziert. Gewöhnlich werden betroffene lokale Gemeinschaften von den Palmölunternehmen mit Versprechen und Geschenken dazu bewogen, ihr Land gegen geringfügige Entschädigungen freiwillig abzutreten. Manche können ihr Land behalten, wenn sie mit den Plantagen zusammenarbeiten und selbst Ölpalmen produzieren. Weigern sie sich oder protestieren sie später wegen nicht eingehaltener Zusagen für Schulbildung, ärztliche Versorgung und Arbeitsstellen, werden sie von Polizei und Militär oft mit Waffengewalt vertrieben und zum Schweigen gebracht.

Diese Praxis ist während der autoritären Herrschaft General Suhartos ab den späten 1970er Jahren entstanden, als das Militär immer stärker wirtschaftliche Interessen zu verfolgen begann. Nicht zufällig gehören die meisten Palmölplantagen in indonesischem Besitz ehemaligen Generälen aus der Regierungszeit Suhartos. Gemäss offiziellen Landnutzungszahlen geht die Expansion der Palmölplantagen in Indonesien mit zuletzt 11 Prozent pro Jahr ungebremst weiter. Das rasante Wachstum hängt auch damit zusammen, dass die maximale Konzessionsgrösse 2007 von 20 000 auf 100 000 Hektaren erweitert wurde. Derart grosse Plantagen können praktisch nur im noch grösstenteils bewaldeten Westpapua angelegt werden. Dorthin verlagert sich denn auch das Wachstum der indonesischen Palmölindustrie.

Menschenrechte beeinträchtigt

Gerade die Expansion des Palmölsektors in Westpapua gibt Anlass zur grössten Sorge, was die Einhaltung der Menschenrechte angeht. Denn anders als in Kalimantan und Sumatra, wo einheimische Bauern als externe Zulieferer der Grossplantagen ebenfalls am Palmölboom teilhaben können, werden die einheimischen Papuas gesellschaftlich diskriminiert und von den Verdienstmöglichkeiten der Palmölindustrie ausgeschlossen. Auf den Plantagen arbeiten fast ausschliesslich Migranten aus dem westlichen Teil Indonesiens.

Die Grossgrundbesitzer in Indonesien nehmen die Beeinträchtigung der Umwelt und der Menschenrechte der lokalen Bevölkerung in Kauf, weil ihr Geschäftsmodell auf riesigen Plantagen beruht. Sie haben kein Interesse daran, auf eine nachhaltige Produktion von Palmöl in artenreichen Mischkulturen umzustellen, so wie sie traditionell in Westafrika, der Heimat der Ölpalme, praktiziert wurde. Eine solche nachhaltige Palmölwirtschaft würde nicht ausschliesslich auf Skaleneffekte setzen, sondern auf die Eingliederung der Ölpalme in die gewachsenen Kulturlandschaften. Die lokalen Bevölkerungen hätten aufgrund ihrer Erfahrung mit Mischkulturen in Wäldern einen privilegierten Zugang zum Markt und könnten gleichzeitig ihre Ernährung lokal sichern.

Das von der Schweiz ausgehandelte Freihandelsabkommen bietet keine ausreichende Basis, um Indonesien zum Übergang zu einer solchen nachhaltigen Palmölwirtschaft zu bewegen. Es zementiert vielmehr die bestehende Wertschöpfungskette auf der Grundlage einer menschen- und umweltverachtenden Produktion.

Heinzpeter Znoj ist Professor am Institut für Sozialanthropologie der Universität Bern und forscht seit 30 Jahren über Indonesien.

Weitere Themen