1. Startseite
  2. Lokales
  3. Landkreis Diepholz
  4. Bruchhausen-Vilsen

„Ich habe das gefühlt, auch wenn ich es nicht wusste“

KommentareDrucken

Eine Liebe im Zweiten Weltkrieg: Der deutsche Soldat Siegfried und seine norwegische Freundin Gunvor.
Eine Liebe im Zweiten Weltkrieg: Der deutsche Soldat Siegfried und seine norwegische Freundin Gunvor. © Mediengruppe Kreiszeitung

Br.-Vilsen - Von Regine Suling. Auf einem Tisch liegen schwarz-weiße Aufnahmen, daneben Farbfotos. Vergilbte Bilder von den Eltern und von den eigenen Enkeln aus der Gegenwart. Eine Familiengeschichte in Bildern – und noch dazu ein richtiges Familientreffen. Aber anders als bei anderen Familien treffen sich die Menschen, die hier in diesem Haus zusammen sitzen, zum ersten Mal in ihrem Leben.

„Ich habe das gefühlt, auch wenn ich es nicht wusste.“ Eli Solem spürte immer, dass sie noch mehr Verwandte hat. Die Familie der Norwegerin hat sich jetzt mit einem Schlag vergrößert: Am Wochenende schloss die 70-Jährige in Bruchhausen-Vilsen erstmals ihre deutschen Halbschwestern Petra Schmechel und Roswitha Heidelmann sowie ihre 90-jährige Tante Erika in die Arme.

In den 1940er-Jahren war Eli Solems Vater Siegfried in Norwegen stationiert. Der deutsche Soldat verliebte sich in Gunvor, war mit ihr ein paar Jahre zusammen. Die gemeinsame Tochter Eli wurde geboren. Doch Siegfried musste zurück nach Deutschland. Versuche, nach dem Zweiten Weltkrieg nach Norwegen zurückzukehren, um seine Freundin zu heiraten, schlugen fehl: Ehemalige Besatzer durften nicht einreisen. Zugleich hatte Gunvor einen schweren Stand. Norwegische Frauen, die mit deutschen Männern Kinder hatten, waren nicht gern gesehen, weiß Bjørn Venn. Seine Frau Eva ist die Cousine von Eli Solem. Gemeinsam sind die drei aus dem norwegischen Trondheim nach Deutschland gekommen, um die Lücke in der Familiengeschichte zu schließen. Die riss irgendwann in den 1950er-Jahren auf: Elis Vater zahlte bis dahin für seine norwegische Tochter stets Unterhalt, seine Schwester Erika stand in Briefkontakt. Man tauschte Fotos aus. Durch Umzüge riss der Kontakt ab. Ein Brief aus dem Jahr 1953 war das letzte Lebenszeichen aus Deutschland.

Bjørn Venn, der sich in seiner Freizeit mit Ahnenforschung beschäftigt, nahm den Faden auf. Jahrelang suchte er. Auch das Rote Kreuz in Norwegen konnte ihm nicht helfen. „Dann haben wir eine Fernsehsendung gesehen, in der ein Mann half, jemanden wieder zu finden.“ Sie kontaktierten ihn – und hatten nur wenig später die Kontaktdaten von Eli Solems deutscher Tante Erika in der Hand. Seitdem stand Eli auch in Kontakt zu ihren Halbschwestern.

„Wir haben uns geschrieben und Fotos geschickt“, erzählt Roswitha Heidelmann. „Wir haben uns gewünscht, dass wir uns treffen. Es ist schön, dass das so schnell geklappt hat. Das war aufregend und aufwühlend“, erinnert sie sich an die erste Begegnung. „Wir waren uns gleich vertraut und überhaupt nicht fremd“, strahlt ihre Schwester Petra Schmechel. „Wir wussten von unseren Eltern, dass wir eine Schwester in Norwegen haben“, berichtet die 61-Jährige. Genauso wusste Eli Solem von ihrem deutschen Vater – ein Geheimnis wurde auf beiden Seiten nicht daraus gemacht. Dennoch gab es in all den Jahren keinen persönlichen Kontakt: Siegfried gründete in Deutschland eine neue Familie, Gunvor heiratet einen Norweger.

Umso mehr freuen sich die Schwestern, dass sie einander nun gefunden haben. Wie vertraut die drei schon miteinander sind, zeigt sich bei einem Fototermin im Garten. Roswitha und Petra nehmen Eli in die Mitte, drücken sie fest. Sie kennen sich noch kein Leben lang. Aber ab jetzt werden sie einander nicht mehr aus den Augen lassen.

Auch interessant

Kommentare