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Rassismus-Vorwurf App markiert zwielichtige Gegenden - und löst Empörung aus

Die App SketchFactor soll helfen, unsichere Gebiete einer Stadt auszumachen. In den USA sorgt ihr Konzept für Empörung: Das System führe zu rassistischen Bewertungen, sagen Kritiker. Dabei ist der Service aus ganz anderen Gründen problematisch.
SketchFactor-Website: Teil die Stadt in gute und schlechte Straßen

SketchFactor-Website: Teil die Stadt in gute und schlechte Straßen

Wer sich in New York verläuft, kann sich nun per Smartphone-App darüber informieren, ob er sich in einem "sicheren" oder "unsicheren" Teil der Stadt befindet. Im zweiten Fall erfährt er auch, wie er dort wieder wegkommt. Die neue App SketchFactor ermöglicht jedem Nutzer, mitzuteilen, was er in bestimmten Straßen und an bestimmten Plätzen Unheimliches, Gefährliches oder Merkwürdiges erlebt hat - und so andere Nutzer zu warnen. Die App gibt es für iOS, eine Android-Version soll folgen. Obwohl SketchFactor erst seit wenigen Tagen zum Download bereitsteht, ist der Dienst bereits auf harsche Kritik gestoßen.

"Weiße Leute entwerfen eine App, um - äh - 'zwielichtige' Gegenden zu meiden", lästert die "Huffington Post ". Das Online-Magazin "ColorLines " titelt ironisch: "Du willst schwarze Nachbarschaften meiden? Dafür gibt es eine App". Auch in Blogs und Foren wird geschimpft: Das Konzept hätten weiße Amerikaner erdacht, die unter sich bleiben wollten und sich außerhalb ihres eigenen Stadtteils fürchteten.

Zu sehr erinnert die neue App viele an einen Dienst namens Ghetto Tracker, der im Jahr 2013 für Entrüstung sorgte . Damit konnten die Nutzer "Ghettos" - oder was auch immer sie dafür hielten - markieren und andere vor vermeintlich oder tatsächlich unsicheren Gegenden warnen. Die Macher von Ghetto Tracker änderten auf die harschen Reaktionen hin zunächst einmal den Namen des Dienstes in The Good Part of Town ("Der gute Teil der Stadt"), später verschwand das Angebot komplett von der Bildfläche.

Obdachlose gelten hier als Problem

Die Macher von SketchFactor antworten auf ihrer Webseite  auf die öffentliche Kritik: Die App sei doch ein Werkzeug für alle. Zudem gebe es die Möglichkeit, rassistische oder sonstwie beleidigende Beiträge zu melden. Die Gründer fühlten sich von dem Rassismus-Vorwurf persönlich angegriffen.

Tatsächlich ist es arg weit hergeholt, die App selbst als rassistisch zu bezeichnen. Problematisch ist sie trotzdem, und zwar aus mehreren Gründen: Eine BBC-Journalistin stellt zum Beispiel verwundert fest , dass die App rund um ihr New Yorker Büro gleich mehrere gefährliche Stellen anzeigt. Beim genaueren Hinsehen entdeckt sie, was denn angeblich so bedrohlich sein soll: "Es gibt dort ein Obdachlosenheim oder ein Haus für die Armen", heißt es in einem Kommentar, "die Bewohner hängen davor herum und belästigen nie jemanden. Aber es ist unangenehm, wenn man durch eine ansonsten nette Gegend läuft." Solche Kommentare sind eines der Probleme bei Diensten wie SketchFactor.

Denn jeder Nutzer entscheidet selbst, was er als "bedrohlich" oder auch nur "merkwürdig" bewertet - und je nach Horizont und Wesensart kann das in einem Stadtbild einiges sein: Minderheiten, Armut, vielleicht auch nur ein überquellender Mülleimer oder die Begegnung mit irgendeiner Person, die sich nur ausnahmsweise in diesem Teil der Stadt aufhält. Der Schwarm kann über Sicherheit und Unsicherheit nicht entscheiden, schreibt deshalb das Online-Magazin "Pando Daily", die Plattform befördere Vorurteile und Spott. Eine solche App sei nur sinnvoll, wenn sie sich statt auf individuelle Nutzererfahrungen ausschließlich auf die offizielle Kriminalitätsstatistik stütze.

Den größten Nachteil nennen die Macher selbst

Doch selbst dann kann man das Konzept zumindest fragwürdig finden: Dienste wie dieser teilen eine Stadt in gute und schlechte Teile ein, in "No-go-Areas" und wie auch immer geartete "normale" Viertel. Ein Stadtbild mit durchmischten Stadtteilen, in denen sich Menschen aus allen Einkommensklassen, mit verschiedenen Nationalitäten und in jedem Alter auf der Straße treffen, wäre doch viel wünschenswerter. Sollte die App Erfolg haben, gehen sich die Bewohner einer Stadt eher noch erfolgreicher aus dem Weg - zumindest in den großen amerikanischen Metropolen, für die die App gedacht ist.

Das größte Problem an ihrem Dienst nennen die Macher übrigens selbst auf ihrer Webseite . Die Nutzer sollten bitte aufpassen, so der Hinweis, dass ihnen auf der Straße nicht das Smartphone geklaut werde. Da ist etwas dran: Wer sich in eine düstere Gegend verlaufen hat, sollte vielleicht gar nicht auf ein teures Telefon starren, wie gefährlich es denn um ihn herum sein könnte. Besser man hält die Augen offen, um zu sehen, was in diesem Moment auf der Straße passiert.