Wie Rom die Bankenregeln aushebelt

Die Banca Populare di Vicenza ist pleite. Aber die Regierung in Rom lässt das Institut nicht im Regen stehen.
Die Banca Populare di Vicenza ist pleite. Aber die Regierung in Rom lässt das Institut nicht im Regen stehen. (c) REUTERS
  • Drucken

Wieder müssen Steuerzahler für die Rettung zweier Institute einspringen – was die EU-Bankenunion verhindern sollte. Aber EZB, Brüssel und Berlin wollen keine politische Krise.

Wien. Was kostet eine bankrotte Bank? Für einen Euro kaufte die spanische Santander vor wenigen Wochen den gestrauchelten Konkurrenten Banco Popular. Die italienische Großbank Intesa Sanpaolo bekommt nun für diesen symbolischen Betrag sogar zwei nicht mehr lebensfähige Institute: die regionalen Geldhäuser Veneto Banca und Banca Populare di Vicenza. Beide „Retter“ übernehmen freilich nur die Kunden, deren Einlagen und gesunde Aktiva. Faule Kredite sind gesondert abzuwickeln. Doch was auf den ersten Blick recht ähnlich aussieht, ist tatsächlich grundverschieden: In Spanien müssen die Aktionäre und Anleihegläubiger für die Verluste geradestehen, der Staat steuert nichts bei – ganz so, wie es die Regeln der EU-Bankenunion vorsehen, die seit Anfang des Vorjahres gelten. In Italien hingegen muss einmal mehr der Steuerzahler einspringen: Die Regierung in Rom verspricht Hilfen von bis zu 17 Mrd. Euro. Fünf Mrd. fließen sofort an Intesa, der Rest sind Garantien.

3900 verlieren ihren Job

Dennoch schließen 600 von 960 Filialen; 3900 Mitarbeiter müssen „freiwillig“ gehen. Entsprechend die Reaktionen: Für die Abwicklung in Spanien gab es allgemeines Lob und Erleichterung darüber, dass das EU-Regime in der Praxis funktioniert. Für das Placet Brüssels zur Vorgangsweise in Italien hagelt es hingegen Kritik. Vor allem von deutschen EU-Parlamentariern aus allen Lagern: Die CSU sieht die Bankenunion am „Sterbebett“. Mit der „Nacht-und-Nebel-Aktion“ sei das Versprechen, Steuerzahler zu schonen, „ein für alle Mal hinfällig“, empören sich die Grünen. Ausnahmen werden „gedehnt wie Kaugummi“, findet die Linke. „Zu viele Schlupflöcher“ orten die deutsche Wirtschaftsweise Isabel Schnabel und Österreichs Neos: Regeln würden „gebogen und ausgehebelt“, sagt ihr Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn. Für Stirnrunzeln hatte schon die Kapitalspritze für die marode Monte dei Paschi di Siena gesorgt. Bei diesem viel größeren, systemrelevanten Institut nutzte Rom eine Ausnahme: Weil die EZB es für grundsätzlich überlebensfähig hielt, durfte es Italiens Regierung „vorsorglich“ rekapitalisieren.

Hilfe nur für Kleine erlaubt

Genau um diese Einstufung kämpfte sie auch für die beiden Banken im Veneto. Dabei spielte aber die EZB nicht mit. Am Freitagabend brach sie den Stab über die Sorgenkinder: zu wenig Eigenkapital, kein glaubwürdiger Sanierungsplan, nicht überlebensfähig. Die EU-Abwicklungsbehörde in Brüssel ergänzte: Sie werde für so kleine Geldhäuser gar nicht gebraucht. Was für viele Beobachter überraschend kam: Zwar sind die beiden Banken nicht sehr groß (je 34 Mrd. Euro Bilanzsumme, gemeinsamer Marktanteil unter zwei Prozent), aber immerhin hatte die EZB sie bisher unter ihrer Aufsicht. Gemeinsames Fazit in Brüssel und Frankfurt: Italien darf die beiden Banken nach nationalem Insolvenzrecht liquidieren, was eine Staatshilfe möglich macht. Denn für diesen Fall gelten weichere EU-Vorgaben von 2013: Erlaubt ist eine „Liquidationsbeihilfe“ für einen geordneten Ausstieg, um eine sofortige Schließung aller Filialen und Störungen in der regionalen Wirtschaft zu vermeiden. Damit gilt nun in der Eurozone eine seltsame Regel: Für systemrelevante Pleitebanken darf es keine Hilfe geben, für unwichtige schon.

Eine Möglichkeit, die Rom eilig nutzte. Die Einigung mit Intesa war schon vorbereitet. Das Notdekret von Sonntagabend kam noch rechtzeitig, um einen Bankrun Montagfrüh zu verhindern. Für die Gläubiger bedeutet die Lösung: Nur Aktionäre und Besitzer nachrangiger Anleihen müssen einen Teil beitragen. Ganz verschont bleiben Sparer mit Einlagen über 100.000 Euro (Kleinsparer wären auch nach den EU-Regeln abgesichert), vor allem aber Besitzer von „Senior Bonds“. Um sie vor allem geht es. Denn wie in Italien üblich, hatten auch die Veneto-Banken ihren Kunden eigene Schuldscheine als sichere Geldanlage und ertragreiche Alternative zum Sparbuch verkauft. Zehntausende Kleinanleger, die ihre Ersparnisse verlieren und deshalb auf die Straße gehen – solche Nachrichten und Bilder will Italiens Mitte-links-Regierung ein knappes Jahr vor der Parlamentswahl mit allen Mitteln vermeiden.

Lieber nicht einmischen

Aber auch der Rest Europas hat kein Interesse an politischen Turbulenzen in Italien, just in einem Moment, wo sich die schwache Wirtschaft des Landes ein wenig erholt. Weshalb auch die Reaktion aus Berlin verhalten ausfiel. Für die deutsche Regierung war wichtig, dass es nicht wie bei den Senesen zu einer Hilfe mit ausdrücklichem EU-Sanktus kommt. So aber geht es um eine inneritalienische Angelegenheit – und da mischt man sich nobel gar nicht erst ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.06.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.