Die Kontroverse um Chinas geplante Quote für E-Autos führt uns mal wieder vor Augen, wie unbeirrt die Volksrepublik an ihrer industriepolitischen Strategie festhält. Und welche Unbeweglichkeit und Härte sie damit gegenüber ausländischen Unternehmen – und auch Regierungen – damit zu Tage legt. Es zeigt sich in diesen Tagen in der Elektromobilität unmissverständlich, wie stark China langfristig bestrebt ist, durch massiven staatlichen Eingriff ausländische durch chinesische Technologie zu ersetzen.

China bewegt sich nicht auf eine Marktwirtschaft zu, sondern bildet ein eigenes neues System des Technologienationalismus. Niemand wird das Land davon abbringen, allenfalls kosmetische Zugeständnisse sind zu erwarten. Mit der aufflammenden Debatte um die E-Autoquote droht zudem das in den vergangenen Monaten neu aufgebaute Vertrauen untergraben zu werden.

Dabei herrschte Anfang Juni, als Chinas Ministerpräsident Li Keqiang mit einem großen Ministertross Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin besuchte, noch große Zuversicht. Die drohende Abschottung des US-Marktes schien beide Länder zusammenzuschweißen. Kooperationen etwa in der intelligenten Fertigung übertünchten Konfliktfelder wie strategische Investitionen Chinas in Europa oder Chinas Marktwirtschaftsstatus. Die Bundesregierung schien mit ihrem Bemühen um eine Abschwächung oder Verschiebung der Quote für E-Fahrzeuge Wirkung zu erzielen. Li Keqiang selbst verkündete bei seinem Besuch: Wir nehmen die deutschen Forderungen ernst und werden die Quote zunächst abschwächen und verschieben.

Von vornherein ungleiche Bedingungen

Dann kam die Ernüchterung: Der Staatsrat veröffentlichte Mitte Juni in Peking einen zweiten Entwurf der Quote. Der aber ist im Kern immer noch genauso strikt wie die erste Version. Geändert hat sich – nichts. Die Ursachen für die Entstehung des zweiten Entwurfs sind unklar: Gibt es innerhalb der Führung in Peking Differenzen über die Quote? Oder revanchiert sich Chinas Regierung für den nicht besonders erfolgreich verlaufenen Gipfel mit der EU und nutzt die Quote nun als Faustpfand in der Frage um den Marktwirtschaftsstatus? Oder ist alles nur ein großes Missverständnis?

Das Beharren auf der E-Quote kann auch als konsequente Umsetzung von Industriepolitik interpretiert werden. Laut dem Masterplan "Made in China 2025" soll China eine führende Technologiemacht werden, auf Augenhöhe mit Deutschland und anderen Industrieländern. Ganz besonders in der Elektromobilität. Denn während China bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren trotz jahrzehntelanger Bemühungen im Hintertreffen ist, bieten die E-Fahrzeuge die große Chance, den Markt neu aufzurollen. Heimische Unternehmen dominieren jetzt bereits den noch kleinen, aber schnell wachsenden Markt. Deutsche Hersteller bewegen sich hier nur langsam.

Die geplante Quote soll – als ein Instrument der industriepolitischen Agenda – die ausländischen Hersteller nun weiter unter Druck setzen und die Neuordnung des Marktes beschleunigen. Denn nach den Plänen der Regierung müssten alle Fahrzeughersteller, ob chinesisch oder ausländisch, ab 2018 mit dem Verkauf von E-Fahrzeugen ein Punktekonto füllen, das mindestens acht Prozent der verkauften Benziner entsprechen muss. Für die deutschen Hersteller ist das kaum zu erreichen, auch die Ziele für 2019 und 2020 sind ambitioniert. Hohe Strafzahlungen könnten die Folge sein.

Jost Wübbeke ist Leiter des Programmbereichs Wirtschaft & Technologie am Mercator Institut für Chinastudien (MERICS) in Berlin. © Merics PR

Ohne Frage sind es auch umweltpolitische Ziele, die China hier durchsetzen will. Da könnte sich manch anderes europäische Land etwas abschauen. Und schließlich gilt die Quote auch für chinesische Unternehmen. Doch die chinesische Regierung schafft von vornherein ungleiche Bedingungen: Viele chinesische Modelle werden durch üppige staatliche Kaufprämien unterstützt – ein Privileg, das ausländische E-Autos nur selten bekommen. Und die Plötzlichkeit, mit der die geplante Quote angekündigt wurde und nun eingeführt werden soll, zielt gerade darauf ab, die ausländischen Hersteller mit ihrem bislang nur mickrigem E-Auto-Geschäft zu überrumpeln.