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Fonds Bei Schwellenländern ist Ausdauer gefragt

Brasilien taumelt in die nächste Staatskrise. Das könnte auf andere Schwellenländer abstrahlen.

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass das Geldanlegen am anderen Ende der Erde doch unberechenbarer ist als viele meinen, so lieferte die Börse ihn vergangene Woche: Da tickerte die Nachricht von der Regierungskrise in Brasilien um die Welt. Dort schwelt nun der größte Korruptionsskandal der Geschichte und es heißt, der Präsident sei in sie verwickelt. Er habe einer Schweigegeldzahlung zugestimmt, die vom Ölmulti Petrobas an einen inhaftierten Parteifreund gegangen sein soll. Daraufhin brachen die Aktienkurse jäh ein. Denn ein Präsident, der sich solchen Vorwürfen ausgesetzt sieht, wird es wohl schwer haben, die nötigen Reformen in seinem Land durchzusetzen. Deshalb der gigantische Rücksetzer, den aber nicht nur Brasilien spürte. Die Aktienkurse sämtlicher Schwellenländer knickten zwischenzeitlich ein.


Inzwischen erholten sich die Kurse in den meisten Ländern zwar wieder. Zumindest auf Wochensicht machte der Emerging Markets Index den Schwächeanfall fast wieder wett. Der brasilianische Index Bovespa aber blieb auf Tauchstation. Er hat gut 7000 Punkte innerhalb kürzester Zeit verloren, das sind gut zehn Prozent. Dann wurde der Handel gestoppt. Und die schlechten Nachrichten rund um den Präsidenten reißen seitdem nicht ab. Lassen sich die Vorwürfe mittels Tonbandmitschnitten belegen? Sagt der Kronzeuge vor Gericht gegen Präsident Michel Temer aus? Und wird der dann zurücktreten? Brasilien sieht sich mit einer mittleren Staatskrise konfrontiert – schon wieder. Denn es ist erst wenige Monate her, dass Präsidentin Dilma Rousseff per Amtsenthebungsverfahren aus dem Dienst gejagt wurde. Sie war ebenfalls in den Strudel aus Abhörattacken, Korruption und den Politfilz ihres Landes geraten. Ihre Absetzung trieb politische Schockwellen durch ganz Südamerika.

Aktienkurse gaben um rund zehn Prozent nach

Wiederholt sich nun die Geschichte? Und erleben die Länder Lateinamerikas einen erneuten Absturz, wo sie doch gerade erst wieder begonnen hatten, sich zu erholen? All das kann zu diesem Zeitpunkt natürlich noch niemand sagen, aber sieht man sich an, welche Hoffnungen viele Analysten zuletzt auf den Kontinent gesetzt hatten, so könnte die Fallhöhe durchaus groß sein: Argentinien – jahrelang von der Staatspleite gebeutelt – habe mittlerweile die Kehrtwende geschafft. Nun ginge es mit der drittgrößten Volkswirtschaft des Kontinents wieder bergauf, befanden Südamerikaexperten jüngst. Und über Brasilien sagten sie: Kein anderes Schwellenland lege eine ähnliche Reformdynamik an den Tag wie Südamerikas Volkswirtschaft Nummer eins seit dem Regierungswechsel. Auf Präsident Temer ruhten die Hoffnungen, dass er endlich die dringend nötige Rentenreform einleiten werde. Doch wehe, er könne sie politisch nicht durchsetzen, dann stünde Brasilien vermutlich bald vor einem gigantischen Staatsschuldenberg, der das Land erdrücken könnte. So lautete die Warnung bereits vor Bekanntwerden des Skandals. Der könnte nun diese Befürchtung durchaus wahr werden lassen.


Was aber heißt das nun alles für Anleger? Zuerst einmal muss man in Beziehung setzen, welche Ausmaße der Börsenabsturz der vergangenen Woche hatte: Er dezimierte die Aktienkurse um rund zehn Prozent, das ist natürlich viel in so kurzer Zeit. Aber der Bovespa-Index hat zuvor immerhin auch stolze 25 Prozent zugelegt auf Jahressicht. Damit war Brasilien einer der bestlaufenden Aktienmärkte der Welt und trug maßgeblich dazu bei, dass auch der Gesamtindex der Schwellenländer nach oben strebte. Der schaffte auf Jahressicht ein Kursplus von 27 Prozent.


Rechnet man heraus, welchen Anteil die Brasilienpapiere insgesamt an den Schwellenländerfonds haben, so erscheint das Gewicht der Südamerikaner jedoch eher gering: Bei rund sieben Prozent liegt ihr Anteil an Emerging Markets Fonds, errechnete die Ratingagentur Morningstar. Wer ein global aufgestelltes Portfolio hat, etwa mit Papieren, die dem MSCI World folgen, bei dem sind es sogar nur 0,3 Prozent. Deutlicher fällt der Anteil Brasiliens allerdings bei den BRIC-Fonds aus, die sich auf Brasilien, Russland, Indien und China konzentrieren. Hier haben die Südamerikaner immerhin einen Anteil von 16 Prozent. (China steckt üblicherweise zu 40 Prozent darin, Indien zu 20 Prozent, bleiben noch 23 Prozent für Russland). So gesehen dürfte also der jüngste Absturz die meisten Anleger bisher nicht arg getroffen haben.

Anleger haben keine Geduld mit Schwellenländern

Anders sähe es jedoch aus, wenn nun der ganze Kontinent aufgrund einer erneuten Regierungskrise in den Abwärtsdrall geraten würde. Das könnte schnell eine neue Schwächephase bei den Emerging-Markets-Investments auslösen. Denn deren Anleger preschen erfahrungsgemäß ebenso massiv und dynamisch aus den Papieren hinaus wie sie in sie hineinpreschen, wenn die Stimmung umschlägt. In den vergangenen Jahren war das sehr gut zu beobachten: Nachdem etliche Analysten 2013 den Begriff von den „fragilen Fünf“ (Brasilien, Indien, Indonesien, Südafrika und die Türkei) geprägt hatten und davor warnten, dass diese Länder aufgrund ihrer Ökonomien und ihrer Währungen besonders anfällig für die geldpolitischen Exzesse der Notenbanken seien, stiegen viele Anleger aus den Ländern aus. Nicht bloß aus den fragilen Fünf, sondern aus den Schwellenländern insgesamt. Das bescherte den Emerging Markets eine lang anhaltende Schwächephase, die von 2011 bis 2016 dauerte. In dieser Zeit halbierte sich der Kurs des MSCI Emerging Markets Index auch nahezu.


Doch seit dem Mehrjahrestief im Januar 2016 bei 750 Punkten erleben die Schwellenländerfonds wieder einen deutlichen Zulauf. Inzwischen steht der Index wieder bei über 1000 Punkten und damit bei der Schwelle, um die herum er schon seit Jahren seitwärts tendiert. Nun ist die Frage: Bricht er endlich nach oben aus und nimmt wieder Kurs auf den Höchststand von 1300 Punkten, den er einst vor der Finanzkrise erreicht hatte? Damit hätten dann auch die Schwellenländer endlich den Crash von 2008 wieder wettgemacht. Oder fällt der Index erneut auf 700 bis 800 Punkte zurück, setzt er also seinen Seitwärtstrend fort? Genau das müssen jetzt die spannenden kommenden Wochen zeigen.

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Im Rückblick zeigt sich jedoch auch: Anleger, die tatsächlich 2013 aus den Emerging Markets insgesamt ausstiegen, weil sie der Warnung vor den fragilen Währungen glaubten, verpassten damit ein Kursplus von 39 Prozent, das der MSCI Emerging Markets seit dieser Zeit trotz allem hinlegte. Selbst das anfällige Brasilien schaffte seitdem ein Kursplus von sieben Prozent, in China waren es 50 Prozent, das ebenfalls fragile Indien kam sogar auf gigantische 130 Prozent Kurssteigerungen. So gesehen ist also fraglich, ob Anleger sich immer einen Gefallen damit tun, wenn sie blind der Herde folgen und der allgemeinen Marktstimmung vertrauen.


Manche Analysten sagen daher, das sei wieder einmal der Beleg dafür, dass sich antizyklisches Anlegen auszahle, auch bei den Emerging Markets. Wenn alle den sinkenden Markt verlassen, könne es sich durchaus lohnen, drin zu bleiben oder nachzukaufen, statt ebenfalls auszusteigen. Denn damit realisiere man einerseits seine Verluste und verpasse andererseits höchstwahrscheinlich den Punkt, an dem es wieder aufwärts geht. Und gerade zu Beginn eines neuen Aufschwungs erfolgt der Kursanstieg meistens rasant.


Wer daher die Krise in Brasilien nicht als Zeichen des Ausstiegs deuten möchte, sondern weiterhin auf Schwellenländer setzt, der sollte drei Dinge beherzigen: Erstens schwanken Schwellenlandaktien relativ stark, auch weiterhin. Die große Volatilität ist sozusagen der Risikozuschlag, den man zahlt, also der Preis dafür, dass die Renditen möglicherweise auch ein Stückchen höher ausfallen als bei anderen Investments. Zweitens gebietet es diese Schwankung, dass man möglichst breit auf diese Länder setzt. Also besser keinen Bric-Fonds oder Regionenfonds kaufen, sondern lieber einen Fonds oder Indexfonds auf den Gesamtmarkt, den MSCI Emerging Markets. Und drittens: Nicht zu früh aufgeben. Die Erfolgsgeschichte der aufstrebenden Länder ist noch nicht zu Ende – auch wenn sie zwischenzeitlich wieder einen Dämpfer erhält.



Nadine OberhuberNadine Oberhuber ist Wirtschafts- und Finanzjournalistin. Sie schreibt auf Capital.de über Geldanlagethemen





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