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Kolumne Bureaucracy Busters statt Motivation-Booster

"Meine Leute brauchen einen Motivations-Booster." Brauchen sie nicht, es gibt was Besseres. Von Anja Förster
Anja Förster
Anja Förster

Anja Förster ist Unternehmerin, Vortragsrednerin und Autorin. Zuletzt ist von ihr der Spiegel-Bestseller "Hört auf zu arbeiten" erschienen. Hier können Sie ihr auf Twitter folgen.

Mit einer Sache können Sie mich in den Wahnsinn treiben! Nämlich mit folgender Bitte in allen seinen Varianten: „Können Sie mir helfen, meine Mitarbeiter mal so richtig zu motivieren?“

Nur die gute Erziehung hilft mir da, nicht aus der Hose zu springen!

Warum? Weil dieser Satz ein Denken offenbart, das völlig veraltet ist. Das Konzept „Menschen motivieren“ ist anerkanntermaßen und ausreichend belegt dummes Zeug. Motivation lässt sich – entgegen der nicht totzukriegenden Behauptung so mancher Motivations- oder Erfolgstrainer – nicht von außen mit dem großen Löffel verabreichen.

Motivation kann man nicht mit dem Löffel verabreichen

Darum hier nochmal ganz deutlich: Menschen können nicht motiviert werden! Sie müssen nicht motiviert werden! Sie sind bereits motiviert!

Stattdessen: Die Absender solcher Motivationsgesuche sollten dringend darüber nachdenken, wie sie endlich damit aufhören können, ihre Mitarbeiter zu demotivieren.

So weit so gut. Aufhören zu demotivieren … aber wie macht man das ganz praktisch? – Indem man Dinge weglässt beziehungsweise nicht mehr tut. In Ordnung. Nur welche?

Bureaucracy Busters

Ein sehr schönes Beispiel, wie „De-Demotivation“ gelingen kann, erzählt Laszlo Bock, der Personalchef von Google: Der Anlass war dort das Ergebnis einer jährlichen Mitarbeiterbefragung. Immer mehr Mitarbeiter beschwerten sich über die komplizierten und bürokratischen Prozesse, die alle nervten.

Die Größe der Firma hatte sich wieder mal verdoppelt. Damit einher ging der wohlbekannte Effekt: Die Bürokratie wucherte. Genehmigungsschleifen, Berichte, Vorschriften, Regeln, Protokolle schossen aus dem Boden, um die mit der Größe steigende Komplexität in den Griff zu bekommen. Für den einzelnen Mitarbeiter wurde es immer schwieriger und aufwändiger Dinge zu erledigen.

Das durfte so nicht weitergehen. Aber was tun? CFO Patrick Pichette hatte eine gute Idee: Er übertrug die Entscheidung, was alles geändert werden sollte, den Mitarbeitern. Und zwar, indem er die Bureaucracy Busters ins Leben rief.

Das funktioniert so: Bureaucracy Busters ist ein Online-Tool, das es Mitarbeitern ermöglicht, bürokratische Ärgernisse, umständliche Arbeitsabläufe, sinnlose Genehmigungsverfahren und so weiter zu benennen und Vorschläge zu machen, wie sich diese reduzieren oder ganz abschaffen lassen. Die besten Ideen werden dann gewählt und umgesetzt.

Wichtig dabei: Das war keine von oben nach unten verordnete Initiative. Stattdessen wurde den Mitarbeitern ein Online-Werkzeug zur Verfügung gestellt, mit dem sie von unten nach oben selbst aktiv werden konnten.

Ein Hygienehaushalt, der automatisch eliminiert, was beim Arbeiten stört

Beseitigt werden auf diese Weise alle ärgerlichen Kleinigkeiten, die die Chefs gar nicht sehen können. Beispielsweise gab es da diesen Kalender, der es nicht erlaubte Gruppen hinzuzufügen, weshalb es ewig dauerte, große Konferenzen einzuberufen. Die Bureaucracy Busters wurden eingeschaltet, die fehlende Funktion wurde eingerichtet, das Problem war gelöst. Genauso bei der Schwelle für genehmigungspflichtige Ausgaben: Sie war sehr niedrig angesetzt. Die Folge: Manager mussten selbst bei kleinsten Ausgaben ihre Zustimmung geben. Bureaucracy Busters: Die Schwelle wurde angehoben. Und so weiter…

Das ganze wirkt wie eine Art Immunsystem, ein selbst gesteuerter Hygienehaushalt, der automatisch eliminiert, was beim Arbeiten stört. Gibt es so etwas nicht, dann treten die frustrierenden Kleinigkeiten immer gebündelter auf, der kumulierte Frust wird immer größer, immer destruktiver und wirkt irgendwann wie ein Schwarzes Loch, das die Freude an der Arbeit unerbittlich anzieht, einsaugt und vernichtet.

Die Kunst des Weglassens

Die Voraussetzung, um so ein extrem nützliches unternehmensinternes Immunsystem zu entwickeln und ins Werk zu setzen, ist aber diese wichtige Erkenntnis in den Köpfen der Führungskräfte: Die Kunst des Weglassens! Anstatt sich den Kopf zu zerbrechen, was man alles noch machen könnte, welche neue Controlling-Tools, neue Berichte, neue Formulare man hinzufügen könnte, sollten Chefs verstehen, dass sie auch führen und etwas verbessern können, indem sie etwas NICHT mehr machen!

Darum: Denken Sie drüber nach! Was können Sie weglassen? Aufgeben. Streichen. Reduzieren. Beenden. Alles, was die Produktivität, die Lust und die Energie der Mitarbeiter raubt, ohne nennenswert zur Wertschöpfung beizutragen, muss weg!

Der Kern jeder Führungsarbeit ist es, ein Umfeld zu schaffen, in dem Mitarbeiter ihr Bestes geben können. Und die Königsklasse: Die besten Chefs schaffen ein System, durch das dieses nicht-hemmende Umfeld von selbst entsteht!

Wie könnte das in Ihrem Umfeld funktionieren?

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