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Neues Gesetz Endlich - das WLAN für alle kann kommen

In letzter Minute einigt sich die Koalition auf ein WLAN-Gesetz - es soll für viel mehr offene Internet-Hotspots in Deutschland sorgen. Tatsächlich dürfte die Regelung die größten Risiken für Anbieter ausräumen.
Mann mit Laptop

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Foto: imago

Am Textende steht ein Update.

Es ist die Reform der Reform der Reform, und auch der dritte Anlauf dieser Bundesregierung war monatelang umkämpft. Erst in der letzten Sitzungswoche des Bundestags in dieser Legislaturperiode haben sich die Fraktionen von Union und SPD mit der Bundesregierung nun doch noch auf ein neues WLAN-Gesetz geeinigt.

Die Regelung soll erreichen, dass es bald mehr frei verfügbare Internet-Hotspots in Deutschland gibt. Dafür sollen die Anbieter von WLAN-Netzen generell von der Haftung befreit werden - also etwa Cafés, Hotels, aber auch Privatpersonen, die ihr WLAN für Mitbürger öffnen.

Am Montagnachmittag hat es dazu noch einmal ein Gespräch mit den Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU), Thomas Oppermann (SPD) und dem Wirtschaftsministerium gegeben. Kauder und Oppermann sprachen am Dienstagvormittag erneut, dann stand die Einigung. Die Union murrte bis zum Schluss, in der Fraktionssitzung am Dienstagnachmittag stimmten noch rund 20 Abgeordnete gegen den Kompromiss, wie Teilnehmer dem SPIEGEL berichteten.

Die Einigung sieht so aus: Anbieter von WLAN-Hotspots sollen von der Haftung für mögliche Rechtsverstöße ihrer Mitnutzer verschont bleiben, selbst wenn sie ihr WLAN-Netz ohne Passwortschutz aufsetzen. Eine Passwortpflicht, die vor allem Innenpolitiker der Union gewollt hatten, ist damit vom Tisch.

Ein Beispiel: Lädt ein Cafébesucher eine Raubkopie eines Musikalbums im Netz des Cafés herunter, kann der Cafébesitzer dafür nicht abgemahnt werden. Das beabsichtigt zumindest der Gesetzentwurf, der Ende der Woche beschlossen werden soll. Damit soll verhindert werden, dass Anbieter aus Angst vor Abmahnungen WLAN-Netze nicht öffnen.

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Deutschland hinkt bei frei verfügbaren Hotspots im internationalen Vergleich hinterher. Denn bislang sorgt in Deutschland die sogenannte Störerhaftung dafür, dass der Betreiber eines WLAN im Zweifelsfall dafür zur Rechenschaft gezogen werden kann. Das erklärte Ziel der Koalition war es, diese Störerhaftung abzuschaffen - zwei Versuche scheiterten. Nun stellt man klar: Sollten Anbieter offener WLAN-Netze doch vor Gericht abgemahnt werden, müssten sie dafür keine außergerichtlichen Kosten tragen.

Lars Klingbeil, der netzpolitische Sprecher der SPD, sagte dem SPIEGEL: "Wir werden die Risiken für Hotspot-Anbieter endgültig beseitigen. Die Hürden für freies WLAN sind damit abgeräumt. Ich erwarte in den kommenden Jahren einen großen Schub für freies WLAN in Deutschland."

Ob es diesen Schub wirklich gibt, dürfte auch davon abhängen, wie ein Punkt im Gesetz umgesetzt wird. Denn die Regelung räumt trotz Ende der Störerhaftung Rechteinhabern - etwa von Musiklizenzen - die Möglichkeit ein, einen Rechtsmissbrauch zu unterbinden. Über eine Anordnung können sie einen Hotspot-Anbieter zwingen, bestimmte Seiten für sein Netzwerk zu sperren, damit sich etwa das illegale Herunterladen eines Albums nicht wiederholt. Mit dieser Regelung reagiert die Koalition auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom vergangenen Herbst, das Sanktionen für WLAN-Anbieter vorsieht.

Die Opposition sieht darin eine neue Hürde. Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen, sagte: "Gerade nichtkommerzielle Anbieter werden hier wieder abgeschreckt und entweder voreilig blocken oder aber erst gar nicht ihr WLAN öffnen."

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Wenn eine solche Sperrung einem Anbieter - also beispielsweise einem Cafébesitzer - zu kompliziert ist, könnte er stattdessen sein WLAN doch mit einem Passwort sperren und wäre damit seinen Pflichten nachgekommen.

Um diesen Spezialfall wurde zuletzt zwischen SPD und Union gerungen. Zuletzt machte Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) noch einmal öffentlich Druck auf die Union. Zuletzt hatte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer internen Fraktionssitzung darauf gedrungen, dass man sich doch bitteschön einigen möge.

Thomas Jarzombek (CDU), digitalpolitischer Sprecher der Union, sieht damit "die Vorgaben des EuGH umgesetzt". Die Reform zeige, "dass uns die Verbreitung von WLAN wichtig ist", sagte er dem SPIEGEL.

Wird Deutschland nun einen WLAN-Boom erleben? Die jetzige Regelung ist immerhin klarer gefasst als die vorigen beiden Anläufe, die noch unter Zypries' Vorgänger Sigmar Gabriel (SPD) verfasst wurden. Es wird wohl darauf ankommen, wie die Regelung zu den Unterlassungsansprüchen umgesetzt wird - von Privatpersonen, aber auch von gewerblichen Anbietern, die große WLAN-Hotspots in Städten betreiben - und nicht zuletzt von Abmahnanwälten, die bislang stets die Lücken jedes neuen Gesetzes für sich zu nutzen wussten. Mit der Einigung wird immerhin ihr bislang wirksamster Hebel, die Störerhaftung, ausdrücklich abgeschafft.


Update, 30. Juni 2017: Der Bundestag hat das Gesetz am letzten Sitzungstag der aktuellen Legislaturperiode beschlossen. Die Anbieter müssten ihr Angebot weder verschlüsseln noch brauchten sie eine Vorschaltseite, erläuterte Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). Sie müssten auch die Identität ihrer Nutzer nicht überprüfen. Das Gesetz soll dieses Jahr noch in Kraft treten.