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Western von gestern Das Ende der Neuen Heimat

Albert Vietor
Albert Vietor
© dpa
Das Ende des Wohnungsbaukonzerns Neue Heimat ging in die Skandalgeschichte der Bundesrepublik ein. Die Genossen um Albert Vietor an der Spitze des gewerkschaftseigenen Bauriesen entpuppten sich als Betrüger

Vier Jahre hatte John Siegfried Mehnert für die Neue Heimat als Pressesprecher gearbeitet. Dann kam die Kündigung – und er sann auf Rache. Vielleicht war ja doch etwas dran an den Gerüchten, die Manager um Vorstandschef Albert Vietor würden sich an dem gewerkschaftseigenen Bauriesen bereichern. Noch hatte Mehnert den Schlüssel zu der Hamburger Zentrale. An einem Samstag verschaffte er sich Zutritt und fand genau das, was er suchte: Akten, die belegten, dass die Führungsriege in die eigene Tasche wirtschaftete.

Mehnert verkaufte das Material an den „Spiegel“. Am 8. Februar 1982 berichtete das Magazin, wie die Manager über Deals mit Heizwärme, Antennenanlagen, Baufirmen und Grundstücken Millionen abzockten. Wirtschaftsprüfer errechneten später, dass allein Vietor der Neuen Heimat einen Verlust von 105 Mio. D-Mark beschert hatte.

Für die Gewerkschaften war die Affäre, die in die Skandalgeschichte der Bundesrepublik einging, eine Katastrophe. Genossen entpuppten sich als skrupellose Betrüger. Nur vier Tage nach den Enthüllungen feuerte DGB-Chef Heinz-Oskar Vetter Vietor und Konsorten.

Europas größter Wohnungsbaukonzern

Der Untergang der Neuen Heimat aber war besiegelt. Das Unternehmen war 1926 vom DGB gegründet worden . 1933 von den Nazis enteignet, erhielt der Gewerkschaftsbund 1950 sein Eigentum zurück und schuf in den folgenden Jahrzehnten Europas größten Wohnungsbaukonzern mit 400.000 Wohnungen, 6000 Beschäftigten und mehr als 100 Gesellschaften im In- und Ausland.

Doch das Fundament der Erfolgsstory war bröckelig. Nicht nur hatte sich das Management über Jahre bereichert, es hatte auch unbemerkt einen riesigen Schuldenberg angehäuft – besonders im Auslandsgeschäft. Um die Löcher in Malaysia, Afrika und Südamerika zu stopfen, wurden Rücklagen für Investitionen in Neue-Heimat-Siedlungen zweckentfremdet. Viele der Wohnungen in Deutschland verwahrlosten.

Es blieb nur der Verkauf des maroden Unternehmens. Für 1 D-Mark ging es 1986 an den Berliner Brotfabrikanten Horst Schiesser. Doch die Gläubigerbanken akzeptierten den Deal nicht. Der DGB musste die Neue Heimat mit Verlust zurückkaufen. Sie wurde liquidiert und nach Marktwert verkauft – vor allem an die Bundesländer. Die Neue Heimat war Geschichte. Doch nicht für den DGB. Der musste nämlich die Verluste an die Banken zurückzahlen: 3 Mrd. D-Mark.

Hauptperson

Albert Vietor wurde am 16. Mai 1922 in Kassel geboren. Der gelernte Lebensmittelkaufmann wechselte 1950 zur Neuen Heimat nach Hamburg und machte dort Karriere. 1963 stieg er zum Vorstandsvorsitzenden auf und bekleidete das Amt 19 Jahre lang. Bis zu seiner Entlassung 1982. Vietor verstarb zwei Jahre nach dem Skandal. Bis zu seinem Tod beharrte er darauf, dass „durch mich der Neuen Heimat kein Schaden zugefügt worden ist“. Er verklagte die Neue Heimat auf Lohnfortzahlung.

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